Der Demografiebericht des Landkreises prognostiziert Rutesheim bis 2035 höchsten Einwohnerzuwachs.

Rutesheim - Spieglein, Spieglein an der Wand, welche Stadt wächst am stärksten im Land(kreis)?“ Die Antwort ist: „Laut Struktur- und Demografiebericht des Landkreises Böblingen, muss man dieses Loblied wohl auf Rutesheim singen.“

 

Prognosen haben es in sich. Das wusste schon der amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910), als er sagte: „Prognosen sind eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Das sieht man auch in der Rutesheimer Stadtverwaltung so und hat den jüngst im Kreistag vorgelegten Bericht den Stadträten vorgestellt. „Weil der so viel Interessantes über Rutesheim enthält, möchten wir ihn dem Gemeinderat nicht vorenthalten“, sagte Bürgermeister Dieter Hofmann.

Die große Überraschung ist, dass für die Stadt Rutesheim das Statistische Landesamt Baden-Württemberg und der Landkreis im Jahr 2035 mit 12 351 Einwohnern rechnen. Das sind gegenüber 2015 ein Plus von 16,3 Prozent. Das ist mit großem Abstand der absolute Spitzenwert unter den 26 Städten und Gemeinden des Landkreises Böblingen.

Der Bürgermeister fragt sich, wo die zusätzlichen Einwohner herkommen sollen

Da sind noch nicht einmal die 500 Einwohner hinzugerechnet, die der Stadt beim jüngsten Zensus abhanden gekommen sind. Dazu wird noch in diesem Jahr ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erwartet. Weil Berlin als einer der Kläger direkt bei den obersten Verfassungsrichtern vorstellig werden kann, lassen alle andern die Verfahren ruhen.

„Wahrscheinlich werden die Richter die Zahlen so stehen lassen und den Ablauf rügen“, meint Hofmann. Kippen sie den Zensus als verfassungswidrig, muss der gesamte Finanzausgleich rückwirkend neu berechnet werden – bundesweit. „Kommunen, für die weniger Einwohner ermittelt wurden, müssten rückwirkend mehr Geld bekommen, die anderen bereits erhaltene Mittel wieder zurückzahlen – das wäre ein Chaos“, meint Hofmann. „Aber wie heißt es im Sprichwort: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, gibt der Rutesheimer Bürgermeister zu bedenken.

„Im Kreistag sind wir fast vom Hocker gefallen, als diese Zahlen genannt wurden“, sagt Hofmann. Noch vor wenigen Jahren hätten die Statistiker das Gegenteil behauptet und von einem „mittelfristig wirksamen Bevölkerungsrückgang“ gesprochen. „Woher sollen diese zusätzlichen Einwohner kommen, die großen neuen Baugebiete sind voll, weitere nicht in Sicht“, fragt sich Hofmann.

Die Statistiker führen ihre Prognosen auf die zunehmende Lebenserwartung, starke Zuwanderung und eine höhere Geburtenrate zurück. Ein moderates Wachstum für Rutesheim sei in Ordnung, sagt Hofmann. Eine wachsende Bevölkerung erfordere große Anstrengungen beim Wohnungsbau. Andererseits müsse die kommunale Infrastruktur beim Bevölkerungswachstum mithalten. Das koste viel Geld.

Hofmann: Ein moderates Wachstum ist in Ordnung

„Noch zu gut haben wir die Kämpfe mit dem Regionalverband Stuttgart in Erinnerung, als es bei der Fortschreibung unseres Flächennutzungsplans 2025 um neue Gebiete für Wohnen und Gewerbe ging“, sagt Hofmann. Dabei sei die prognostizierte Einwohnerzahl eines der wichtigsten Kriterien und die sei seinerzeit negativ gewesen. „Zum Glück hatten wir unseren Flächennutzungsplan durch den Gemeinderat vor dem Regionalplan beschlossen, sonst hätten wir nichts genehmigt gekriegt, denn da wurden strenge Vorgaben angedroht“, sagt der Bürgermeister im Rückblick. „Wir sehen die jetzige Prognose mit einem Schmunzeln und hoffen, dass ein Mittelding zutrifft“, meint Hofmann.

Auch angesichts der neuen Zahlen in dem Struktur- und Demografiebericht bleibt der Gemeinderat bei seinem Beschluss vom Oktober 2013. Der lautet: Eine Erweiterung des zweiten Pflegeheimes am Marktplatz oder der Neubau eines dritten Pflegeheimes wird angesichts des Projektes „Betreutes Wohnen und selbstständige Tagespflege in der Stadtmitte“ nicht weiter verfolgt.

Die Stadt verfügt über zwei Pflegeheime mit 62 Pflegeplätzen sowie drei Kurzzeit- und drei Tagespflegeplätzen, die vom DRK-Kreisverband betrieben werden. Vom 1. Juli an wird die örtliche Sozialstation im Betreuten Wohnen beim Rathaus die „Selbstständige Tagespflege“ als neue kommunale Einrichtung führen.

Nicht alle werden wachsen

Wachstum
Bis zum Jahr 2035 gehen die Statistiker im Landkreis von einem Bevölkerungswachstum von 5,6 Prozent im Vergleich zu 2015 aus. Beim Land Baden-Württemberg wird mit einem Plus von 3,8 Prozent gerechnet.

Altkreis Im Altkreis wird Wachstum auch in Leonberg prognostiziert ( 5,9 Prozent auf fast 50 000 Einwohner) und in Weissach (1,5 Prozent von 7490 auf 7606 Einwohner). Ein Rückgang haben die Statistiker für Weil der Stadt (0,2 Prozent auf 18 692) und Renningen (1,1 Prozent auf 16 912 Einwohner) errechnet. In Rutesheim wird die Bevölkerung 2035 auch um einiges jünger als im Umland sein. Während die Leonberger im Schnitt 45,3 Jahren alt sein werden, sind die Rutesheimer 44,7 Jahre alt. Das kann nur noch Ehningen, dem ein Bevölkerungszuwachs von 12,4 Prozent prognostiziert wird, mit 44,5 Jahren toppen.