Nadine Artner-Schäfer und ihr Mann Jens haben ein neues Konzept für ihren Getränkehandel: Sie schließen den Abholmarkt und liefern die Getränke direkt zum Kunden.
Alles ist im Wandel, auch der Getränkehandel. Früher war er von kleinen lokalen Händlern geprägt, die ein begrenztes Sortiment an regionalen Bieren, Mineralwasser und Limonaden anboten und oft enge Beziehungen zu Brauereien pflegten. Heute gibt es in Supermärkten, Discountern oder Getränkemärkten ein schier unendiches Sortiment. Viele kleine, unabhängige Händler wurden in diesem zunehmenden Wettbewerb von großen Unternehmen geschluckt. Das Online-Geschäft hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Von dem allem lässt sich in Leonberg ein Familienunternehmen kaum beirren. Nadine Artner-Schäfer und Jens Schäfer gehen mit Getränke Artner ihren eigenen Weg, um konkurrenzfähig zu bleiben. Und bislang klappt das tatsächlich auch ohne große Online-Präsenz.
Der Abholmarkt ist geschlossen
Die 40-Jährige und ihr ein Jahr älterer Mann führen den Familienbetrieb Getränke Artner in der Brennerstraße bereits in der dritten Generation. Erst kürzlich wagten sie einen neuen, vielleicht auch mutigen Schritt: Sie haben ihren Abholmarkt geschlossen und beendeten damit eine 69-jährige Geschichte. Ab sofort liefern sie die Getränke – es sind mittlerweile etwa 1500 Artikel im Sortiment – ausschließlich direkt zu den Kunden in der ganzen Region aus. Neben Privatkunden sind das auch Gastronomiebetriebe, Büros, Kantinen oder Hotels.
„Wir haben hier in der Brennerstraße sehr beengte Verhältnisse, daher wollen wir uns nur noch auf die Auslieferung konzentrieren“, sagt Nadine Artner-Schäfer. Wie die Kundschaft darauf reagierte? „Unterschiedlich, ganz viele lassen sich jetzt die Getränke liefern, manche habe es nicht verstanden, weil sie schon immer in der Brennerstraße ihre Getränke holten“, sagt Jens Schäfer, der positiv in die Zukunft blickt, weil immer wieder andere Geschäftsfelder hinzukommen. „Seit dem vergangenen Jahr verleihen wir beispielsweise Equipment für Feste, da ist von Bierbänken bis hin zu Kühlschränken alles dabei.“ Auch bei allen möglichen Festen in der Region sind die Artners gefragt. Spielt für sie die Konkurrenz der Supermärkte oder Discounter eine Rolle? „Weniger, denn der Markt ist so groß“, meint Jens Schäfer.
Die Anfänge des Familienunternehmens gehen in das Jahr 1950 zurück. Nadine Artner-Schäfers Opa Georg Artner hatte in der Renninger Straße zunächst Fassbier in Flaschen abgefüllt, um diese dann auf abenteuerliche Weise mit dem Motorrad an seine ersten Kunden auszuliefern. Seine Ehefrau Erna hat immer im Büro mitgearbeitet. 1957 baute er in der Brennerstraße 46 den neuen Firmensitz – darüber die eigene Wohnung. Das war der Start des Abholmarktes und eines damals innovativen Geschäftsmodells. Konkurrenz musste er nicht befürchten, denn Supermärkte im großen Stil gab es in Deutschland noch nicht. Der erste mit einer Verkaufsfläche von 1700 Quadratmeter wurde 1957 nach amerikanischem Vorbild in Köln eröffnet. Danach verbreiteten sie sich stetig, 1970 zogen sie erstmals auf die grüne Wiese.
Die Händler schließen sich zusammen
Bei Artners stand 1977 der erste Generationswechsel an. Georgs Sohn Manfred hatte den Beruf des Kaufmanns gelernt, weil von vornherein klar war, dass er den elterlichen Betrieb einmal übernehmen wird. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den regionalen Getränkefachhandel zu stärken, schlossen sich viele eigenständige Unternehmen in Süddeutschland zur Getränke-Fachgroßhandels-Kooperation (Gefako) zusammen, wurden ab sofort durch gemeinsame Einkaufskonditionen, Marketingmaßnahmen, Vertriebsstrategien oder Schulungen unterstützt.
Manfred Artners Leidenschaft war der Abholmarkt und der Kontakt zu den Kunden. Tochter Nadine half fleißig mit. „Ich war bei Festen dabei und bei der Inventur bin ich mit meinem Block durch das Lager gelaufen“, erinnert sich die 40-jährige Mutter von zwei Kindern. Dass sie mal in die Fußstapfen des Vaters treten würde, war zunächst kein Thema. Sie lernte den Beruf der Erzieherin. Ihr späterer Mann hatte bei Mercedes einen guten und sicheren Job als Projektplaner. Wenn allerdings Not am Mann war, packte er beim Schwiegervater mit an. Als Manfred Artner kürzertreten musste, übernahm Tochter Nadine 2016 als Geschäftsführerin den Betrieb. Jens Schäfer kündigte seinen Job und stieg mit ein.
Ein Marketingkonzept benötigen sie nach wie vor nicht, eine sporadische Homepage verweist allenfalls auf die Kontaktdaten. „Bei uns läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda und wir haben viele treue Stammkunden“, sagt Schäfer. Neuanfragen müsse er aus Kapazitätsgründen eine Absage erteilen. Gerne würden Nadine Artner-Schäfer und ihr Mann mit ihrem Getränkehandel in eine größere Immobilie umziehen.
Sie suchen schon seit Längerem eine geeignete Logistik-Halle. „Gerade ist es schwer, etwas Bezahlbares zu finden“, sagen sie und suchen weiter.