Auch wenn in der Öffentlichkeit nicht all zu viel von der Initiative der Stuttgarter Traditionsgeschäfte zu hören war, gilt sie nach einem Jahr als Erfolgsmodell – und bei der IHK sogar als Vorbild.

Stuttgart - Der Verbund der Stuttgarter Traditionsgeschäfte ist ein Vorbild für andere Städte“, erklärte Andreas Richter, der Hauptgeschäftsführer der Stuttgarter Industrie- und Handelskammer (IHK) am Donnerstagabend bei einer Diskussionsrunde zur Zukunft des Einzelhandels. Und eben jene Initiative feierte noch am selben Abend ihr einjähriges Bestehen. Der Zusammenschluss der zehn renommierten Einzelhändler gilt als Erfolgsmodell – auch wenn diese, wie teilweise erhofft, nicht als Sprachrohr der Innenstadt auftreten wollen.

 

Der erste Geburtstag der Stuttgarter Traditionsgeschäfte (STG) wurde passender Weise bei einem der Mitglieder, bei Feinkost Böhm, gefeiert. Der Erste Bürgermeister, Michael Föll (CDU), war gekommen, um vor handverlesenen Kunden die Torte anzuschneiden, und um den Zusammenschluss mit Lob zu überhäufen. „Diese Vereinigung ist wichtig für die ganze Stadt“, sagte Föll. Im Gegensatz zu großen, anonymen Filialisten seien die Traditionsgeschäfte ein Teil der Identität Stuttgarts.

Ängste der Stuttgarter Handelslandschaft

Die Nachricht vom Zusammenschluss der zehn etablierten Händler hat vor einem Jahr große Resonanz ausgelöst. Während die Konkurrenz aus dem Internet dem Einzelhandel quer durch die Republik zusetzt, haben in Stuttgart im vergangenen Herbst noch die beiden Einkaufszentren Gerber und Milaneo eröffnet. Mit rund 70 000 Quadratmetern kamen in der City knapp 20 Prozent Verkaufsfläche auf einen Schlag hinzu. Zudem hatten Nachrichten vom Aus renommierter Betriebe wie Café Scholz, Schreibwaren Haufler, Foto Hirlinger oder die Abkehr von Spielwaren Kurtz vom Marktplatz zusätzlich Ängste in der Stuttgarter Handelslandschaft geschürt.

„Zusammen kommen wir auf 1440 Jahre Erfahrung im Einzelhandel“, hatte der erste Sprecher der Traditionshäuser, Matthias Mußler, zum Start vor einem Jahr gesagt. „Damit prägen wir die Stadt mehr als die Shoppingcenter“, fügte er an. Aus diesem selbstbewussten Auftreten wurde unter anderem die Rolle eines Sprachrohrs der City abgeleitet – doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. „Das war nicht unsere Absicht“, erklärt Christoph Achenbach, der Geschäftsführer von Lederwaren Acker. Doch Achenbach ist trotzdem äußerst zufrieden mit dem Verlauf des vergangenen Jahres. „Wir sind eine tolle Gemeinschaft, wir treffen uns regelmäßig und lernen viel voneinander“, berichtet er.

Gemeinsames Engagement bei den Azubis

Als Beispiel für den Erfolg der STG nennt Achenbach etwa gemeinsame Anstrengungen bei den Auszubildenden. „Neun von zehn Betrieben der Initiative bilden aus“, sagt er. Es gebe die Chance für die Azubis, Praktika bei den anderen Unternehmen und somit in anderen Branchen des Handels zu machen. „Und wir wollen die ausgebildeten Leute in unserem Zusammenschluss halten“, fügt der Geschäftsführer hinzu. Könne ein Unternehmen einen Azubi nicht übernehmen, schaue man bei den anderen Mitgliedern nach einem passenden Arbeitsplatz, so Achenbach. Statt aggressiv nach außen zu gehen, wolle man sich auf die eigenen Stärken besinnen und so gemeinsam Kunden gewinnen, erklärt der Geschäftsführer.

Den Gedanken, sich auf Werte wie Service, Qualität, Freundlichkeit und das Fachwissen der eigenen Mitarbeiter zu verlassen, halten Fachleute für die wohl beste Chance der stationären Händler, gegen die rasch wachsende Konkurrenz aus dem Netz zu bestehen. Das Lob von IHK-Chef Richter etwa – die Traditionshäuser seien ein Vorbild – war die Einleitung zum Auftritt des Handelsexperten und Hochschuldozenten Andreas Kaapke. „Ich bin davon überzeugt, dass der stationäre Handel eine Chance hat“, so Kaapke am Donnerstagabend bei der IHK. Diejenigen, die nach 1980 geboren wurden, nennt der Experte Digital Natives, also die Eingeborenen des Internetzeitalters. „Der größte Teil dieser Generation kauft online ein“, so Kaapke.

„Der Kunde will, dass man sich um ihn kümmert.“

Dabei habe der stationäre Handel aber klare Vorteile gegenüber der digitalen Konkurrenz. „Kunden können die Ware testen, anprobieren und prüfen bevor sie kaufen“, so der Fachmann. Außerdem könne ein guter Händler eine Vorauswahl für seine Kunden treffen, was im Internet kaum stattfindet. „Auf Amazon werden Ihnen mehr als 14 000 BHs angeboten“, so Kaapke, „da klickt sich niemand durch.“ Das große Angebot im Netz sei also kein Vorteil, sondern lediglich verwirrend. Und: eines werde der lokale Händler immer besser können als ein Online-Store. „Der Kunde will, dass man sich um ihn kümmert“, sagt Kaapke.