Nicht allein das Ende von Haufler am Stuttgarter Marktplatz zeigt, dass inhabergeführte Läden zunehmend Probleme haben. Der Anteil an Traditionsunternehmen sinkt nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland kontinuierlich.

Stuttgart - Während nicht-filialisierte Fachgeschäfte, der klassische inhabergeführte Laden, im Jahr 1995 noch mehr als ein Drittel aller Einzelhändler in Deutschland ausgemacht haben, liegt ihr Anteil inzwischen noch bei lediglich rund zwölf Prozent. Ketten, Markenshops, Filialisten und große Fachmärkte sind hingegen deutlich auf dem Vormarsch. Das Ende von Traditionsbetrieben wie Haufler am Markt und Foto Hirrlinger an der Calwer Straße sind dafür symptomatisch.

 

„Diese Entwicklung ist typisch für die Großstädte in Süddeutschland. Stuttgart folgt bei diesem Prozess absolut dem Trend“, erklärt Michael Bräutigam, der Geschäftsführer für den Bereich Einzelhandel der Gewerbemakler Colliers.

Neue Akteure am Markt

Fest steht, der inhabergeführte Einzelhandel ist in der Defensive. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen steigen die Mieten in den Toplagen in Bereiche, die sich in der Regel nur noch große Handelsketten leisten können. „Der Expansionsdruck steigt“, beschreibt der Makler die Entwicklung. Das bedeutet, es tauchen plötzlich Akteure auf, die sich im Handel zuvor schlicht nicht engagiert haben. „Nehmen Sie den Hemdenhersteller Olymp“, sagt Bräutigam. Während die Firma in der Vergangenheit ihre Produkte nur produziert hat, werden inzwischen eigene Shops, beispielsweise in den Königsbaupassagen oder im Milaneo, eröffnet. „Da will man schlicht einen größeren Anteil der Wertschöpfung für sich beanspruchen“, so der Makler. Weitere Beispiele sind die Modemarke Boss, die jüngst einen sogenannten Flagship-Store an der Königstraße eröffnet hat oder der Schweizer Bettwäsche-Produzent Schlossberg, der im September in eine der beiden Erdgeschossflächen von Haufler am Marktplatz einziehen wird.

Nach Einschätzung der Makler könnte das kommende Jahr in dieser Hinsicht eine gewisse Verschnaufpause bieten. „Nach dem aktuellen Flächenzuwachs werden viele potenzielle Investoren die Folgen abwarten wollen“, glaubt Bräutigam. Die aktuelle Entwicklung sieht so aus: In der Stuttgarter Innenstadt existieren derzeit 491 940 Quadratmeter Handelsfläche. Mit Gerber und Milaneo kommen im Herbst auf einen Schlag rund 70 000 Quadratmeter hinzu. Zusätzlich sind im Rahmen von Breuningers Dorotheenquartier am Karlsplatz weitere 10 000 Quadratmeter in Planung. „Das ist ein Zuwachs an Fläche von rund 17 Prozent“, erklärt Bräutigam. „Das bedeutet, dass 300 bis 350 Millionen Euro mehr Umsatz pro Jahr erwirtschaftet werden muss, damit alle überleben können.“

Mieten und Immobilienpreise steigen

Zudem deutet sich ein weiterer Trend an. Internethändler suchen den Kontakt zu ihren Kunden. „In Berlin hat Zalando jüngst einen realen Laden eröffnet“, sagt Bräutigam. Amazon und Co. könnten bald folgen, auch in Stuttgart, glaubt er. Insgesamt bedeutet das stetig steigende Konkurrenz für die lokalen Geschäftsleute – gepaart mit steigenden Mieten und Immobilienpreisen sowie der Konkurrenz aus dem Internet wird der Kampf für die verbliebenen etwa 80 inhabergeführten Einzelhändler der Stadt immer härter.

Haufler und Hirrlinger sind dabei nur die jüngsten Namen in einer Reihe von Traditionsgeschäften, die in der Vergangenheit aufgeben mussten – Radio Barth, Lerche oder C. F. Braun kommen unter vielen anderen in Erinnerung.

Der Grund, weshalb die Makler trotzdem glauben, dass die Stadt den aktuellen Flächenboom verkraften kann, liegt in einer Stuttgarter Besonderheit. 54 Prozent der Handelsfläche befindet sich in der Innenstadt – in Berlin sind es zum Vergleich lediglich elf Prozent, in Hamburg zwölf und in München 26 Prozent. „Die Stuttgarter City kann das verkraften“, glaubt Bräutigam. Zudem sei in den vergangenen Jahren aufgrund eines Mangels an verfügbaren Flächen ein regelrechter Stau entstanden. „Jetzt können all die nach Stuttgart, die zuvor nicht die Möglichkeit dazu hatten.“

Eine Chance für die Seitenstraßen

Was auf den ersten Blick wie eine verfahrene Situation wirkt, kann gleichzeitig eine Chance sein. Das glaubt zumindest die City-Managerin Bettina Fuchs. „Sicher werden die inhabergeführten Läden in den 1-A-Lagen seltener“, sagt sie, fügt aber an: „Das bedeutet aber auch, dass sich in den Nebenstraßen Freiräume ergeben.“ Ein Blick auf die Mieten gibt Fuchs recht: Während an der Königstraße inzwischen bis zu 320 Euro pro Quadratmeter, am Marktplatz und der Stiftstraße bis zu 160 Euro verlangt werden, liegen die Preise nur wenige Gehminuten entfernt deutlich darunter. Bereits an der Tübinger oder der Eberhardstraße beginnen die Mieten bei 20 bis 25 Euro. „Dort haben sich in den vergangenen Jahren kreative Köpfe mit guten Ideen und kleinen neuen Läden angesiedelt“, sagt Fuchs, „Ich sehe also noch immer eine Chance für die lokalen Händler.“