Laut einer aktuellen Studie der Verbraucherzentralen versuchen viele Händler ihre Kunden im Fall von Reklamationen abzuwimmeln.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - In mehr als der Hälfte der Fälle werden Gewährleistungsansprüche der Kunden vom Handel nicht anerkannt. Das zeigt eine Studie des Dachverbands der Verbraucherzentralen (Vzbv). Viele Auskünfte der Händler bei einer Reklamation sind demnach falsch, irreführend oder diffus. Vzbv-Chef Gerd Billen fordert eine bessere Schulung der Verkäufer. Im Rahmen der Untersuchung wurden bundesweit 550 Filialen von Aldi, Lidl, OBI, Media Markt und Real unter die Lupe genommen. Dabei prüften die Tester, ob in den Läden angeblich vier Monate zuvor erworbene und nun defekte Produkte aus dem Sortiment gemäß Gewährleistungsrecht zurückgegeben werden können.

 

In vielen Fällen liefen die Reklamationsversuche der Käufer ins Leere. 56 Prozent aller Verkäufer erfüllten im Test ihre Gewährleistungspflichten nicht. Bei Aldi Nord wurden die Kunden besonders häufig abgewimmelt. Nur in neun Prozent der geprüften Geschäfte wurde laut Vzbv der gesetzliche Anspruch anerkannt und den Testkunden eine korrekte Gewährleistung angeboten. Lidl kam den Käufern nur in 29 Prozent der Fälle entgegen und landet damit auf dem zweitletzten Platz. Media Markt erkannte zumindest bei 47 Prozent der Kunden den Anspruch an, etwas besser schneidet Aldi Süd mit 49 Prozent ab. Am ehesten kamen Käufer noch bei Obi (55 Prozent) und Real (58 Prozent) zu ihrem Recht.

„Der Praxistest zeigt, dass es im Handel ein enormes Informationsdefizit gibt“, kritisiert Vzbv-Chef Billen. Obwohl bei Produktmängeln der Verkäufer einer Ware in der Pflicht steht und damit der richtige Ansprechpartner ist, verweisen viele Händler ihre Kunden an die Hersteller. Bei Real bekamen die Tester in fast allen Ablehnungsfällen die falsche Auskunft, dass der Produzent der Ware für die Reklamation zuständig sei. Media Markt versuchte es in 87 Prozent der Fälle mit dieser Ausrede, die Baumarktkette Obi in 85 Prozent.

Bei Aldi und Lidl erhalten Kunden zudem häufig den Hinweis, die Reklamationsfrist sei abgelaufen. Eine solche Frist gebe es aber im deutschen Gewährleistungsrecht gar nicht, kritisieren die Verbraucherschützer. Als Anreiz, dass die Käufer sich an die Hersteller der defekten Ware wenden, verweisen besonders Media Markt, Obi und Real in fast allen abgelehnten Fällen darauf, dass die Reklamation dann schneller gehe und der Produzent die Versandkosten übernehme. Verbraucherschützer warnen jedoch, dass den Kunden der Verzicht auf die gesetzlichen Ansprüche an den Händler unter Umständen teuer zu stehen kommen kann. Denn nicht selten bietet der Hersteller eine freiwillige Garantieleistung an, die sich auf den ersten Blick kaum von der gesetzlichen Gewährleistung unterscheidet.

Tatsächlich aber stellt sich der reklamierende Kunde damit oft schlechter. So muss der Verkäufer bei einer berechtigten Reklamation im Rahmen der Gewährleistung auch Nebenkosten wie Versand und Montage tragen. Eine defekte Spülmaschine muss also ausgetauscht, geliefert, aufgestellt oder eingebaut werden. Nimmt der Kunde die freiwillige Herstellergarantie in Anspruch, können Versand- und Montagekosten ausgeklammert sein. Im Gewährleistungsrecht ist zudem festgelegt, dass die Reparaturzeit nicht zur Gewährleistungsfrist zählt. Wenn ein Gerät also nach vier Monaten defekt und einen Monat in Reparatur ist, bleiben noch 20 Monate Gewährleistungsanspruch. Bekommt man im Austausch ein neues Gerät, läuft die Frist sogar erneut zwei volle Jahre. Bei freiwilligen Herstellergarantien kann das für die Kunden deutlich nachteiliger geregelt sein. Der Praxistest zeigt laut Vzbv auch, dass Verkäufer selten alle Pflichten wie die Übernahme von Folgekosten erfüllen, selbst wenn ein Gewährleistungsanspruch anerkannt wurde.