Der Asteroid 2012 TC4 nähert sich der Erde. Gefährlich wird er nach Überzeugung von Experten nicht. Für die Wissenschaft bietet er jedoch die Möglichkeit zum Durchspielen verschiedener Schutzmechanismen. Denn der nächste Einschlag aus dem All kommt bestimmt.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Er ist so groß wie ein Haus und wird die Erde am kommenden Donnerstagmorgen (12. Oktober 2017) nur knapp verfehlen. Wobei „knapp“ rund 44 000 Kilometer bedeutet. Zum Vergleich: Der Abstand Erde-Mond beträgt rund 400 000 Kilometer. Würde der Asteroid 2012 TC4 die Erde treffen, hätte das beträchtliche Folgen – so wie am 15. Februar 2013 rund um die russische Millionenstadt Tscheljabinsk.

 

Ein Asteroid ähnlicher Größe löste damals schwere Stoßwellen aus, etwa 1500 Menschen wurden verletzt, rund 7000 Gebäude beschädigt. Weil der nächste Einschlag nur eine Frage der Zeit ist, wollen Forscher aus dem Vorbeiflug von 2012 TC4 wichtige Erkenntnisse für die Zukunft ziehen.

Deep Impact

Ein Asteroiden-Einschlag auf der Erde ist gar nicht so abwegig. Um das Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2016 den 30. Juni zum International Asteroid Day ausgerufen. Das Datum markiert den Jahrestag des größten Asteroideneinschlags der jüngeren Geschichte: Am 30. Juni 1908 hatte ein Treffer in der Tunguska-Region in Sibirien rund 2000 Quadratkilometer unbewohntes Gebiet verwüstet. Der Asteroid hatte schätzungsweise einen Durchmesser von 30 bis 40 Metern.

Die US-Raumfahrtbehörde NASA schätzt die Größe von 2012 TC4 auf zwölf bis 27 Meter schätzt. Ein Winzling im Vergleich zu den wirklich gefährlichen Brocken aus dem All. Bei Asteroiden von bis zu 400 Metern Durchmesser müsste man sich vor allem vor gleichzeitig auftretenden Windstößen und Druckwellen schützen, haben britische Forscher herausgefunden. Das Team um den Astrophysiker Clemens Rumpf von der Universität Southampton in Großbritannien hat untersucht, welcher Effekt eines einschlagenden Asteroiden auf der Erde die gravierendsten Folgen für die Menschen und damit die meisten Opfer hätte.

Tsunamis, Erdbeben, Stürme

Die Studie im Journal „Geophysical Research Letters“ analysiert die Verteilung der möglichen Opfer nach sieben wahrscheinlich auftretenden Effekten: Tsunamis, fliegende Trümmer, Schockwellen, Hitze, Erdbeben, Winde und Kraterbildung.

Bei Einschlägen ins Meer führen Tsunamis naturgemäß zu den meisten Opfern. Insgesamt gesehen gehe davon jedoch keine so große Gefahr aus wie von Einschlägen auf der Erde, schreiben die Wissenschaftler.

Besonders gefährlich seien bei letzteren atmosphärische Druckwellen, die sich mit Überschallgeschwindigkeit ausbreiten, und dabei entstehende starke Winde. Sie seien für über 60 Prozent der Todesopfer bei Einschlägen von Asteroiden bis 400 Metern Durchmesser verantwortlich.

Die Wellen, die durch den steigenden Druck in der Atmosphäre entstehen, und Windstöße, die die Druckunterschiede ausgleichen, könnten Menschen durch die Luft schleudern und Gebäude einstürzen lassen. Der Wind könne die Geschwindigkeit von Orkanen überschreiten.

Die Konsequenzen? Unvorstellbar

In ihrem Computermodell ließen die Forscher 50 000 Asteroiden mit 15 bis 400 Metern Durchmesser – die am wahrscheinlichsten auftretenden Größen – auf die Erde treffen. Die Ergebnisse könnten Krisenmanagern bei der Vorbereitung auf einen drohenden kosmischen Einschlag helfen, kommentiert Rumpf in seiner Studie. Bei kleineren Einschlägen könne die Bevölkerung Schutz etwa in Kellern suchen, bei größeren Asteroiden seien Evakuierungen unumgänglich.

Ein Asteroid mit rund 60 Metern Durchmesser trifft laut Clemens Rumpf im Schnitt etwa alle 1500 Jahre auf die Erde, ein rund 400 Meter großer alle 100 000 Jahre. „Die Wahrscheinlichkeit eines Asteroideneinschlags ist wirklich gering. Aber die Konsequenzen können unvorstellbar sein“, erklärt der Forscher.

Der große Knall von Tscheljabinsk

Kleinere Körper verglühen häufig in der Atmosphäre – auf der Erdoberfläche bekommt man davon meist nichts mit. 2013 aber explodierte ein etwa 20 Meter großer Meteorit über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk und ließ die Auswirkungen solcher gefährlichen Stoßwellen erahnen: Rund 7000 Gebäude wurden beschädigt, etwa 1500 Menschen verletzt. Das Problem: Solche kleinen Körper sind zahlreich, oft nicht sichtbar und deshalb schwer zu beobachten. Genaue Vorhersagen, wann der nächste Körper Kurs auf die Erde nehme, seien unrealistisch. In den nächsten zehn Jahren könne ein solches Ereignis aber durchaus wieder passieren, sagt Kai Wünnemann vom Naturkundemuseum in Berlin.

„Global killer“

Bei großen Asteroiden, die auch mal zehn Kilometer Durchmesser erreichen und dann als „Global killer“ („globale Zerstörer“) bezeichnet werden, sei das zum Glück äußerst selten. Der Asteroid, der vor rund 65 Millionen Jahren den Dinosauriern den Garaus machte, war so einer. Alle 100 Millionen Jahre etwa tritt im Durchschnitt ein solch zerstörerisches Ereignis auf.

Sollte ein solcher Brocken in seiner Flugbahn wieder Kurs auf die Erde nehmen, gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: ablenken oder zerstören – etwa mit Hilfe von Sonnenspiegeln oder Wasserstoffbomben. Technisch oder finanziell umsetzbar sind die meisten Konzepte allerdings nicht. Realistischer ist der Einsatz von Einschlagprojektilen zur Bahnablenkung. Kinetischer Impaktor heißen solche Objekte, die einem Asteroiden auf dem Weg zur Erde aktiv in den Weg gesetzt werden sollen. Die gemeinsame „Aida“-Mission von ESA und NASA, die der Asteroidenabwehr gilt, soll hierüber Erkenntnisse bringen.