Im voll besetzten Kursaal stellte sich die Rathausspitze den Fragen der Bürger: Zur Einwohnerversammlung hatte die Stadtverwaltung in Bad Cannstatt eingeladen. Vor allem Rad- und Autoverkehr sowie Wohnungsbau beschäftigte die zahlreich erschienen Cannstatter.

Bad Cannstatt - Knapp acht Jahre sind seit der letzten Einwohnerversammlung in Bad Cannstatt im November 2008 vergangen. Damals wie heute ging es um Verkehr und Wohnen, damals wie heute bewegte die Einwohner der Wilhelmsplatz und die Veränderungen im Neckarpark.

 

Zur Begrüßung gab Oberbürgermeister Fritz Kuhn einen Ausblick auf Vergangenes und Kommendes. Seit 2010 habe der Stadtbezirk 5000 Einwohner hinzugewonnen; der Altersdurchschnitt betrage 40,7 Jahre. „Das ist etwas jünger als in der Gesamtstadt. Es wollen viele Leute hier leben, das Wachstum ist gesichert“, sagte Kuhn. Die derzeit laufende Zukunftswerkstatt werde im Rathaus stark beachtet, so der Oberbürgermeister weiter.

Als positive Entwicklung sehe er unter anderem die Soziale Stadt Hallschlag, die verbesserte Verkehrsverbindung durch die ausgebaute Stadtbahnlinie U12, den renovierten Kursaal und das Projekt „Stadt am Fluss“. Er lobte die „große Anstrengung der Zivilgesellschaft“ beim Thema Flüchtlinge; diese habe sich als „stabil und belastbar“ erwiesen.

Sorge mache ihm die Einkaufs-Infrastruktur, die derzeit noch gut sei, aber an der einen oder anderen Stelle krisele. „Ich halte das Milaneo für die Gesamtentwicklung der Stadt nicht günstig. Im Carré kann man die Auswirkung auch sehen“, so Kuhn, was die Zuhörer mit Applaus kommentierten. Beim Thema Verkehr bedeute der Ausbau der Stadtbahn, etwa die U12 von Dürrlewang nach Remseck oder die U19 von Neugereut zum Neckarpark, eine signifikante Verbesserung für Bad Cannstatt. „Durch verbesserten ÖPNV wird es weniger Autofahrer geben, darum kümmern wir uns.“

Der Radstreifen auf der Waiblinger Straße erregt die Gemüter

In der anschließenden Diskussionsrunde meldeten sich viele Cannstatter zu Wort. Besonderes Augenmerk lag etwa auf dem Thema Rad- und Autoverkehr, der Radstreifen auf der Waiblinger Straße erregte wie schon zu seiner Einführung die Gemüter. Eine Frau kritisierte, dass dieser „unangenehm zu befahren“ sei wegen der Belastung durch Autoabgase. Ein Mann äußerte völliges Unverständnis, dass die sowieso schon staureiche Strecke auf eine Fahrspur reduziert worden sei. Die Autofahrer suchten sich Schleichwege, der Radstreifen müsste wieder entfernt werden, forderte ein anderer. Der Baubürgermeister Peter Pätzold verteidigte ihn. „In der dicht bebauten Stadt ist die Fläche eben knapp. Dieser Radstreifen dient zur Stärkung des Radverkehrs.“ Kuhn fügte hinzu, dass ihn täglich viele Beschwerden unterschiedlichster Ausprägung erreichten. „Ein neues Arrangement zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern ist nötig und mehr Rücksichtnahme“, forderte er.

OB Fritz Kuhn (links) und seine Beigeordneten Foto: Rebecca Stahlberg

Mehr Tempo 30 und Blitzer forderte ein Mann aus Steinhaldenfeld, der wegen Lärmbelästigung klagte. Zudem kritisierte er den Wilhelmsplatz als „eine einzige Schande“ – wofür er viel Applaus bekam – und forderte, diesen zu untertunneln. Weitere Wortmeldungen hatten den nicht durchgehenden Radweg dort thematisiert. Der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer wies darauf hin, dass von den 1500 Kilometern Straße im Stadtgebiet bereits auf 1000 Kilometern Tempo 30 gelte. „Die restlichen 500 Kilometer dienen dazu, den gewaltigen Verkehr in dieser engen Stadt aufrecht zu erhalten.“ Man kümmere sich um fast alle Straßen, aber man könne nicht überall Blitzer aufstellen, so bat er um Verständnis. Kuhn fügte hinzu, dass man dabei sei, die Verkehrskonzeption in der Region Stuttgart neu zu organisieren, sodass weniger Autos über Bad Cannstatt in die Stadt hineinkämen.

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Beim Thema Wohnungsbau meldete sich Ursel Beck von der Mieterinitiative zu Wort und kritisierte Leerstände – etwa das ehemalige Offizierscasino an der Rommelstraße – und zu hohe Mieten bei der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). Finanzbürgermeister Michael Föll widersprach. Das erwirtschaftete Geld der SWSG fließe in Modernisierungen; im Hallschlag verfolge man keine Wohnungspolitik für Besserverdienende. Man habe sich des Themas Leerstand angenommen, so Föll weiter. Das Gebäude an der Rommelstraße gehöre dem Bund; derzeit werde nach einem Käufer gesucht. Kuhn sagte, dass man nun wieder in den sozialen Wohnungsbau einsteige. „Das Zweckentfremdungsverbot wird Erfolg bringen und wir werden systematisch bezahlbaren Wohnraum schaffen“, versprach er. Ein Mann forderte die Ausweisung neuer Baugebiete für Einfamilienhäuser in Bad Cannstatt. „Diese Flächen haben wir nicht“, sagte Kuhn. Das Baugebot in Stuttgart heiße Nachverdichten; man werde nicht „im großen Stil auf den Acker gehen“, denn die wertvollen Flächen machten die Lebensqualität in Stuttgart ja erst aus.

Einige Anwohner aus dem Veielbrunnen meldeten sich wegen des geplanten Wohnungsbaus im Neckarpark zu Wort. Man mache sich Sorgen, dass durch zu großen sozialen Wohnungsbau ein neuer Brennpunkt geschaffen werde. Dem widersprach Föll. Er erläuterte, dass die 60 Prozent sozialer Wohnungsbau nicht tatsächlich zu sehen seien. „Es bleibt bei 30 Prozent, die anderen 30 Prozent werden frei vermietet“, erläuterte er. Dies nennt man mittelbare Belegung, es bedeutet, dass an einer Stelle neu gebaut, aber an Ersatzstandorten sozial belegt wird. „Es wird ein ausgewogenes Verhältnis sein“, versprach Pätzold.