Ein gegen die schwarze Volleyballspielerin und Olympiasiegerin Paola Egonu gerichteter rassistischer Zerstörungsakt hat eine Debatte um Einbürgerungen ausgelöst
Paola Egonu (25), eine der besten Volleyballspielerinnen der Welt und seit dem 11. August Olympiasiegerin, ist Rassismus gewohnt, seit ihrer Kindheit. Sie wurde in Italien geboren, als Tochter von nigerianischen Einwanderern. Sie besitzt die italienische Staatsbürgerschaft. Landsleute wie der ehemalige Fallschirmjäger-General und neue Europaabgeordnete der Lega, Roberto Vannacci, betrachten Egonu dennoch nicht als Italienerin. In seinem Buch „Il mondo al contrario“ („Verkehrte Welt“), schreibt er, sie möge zwar den italienischen Pass besitzen. „Aber ihre körperlichen Merkmale repräsentieren nicht die ‚italianità.‘“ Das Buch hat viele Fans, es ist ein Bestseller in Italien.
Debatte ist entfacht
Ein Gleichgesinnter verschandelte Mitte August eine von der Römer Street-Art-Künstlerin Laika gestaltete Wandzeichnung, die Egonu und ihrem Olympiasieg gewidmet war. Das Werk überlebte keine 24 Stunden. Bei den meisten Italienern löste das Abscheu und Empörung aus. So etwa bei Roms Bürgermeister Roberto Gualtieri vom sozialdemokratischen Partito Democratico, der größten Oppositionspartei. Er bezeichnete die Übermalung des Egonu-Graffitis als „üble Beleidigung für eine große Italienerin, die die Farben unseres Landes an die Weltspitze gebracht hat“.
In der Regel legt sich in Italien die Empörung nach rassistischen Vorfällen rasch. Nicht so in diesem Fall. Die Debatte ist inzwischen in einen Streit um Einbürgerungen umgeschlagen. Die Regierungspartei Forza Italia hat dabei ein altes politisches Anliegen aufs Tapet gebracht: das sogenannte „Jus Scholae“ bei den Einbürgerungen.
Es besagt, dass ausländische Kinder, die in Italien geboren wurden oder vor dem Erreichen des 14. Lebensjahr nach Italien gekommen sind, ein Recht auf Einbürgerung erhalten, wenn sie in Italien mindestens fünf Jahre zur Schule gegangen sind. Paola Enogu erhielt im Alter von 16 Jahren den italienischen Pass, nachdem ihren Eltern die Staatsbürgerschaft zuerkannt worden war. Normalerweise kann in Italien die Staatsbürgerschaft erst mit 18 Jahren, also mit dem Erreichen der Volljährigkeit, beantragt werden. Im Belpaese gilt, wie in den meisten europäischen Ländern, das „Jus sanguinis“, das Gesetz des Blutes: Wer italienische Eltern hat, ist Italiener. In den USA dagegen gilt das „Jus solis“, das Gesetz des Bodens: Wer auf amerikanischem Boden geboren ist, ist Amerikaner. Das „Jus Scholae“ ist ein Kompromiss, da dieses durch den Schulbesuch bereits fortgeschrittene Integration voraussetzt.
Doch sind die beiden anderen Regierungsparteien, die rechtsnationalen Fratelli d’Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni und die rechtspopulistische Lega von Verkehrsminister Matteo Salvini, strikt gegen eine Änderung des aktuellen Einbürgerungsrechts, zumal Italien auch unter der Rechtsregierung Meloni deutlich mehr Ausländer einbürgert als die meisten anderen europäischen Länder. Weil es sich bei Einwanderung und Einbürgerung um ideologisch aufgeladene Themen handelt, hat das Ausscheren der Forza Italia in der Regierungskoalition für massive Spannungen gesorgt. Parteichef und Außenminister Antonio Tajani blieb bisher aber bei seiner Öffnung gegenüber jungen Einwanderern: „Das ,Jus scholae’ ist richtig und wichtig.“
Rassismus als Alltagserfahrung
Dass der Vandalenakt gegen das Egonu-Graffiti derart hohe Wellen schlug, hat auch damit zu tun, dass Rassismus im italienischen Sport und vor allem auch im Nationalsport Fußball weit verbreitet ist. Immer wieder ahmen rechtsextreme „Fans“ Affengeräusche nach, wenn schwarze Spieler den Ball berühren, gelegentlich werden Bananen auf das Spielfeld geworfen. Sensible Spitzenspieler wie Mario Balotelli konnten nicht zuletzt deswegen ihr wahres spielerisches Potential nur zeitweise abrufen. Die Spitzen-Volleyballerin Paola Egonu ist eine der wenigen italienischen Sportlerinnen mit Migrationshintergrund, die sich trauen, sich gegen den Rassismus in den Stadien zur Wehr zu setzen und Klartext zu reden. So antwortete sie in einer TV-Talkshow unlängst auf die Frage, ob Italien ein rassistisches Land sei, kurz und knapp mit ‚Ja’.