Um illegale Einwanderer abzuschrecken, plant Ungarn den Bau einer vier Meter hohen Mauer an der Grenze zu Serbien. Die südlichen Nachbarstaaten sind empört – und befürchten, dass der Flüchtlingsstrom sich neue Wege sucht.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Stuttgart - Ungarns Ankündigung, zur Abwehr illegaler Einwanderer einen Zaun an der EU-Außengrenze zu Serbien zu errichten, verstimmt die südlichen Nachbarstaaten des Landes. Vor allem in Serbien wurde Unmut laut: Er sei „überrascht und geschockt“, erklärte Premier Aleksander Vucic.

 

Die ungarische Regierung hatte diese Woche bekanntgegeben, zur Abwehr von Immigranten einen vier Meter hohen Zaun an der 175 Kilometer langen EU-Außengrenze zu Serbien zu bauen. „Sollen wir nun etwa auch Zäune an unseren Grenzen zu Bulgarien und Mazedonien errichten? Wir werden uns nicht abschließen und wie in Auschwitz leben“, sagte Vucic.

„Fremdenfeindliche Ideologie“

Noch deutlichere Worte findet Serbiens Presse. „Serbien ist kein Lager“, titelte am Freitag die Zeitung „Blic“, die von einer „groben Beleidigung“ durch die Nachbarn spricht. Budapest kokettiere mit seiner fremdenfeindlichen Plakataktion mit einer Ideologie, „von der wir gehofft hatten, dass sie im heutigen Europa längst Vergangenheit ist“, klagt das Blatt. „Bei uns weiß man ganz genau, wann und wo man sich mit Stacheldraht abgrenzte. Und das wissen auch die Ungarn.“

Serbien gilt als wichtigstes Transitland der sogenannten Balkanroute in Richtung der ungarischen Schengen-Grenze und Westeuropa. Viele der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan reisen über die EU-Staaten Bulgarien und Griechenland nach Serbien ein. „Wir versorgen die Leute natürlich. Aber Serbien trägt an deren Einreise keine Schuld“, ärgert sich Premier Vucic. Betrug die Zahl der in Serbien gestellten Asylanträge im Jahr 2014 noch rund 12 000, so hat sie sich in den ersten fünf Monaten des Jahres mit 22 000 fast verdoppelt. Die Dunkelziffer derjenigen, die ohne einen Asylantrag das Land durchziehen, wird auf ein Mehrfaches geschätzt. Die meisten müssen während ihres Verbleibs in Serbien wegen fehlender Auffanglager unter freiem Himmel campieren.

Schwarzes Meer als neue Route

Hilfsorganisationen fürchten, dass mit dem neuen Grenzzaun und verstärkten Abschiebungen aus Ungarn im Winter eine menschliche Katastrophe drohen könnte, da viele der Immigranten im Norden des Landes stranden könnten.

Sorgen werden auch bei Serbiens EU-Nachbarn laut, denn ein neuer Zaun an der Grenze zu Serbien dürfte den Flüchtlingsstrom lediglich umlenken: In Kroatien und Rumänien, also an der Südwest- und Ostgrenze Ungarns, dürfte der Zaun zu einem verstärkten Andrang führen.

Denkbar scheint, dass die bisher kaum genutzte Schwarzmeer-Route von der Türkei direkt zum Schengen- und Ungarn-Anrainer Rumänien künftig verstärkt frequentiert werden könnte. Doch vor allem Kroatiens EU-Außengrenze zu Bosnien und Herzegowina ist kaum lückenlos zu kontrollieren. „Will Ungarn auch eine Mauer an der Grenze zu Kroatien errichten?“, fragt sich bereits besorgt die kroatische „Jutarnji List“.