Die EnBW kommt beim Ausbau ihres Gasgeschäfts einen großen Schritt vorwärts. Die Karlsruher übernehmen gut 74 Prozent des Leipziger Gasunternehmens VNG. Gleichzeitig geben sie ihren Anteil an der bisherigen VNG-Mutter EWE ab. Der Anteil der Gassparte am Gewinn soll sich dadurch mehr als verdoppeln.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Die EnBW kommt bei Ausbau ihres Gasgeschäfts einen großen Schritt weiter. Wie der Energiekonzern am Freitag mitteilte, übernimmt er den 72,2-prozentigen Anteil des Odenburger Energieversorgers EWE am Leipziger Gasunternehmen VNG (Verbundnetz Gas AG). Im Gegenzug trennt sich die EnBW bis 2016 schrittweise von ihrer 26-prozentigen Beteiligung an EWE. Zehn Prozent der Anteile gehen an die EWE selbst, die restlichen 16 Prozent an den EWE-Verband, in dem die kommunalen Anteilseigner organisiert sind. Die EnBW zahlt im Zuge der Transaktion unterm Strich 125 Millionen Euro an EWE und den EWE-Verband. Das Geschäft soll innerhalb der nächsten sechs Monate abgeschlossen werden.

 

„Der Erwerb der VNG ist jetzt der nächste und mit Abstand größte Schritt, mit dem wir unser Gasgeschäft in den nächsten Jahren auf einen Schlag mehr als verdoppeln werden“, sagte EnBW-Chef Frank Mastiaux. So soll die Gassparte künftig einen operativen Gewinn zwischen 350 und 400 Millionen Euro erwirtschaften und so 15 bis 20 Prozent des Konzernergebnisses liefern. Zuletzt kam die Sparte laut Mastiaux auf einen Betriebsgewinn von 130 bis 150 Millionen Euro.

Mastiaux: Die Unternehmen ergänzen sich gut

Mit VNG werde die EnBW zum drittgrößten Akteur im deutschen Gasmarkt, sagte der EnBW-Chef. Beide Unternehmen ergänzten sich in idealer Weise, sowohl bei der regionalen Verteilung der Gasnetze als auch bei den Aktivitäten. So ist VNG – im Gegensatz zu den anderen EnBW-Gastöchtern GVS und Terranets BW, die sich auf Handel und Verteilung konzentrieren – auch auf den Feldern Exploration und Produktion tätig. Darunter versteht man die Suche nach neuen Lagerstätten und die eigentliche Gasförderung. Positiv ist aus Mastiaux’ Sicht auch der relativ hohe Anteil des erstragsstabilen Netzgeschäfts bei der VNG. Das Gastransportnetz der Leipziger erstreckt sich über rund 7200 Kilometer – gegenüber 1900 Kilometer bei der EnBW.

Mastiaux räumte zugleich ein, dass das Gasgeschäft in Europa in den nächsten Jahren eher stagnieren werde – unter anderem, weil sich viele Gaskraftwerke derzeit nicht rechneten. Trotzdem gehe es dabei allein in Deutschland um ein Geschäft mit einem Gewinnpotenzial von drei Milliarden Euro, von dem sich die EnBW künftig ein größeres Stück abschneiden wolle. Die Marke VNG bleibe durch den Einstieg der EnBW genauso erhalten wie der Standort Leipzig, versprach Mastiaux. „VNG gehört zu Leipzig wie das Gewandhaus“, sagte er. Auch der Kauf weiterer Anteile von der Stadt Leipzig oder anderen Kommunen sei nicht geplant.

Auch EWE-Chef Matthias Brückmann zeigte sich zufrieden mit dem Geschäft und sprach von einem „sehr auskömmlichen Verkaufserlös“, der auch zu einem Buchgewinn in dreistelliger Millionenhöhe führe. Die EnBW muss dagegen laut Mastiaux wohl noch mal hundert Millionen Euro auf den EWE-Anteil abschreiben, den sie im Zuge der Transaktion abgibt.

Aufatmen in Leipzig

Eine Stellungnahme der VNG zu dem Deal war zunächst nicht zu erhalten. Doch es gilt als sicher, dass die Stadt gut mit dem neuen Mehrheitsaktionär leben kann, der ja ebenfalls weitgehend der öffentlichen Hand gehört. „Das Aufatmen ist deutlich spürbar“, so ein Insider aus der Leipziger Energiebranche. Zugleich entbindet diese Entscheidung das Leipziger Rathaus von der drohenden Last, selbst als Mehrheitseigner aktiv zu werden. Diese Option ist seit einiger Zeit diskutiert worden. Doch um jene knapp 1,5 Milliarden Euro zu stemmen, die der 74-Prozent-Anteil der EWE an VNG zuletzt Wert war, hätte man den australischen Finanzinvestor Macquarie mit ins Boot holen müssen – und wäre dennoch auf lange Zeit verschuldet gewesen.

Mit dem nun beschlossenen Geschäft gewännen alle Beteiligten „strukturelle Klarheit“, so der EnBW-Chef. Die Karlsruher waren bereits früher an VNG interessiert und hatten sich daher 2009 für zwei Milliarden Euro bei der Mutter EWE eingekauft, ohne aber den erhofften Durchgriff auf VNG zu erhalten. Im Streit um eine Option der EnBW auf den VNG-Erwerb verlangte EWE 2013 sogar 500 Millionen Euro Schadenersatz. Das daraus resultierende Schiedsgerichtsverfahren wird nun einvernehmlich beendet.