Der Einzelhandel profitiert nicht von der Konsumlaune der Deutschen. Der Handelsverband Baden-Württemberg hat Ideen, wie die Fußgängerzonen am Leben gehalten werden: Parken soll billiger werden und die Kommunen sollen die Weihnachtsbeleuchtung mitfinanzieren.

Stuttgart - Trotz guter Geschäfte im Winter und Frühjahr blicken die Einzelhändler im Land wenig optimistisch in die Zukunft. Das belegen die Ergebnisse der jährlichen Umfrage des Handelsverbandes Baden-Württemberg (EHV) unter 300 Unternehmen. Obwohl 42 Prozent der Befragten angeben, ihre Umsätze im ersten Halbjahr gesteigert zu haben, rechnet nur jeder Dritte mit positiven Verkaufszahlen in der zweiten Jahreshälfte. Die übrigen Unternehmer erwarten allenfalls auf Vorjahresniveau stagnierende Umsätze oder sogar Einbußen.

 

Die Mehrheit der befragten Händler ächzt unter gestiegenen Energiekosten, und fast jeder zweite klagt darüber, nicht genügend passende Bewerber für angebotene Ausbildungsstellen gefunden zu haben.

Händler profitieren wenig von der guten Konsumlaune

Nun gehört das Klagen in Handelskreisen zum Standardrepertoire. Man müsse es differenziert betrachten, sagt EHV-Präsident Horst Lenk: „Die deutschen Konsumenten sind zwar in guter Stimmung.“ Die hohe Erwerbstätigkeit, steigende Einkommen und sinkende Sparquoten kurbelten die Kauflaune an. Allerdings, so Lenk, profitiere der Handel kaum davon. Der Anteil des Einzelhandels an den privaten Konsumausgaben betrage gerade noch 28 Prozent; 2000 waren es 35 Prozent und 1990 sogar 42 Prozent. „Die gute Verbraucherstimmung kommt beim Handel nicht an“, sagt Lenk. In der EHV-Umfrage bezeichneten 60 Prozent die Konsumstimmung als „mittelmäßig“.

Doch welche Gründe hat diese Skepsis? Der 74-jährige Verbandspräsident, selbst Inhaber des Modehauses Lenk in Pforzheim, hat mehrere Gründe ausgemacht. Zum einen die sinkende Kundenfrequenz als Resultat von Online-Boom und zusätzlichen Verkaufsflächen außerhalb der Fußgängerzonen. Als Beispiel nennt er das neue Einkaufszentrum Milaneo in Stuttgart. Für Baden-Württemberg rechnet sein Verband in den nächsten Jahren mit einem Zuwachs von einer Million Quadratmetern an Verkaufsraum; allein in der Landeshauptstadt seien es rund 200 000 Quadratmeter. „Immer weniger Konsumenten haben immer mehr Einkaufsmöglichkeiten, aber nicht mehr Geld im Portemonnaie“, so Lenk.

Retouren sollten ohne Wenn und Aber akzeptiert werden

Der Strukturwandel im Handel werde „ohne Zweifel weitere Verlierer haben“, ist der Verbandspräsident überzeugt. Um auf der Siegerseite zu stehen, müssten Händler immer mehr Einkaufserlebnisse schaffen, den Kunden verschiedene Vertriebswege anbieten und Retouren „ohne Wenn und Aber akzeptieren“. Damit das Shopping in den Fußgängerzonen eine Zukunft hat, ist Lenk zufolge aber nicht nur der Mut und die Innovationsfähigkeit der Einzelhändler gefragt. Auch die Städte müssten ihren Beitrag leisten, um den Rückzug der Innenstadthändler aus den Fußgängerzonen gerade in kleinen und mittleren Städten zu stoppen.

Lenk wurde am Dienstag in Stuttgart noch konkreter: „Es darf in den Rathäusern nicht immer nur um neue Flächen gehen, auch die vorhandenen müssen gepflegt werden.“ Der Handel sei lange genug „alleiniger Finanzierer für die Innenstädte“ gewesen, kritisiert der Verbandschef. Es sei nicht mehr tragbar, dass nur die Händler für Dinge wie Sauberkeit und das Anbringen einer Weihnachtsbeleuchtung in den Einkaufsstraßen verantwortlich sind. Viele Städte würden es sich bisher „zu bequem“ machen. Ein weiteres Beispiel seien zu hohe Parkgebühren in den Citys, von denen erste Gemeinden bereits abgerückt sind. „Das ist der richtige Weg, um die Innenstädte am Leben zu halten“, sagte Lenk.