Weihnachten jenseits der kirchlichen Feiern ist für die meisten Deutschen vor allem ein Familienfest mit Lichterglanz und Geschenken. In vielen Flüchtlingsheimen wird versucht, auch den Heimatlosen ein Gefühl von Zugehörigkeit zu geben.

Frankfurt - Der kleinen Dina Atari aus Afghanistan fallen bei Weihnachten ganz ähnliche Dinge ein wie deutschen Kindern ihres Alters. Einen Tannenbaum mit roten Kugeln, einen Schneemann, Mond und Sterne hat die Neunjährige in einer Frankfurter Notunterkunft für Flüchtlinge zu dem Thema gezeichnet. Eine Krippe fehlt auf ihrem Bild, dafür lässt ein Kind einen Drachen steigen.

 

Für Dina und ihre Freunde planen die Helfer in der Turnhalle der Frankfurter Goethe-Universität am 24. Dezember eine Bescherung. Schon seit Tagen steht dort ein Weihnachtsbaum. Klassischer Baumschmuck mit Kugeln, Kerzen und Lametta fehlt allerdings. Stattdessen sind Scherenschnitt-Sterne an den Zweigen befestigt. Unter der Tanne haben die Kinder aus Syrien, Afghanistan und dem Irak ihre Teddybären abgelegt.

Überall in Deutschland erleben in dieser Woche Flüchtlinge zum ersten Mal das Weihnachtsfest - sei es wie in Frankfurt in einer zweckentfremdeten Turnhalle, zu Gast bei einer deutschen Familie, oder auch zusammen mit Angehörigen, die schon länger im Land sind.

Auf religiöse Riten wird verzichtet

Krippe, Kreuz und Gottesdienst gibt es in den Notunterkünften meist nicht. „Flüchtlingen, die Advent und Weihnachten in einer Kirche feiern wollen, zeigen wir natürlich, wo es muttersprachliche Gottesdienste gibt“, sagt Christian Spoerhase von der Caritas in Frankfurt.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen, die gläubig sind, auch sehr für andere Religionen interessieren“, sagt Gülay Aybar-Emonds vom Inter-Kultur-Büro in Nürnberg. Sie hält es daher für eine gute Idee, muslimischen Zuwanderern die christliche Weihnachtskultur näherzubringen. „Sie bekommen die ganze Atmosphäre ja mit, da ist es sinnvoll, es ihnen zu erklären.“

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge waren rund 70 Prozent der Asylantragsteller in diesem Jahr Muslime und etwa 16 Prozent Christen.

Weihnachtsstimmung auch bei vielen Muslimen

Im Flüchtlingsheim im niederbayerischen Wegscheid merkt man nicht, dass bald Weihnachten ist. Die Muslime feiern das Fest nicht. Aber ein bisschen Weihnachtsstimmung kommt bei den Flüchtlingen doch auf: „In Syrien wird zwar auch Weihnachten gefeiert, aber hier in Deutschland sind so viele Lichter in den Straßen und man bekommt viel mehr davon mit“, erzählt Ayham, ein 19-jähriger Syrer.

Viele Flüchtlingsfamilien können die Weihnachtstage unbeschwert angehen, weil sie sich sicher fühlen, glaubt Ali in Bonn. „Es ist schön, dass die Kinder beschenkt werden, so wie es in den deutschen Familien auch gemacht wird.“ Das Fest am 24. werde wohl anders als in Syrien - „aber ich mag die Stimmung“, sagt der 21-Jährige höflich auf Englisch.

In Sachsen verteilt das Deutsche Rote Kreuz am Heiligabend und den Weihnachtstagen Geschenke an Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Dafür wurde schon vor Wochen die Aktion „Weihnachten aus der Tüte“ auf die Beine gestellt. Viele Bürger und Helfer haben Geschenke gebracht, die in mehr als 1500 Tüten landeten. Am 24. Dezember sollen in den Quartieren auch Weihnachtslieder gesungen werden, berichtet DRK-Sprecher Kai Kranich.

Viele Flüchtlinge mit Weihnachten vertraut

In den Unterkünften des Arbeiter-Samariter-Bundes in Bremen hat der Weihnachtsmann schon in der Adventszeit Geschenke verteilt. Mit dem christlichen Fest seien viele Flüchtlinge vertraut, sagt die ASB-Mitarbeiterin Mageda Abou-Khalil. Die Muslimin aus dem Libanon lebt seit 1978 in Deutschland. „Über die Feiertage gibt es keine Deutschkurse, fast alles ist geschlossen. Sie nutzen die Zeit für einen Familienbesuch.“ Abou-Khalil zufolge haben viele Heimbewohner Verwandte oder Bekannte in Deutschland. Sie selbst will Heiligabend mit ihrer Familie verbringen - mit Weihnachtsbaum und Geschenken.

Auch im kleinen niedersächsischen Dorf Sumte wird am 24.12. gefeiert. „Wir haben für die Kinder eine kleine Überraschung vorbereitet“, sagt Jens Meier vom ASB, der die Notunterkunft für rund 520 Flüchtlinge aus 25 Nationen in dem Ort mit nur 102 Einwohnern betreibt. „Es soll zu später Stunde fröhlich zugehen - auch mit Tanz, aber ohne Alkohol.“

Im baden-württembergischen Ellwangen lernt Alyousef Reffat aus Syrien gerade Weihnachtsbräuche rund um Christkind, Tannenbaum und Krippenspiele kennen. Der 26-jährige Muslim, seit zwei Monaten in Deutschland, will sich integrieren und Gutes tun. Er hat in Syrien Medizin studiert, nun hilft er einem Arzt täglich in der Erstaufnahmeeinrichtung, vermittelt, übersetzt. Alyousef will hier Chirurg werden und eine Frau finden. Nun freut er sich erstmal auf sein erstes Weihnachtsfest. Der Arzt aus dem Flüchtlingsheim hat ihn zu seiner Familie nach Hause eingeladen.