Als Sportvorstand stellt Fredi Bobic Eintracht Frankfurt ganz neu auf. Ein guter Saisonstart erleichtert ihm die Arbeit, die er etwas anders anpackt als einst beim VfB Stuttgart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Frankfurt - Es gibt kaum einen anderen Ort, der so verlassen wirkt wie ein leeres Fußballstadion. Der Blick auf den Rasen der Frankfurter Commerzbank-Arena, die einmal Waldstadion hieß, hat an diesem schneeverregneten Vormittag fast etwas Meditatives. Möglicherweise färbt diese Atmosphäre ab. „Leute, die mich schon lange kennen, meinen, dass ich zuletzt ruhiger geworden sei“, sagt Fredi Bobic.

 

Der 45-Jährige ist seit fünf Monaten Sportvorstand des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt und hat von seinem verglasten Arbeitsplatz in Stadionblock 35 das Spielfeld vor sich. Und den Garderobenständer hinter sich. Dort hängt noch das Club-Sakko von Heribert Bruchhagen, der das Vorstandsbüro für seinen Nachfolger Fredi Bobic geräumt hat. Außer dieser speziellen Form der Ehrerbietung erinnert hier nicht mehr viel an den ins deutlich ruhigere Fernsehexpertengeschäft gewechselten und von vielen in der Bundesliga geschätzten früheren Eintracht-Boss.

Fredi Bobic hat das übernommene Büro genauso generalüberholt (neue Möbel, neuer Boden, neuer Computer) wie den gesamten Club (neue Spieler, neue Scouts, neue Strukturen). Was zunächst etwas im Widerspruch zu der Beobachtung steht, Fredi Bobic sei in Frankfurt ruhiger geworden. „Möglicherweise nicht mehr so emotional wie in Stuttgart“, konkretisiert er selbst. Diese Veränderung hat vermutlich damit zu tun, dass seine Managerarbeit beim VfB mit zu vielen Gefühlen verbunden war. Bobic stand dem Verein als ehemaliger Starstürmer ganz nahe, ebenso eng war das Verhältnis zu Fans oder Mitarbeitern. „Ich hatte das Gefühl, dass die Leute in Stuttgart von mir als Sportvorstand erwartet haben, dass ich gefälligst auch die Tore schieße“, sagt er.

Vor zwei Jahren ging die emotional aufgeladene Beziehung zwischen dem damaligen Erstligisten und Fredi Bobic mit dessen Abberufung in die Brüche. Er hat sich damals vom Verein nicht korrekt behandelt gefühlt und seine Arbeit falsch bewertet gesehen. Diese Einschätzung ist nicht abwegig , wenn man den mittlerweile zweitklassigen VfB sieht – und die von Bobic runderneuerten Frankfurter in Liga eins auf Tabellenplatz sieben mit beeindruckenden 18 Punkten aus zehn Spielen.

Die Reaktion auf den Fast-Abstieg

Offenbar haben die Eintracht und Neuverpflichtung Bobic richtige Schlüsse aus dem Fast-Abstieg der vergangenen Saison gezogen und einen harten Schnitt gemacht. Bobic holte beispielsweise den ehemaligen VfB-Kollegen Ben Manga als Kaderplaner nach Frankfurt, der dafür kurzerhand seinen gerade erst unterschriebenen Vertrag beim Hamburger SV auflösen ließ. Hinzu kam dann auch noch Bobic’ persönlicher Medienberater Bernhard Schmittenbecher, der mittlerweile auch Termine für die Eintracht wahrnimmt.

Im Gegenzug mussten Mitarbeiter gehen. Bobic spricht von teilweise harten Entscheidungen. Die ließen sich leichter von einem treffen, der noch nicht tief verwurzelt im Club ist. Eine gewisse Distanz, die beim VfB von Anfang an gefehlt hat, machten die Kurskorrektur leichter. „Das Wichtigste aber ist die Geschlossenheit in der Führung“, sagt der ehemalige Nationalstürmer, „ganz besonders, wenn es einmal nicht läuft.“ Der Rückendeckung des Frankfurter Aufsichtsrats kann sich Bobic im Moment auch ganz sicher sein. Schließlich wurde er vom Kontrollgremium mit der Umstrukturierung beauftragt, nachdem die Eintracht in der Endphase von Heribert Bruchhagen bei vielen Beobachtern den Eindruck hinterlassen hatte, nur noch verwaltet zu werden.

Trotzdem wurde im Frankfurter Umfeld schon ein neues, düsteres Bild gezeichnet, als sich die Eintracht Ende August in der ersten Pokalrunde beim Drittligisten Magdeburg nur glücklich im Elfmeterschießen durchsetzte. Jene, die die Verpflichtung von Fredi Bobic kritisch gesehen haben, sahen sich schon bestätigt.

Der interessierte Blick nach Stuttgart

Wie soll das auch klappen mit einer ganz neu zusammengestellten Mannschaft, mit Spielern aus 17 Ländern und Neuzugängen, die Omar Mascarell, Taleb Tawatha, Jesus Vallejo oder Shani Tarashaj heißen und kaum einer kennt? Es klappt offenbar trotzdem und zeigt, dass Fredi Bobic im internationalen Fußball sehr gut vernetzt ist. Trotzdem wäre Bobic stark unter Druck geraten, wenn die Eintracht-Mannschaft nicht so schnell zusammengefunden hätte. „Ich war mir aber sicher, dass es passt“, sagt der selbstbewusste Sportvorstand, der sich mit dem sehr souverän wirkenden Trainer Nico Kovac bestens versteht. Beide wussten ja auch, was auf sie mit dem jeweils anderen zukommt, spielten sie doch gemeinsam für Hertha BSC und teilten sich damals die Hotelzimmer. Überraschender ist es, dass die Zusammenarbeit mit dem Manager Bruno Hübner auch zu funktionieren scheint. Das erwartete Kompetenzgerangel blieb bis jetzt jedenfalls aus. Stattdessen wird von beiden die gute Zusammenarbeit gelobt.

Und auch sonst hat sich Fredi Bobic in Frankfurt gut eingelebt. Er schwärmt von seinem Apartment in Sachsenhausen und davon, wie der Main das städtische Leben in Frankfurt positiv präge. „Im Unterschied zu Stuttgart und dem Neckar“, sagt der in Cannstatt aufgewachsene Sohn eines Slowenen und einer Kroatin. Der wollte doch eigentlich den Vergleich zu Stuttgart umgehen. Ganz schön schwierig für einen, der noch ziemlich genau beobachtet, was beim VfB passiert. Zur aktuellen Entwicklung sagt er nur: „Ich freue mich, dass Hermann Ohlicher in den Aufsichtsrat gewählt wurde. Er ist ein Ehrenmann.“ Ein Überangebot in dieser Kategorie würde es beim VfB ja nicht geben. Den Aufstieg wünscht er seinem Exverein trotzdem. Vorbei schaut dort aber nicht, wenn er seine älter Tochter besucht, die in Stuttgart wohnt und gerade ihre Freiwiliges Soziales Jahr beendet hat. Seine Frau und die jüngere Tochter leben nach der gemeinsame Zeit in Stuttgart mittlerweile wieder in Berlin. Und Fredi Bobic will in Frankfurt bauen – eine neue Eintracht-Geschäftsstelle. „Ein Club muss sich intern ständig erneuern und nicht nur die Tradition verkaufen“, sagt er.