Weil Heiligabend in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt, erlaubt das Gesetz manchen Geschäften, an diesem Tag für drei Stunden zu öffnen. Die Frage ist nur: Wer macht mit und warum?

Stuttgart - Alle paar Jahre passiert es – das kleine Weihnachtswunder des Einzelhandels. Dann nämlich, wenn der Heiligabend auf einen Sonntag fällt und damit Mitarbeitern und Inhabern von Supermärkten und Fachgeschäften ein arbeitsfreies Fest beschert – wenn sie es denn tatsächlich auch möchten oder müssen.

 

Denn nicht alle wollen gleich drei Tage lang ihren Laden schließen. Sie nutzen deshalb eine Sonderregelung: Geschäfte, die Genuss- und Lebensmittel verkaufen, dürfen laut Landesgesetz an diesem besonderen Adventssonntag für drei Stunden ihre Türen öffnen. In Stuttgart haben sich mehrere Händler dafür entschieden, obwohl sich im Vorfeld die großen Supermärkte wie zum Beispiel Aldi, Edeka und Rewe gegen eine Öffnung ausgesprochen hatten.

Einkaufen fürs Festessen am Sonntag

Trotzdem hatten sowohl Edeka als auch Rewe es den selbstständig von Kaufleuten geführten Märkten überlassen, in Eigenregie über ihre Öffnungszeiten zu entscheiden. Während im Großraum Stuttgart fast alle Edeka-Märkte geschlossen bleiben, gibt es bei den Rewe-Märkten Ausnahmen: So werden die beiden Filialen von René Güntner in Bernhausen und in Leinfelden-Echterdingen am Sonntag von 10 Uhr bis 13 Uhr öffnen. „Ich habe meine Mitarbeiter und meinen Chef einfach gefragt, und sie fanden die Idee gut“, erklärt Marktleiterin Vanessa Durlach.

Den hauptsächlich jungen Kollegen habe es nichts ausgemacht, drei Stunden am Sonntag zu arbeiten, die meisten seien bei ihren Eltern zum Weihnachtsessen eingeladen und müssten sich vorab um nichts kümmern, so Durlach. Die frische Ware wie Obst, Gemüse und Milch, die an diesem Tag übrig bleibt, wird Durlach an die Diakonie spenden.

Weniger Produktionsdruck und mehr Umsatz

Was also treibt Einzelhändler in Stuttgart an, trotz Heiligabend ihre Pforten zu öffnen? „Eigentlich haben wir sonntags immer zu, aber das ist eben eine Ausnahme“, erklärt Andreas Schrade. Der Kleinunternehmer betreibt mehrere Bäckerei-Filialen in Stuttgart und hat sich gegen einen Ladenschluss an Weihnachten entschieden, weil der kleine Betrieb sonst mit der Produktion von frischen Backwaren für die Feiertage nicht hinterherkommt. „So haben wir zwei Produktionstage statt einen“, erklärt Schrade.

Er wird an Heiligabend und an Silvester seine Filialen in Möhringen, Sonnenberg, Kaltental und Degerloch von 8 Uhr bis 11 Uhr öffnen, auch um frische Neujahrsbrezeln anbieten zu können. „Alle Mitarbeiter haben sich freiwillig gemeldet, keiner muss an beiden Tagen arbeiten“, sagt Schrade.

Auch Silvia Panzer wird ihren Feinkostladen im Stuttgarter Westen ab 9.30 Uhr für drei Stunden öffnen. Sie könne es sich einfach nicht leisten, ihren Laden für drei Tage zu schließen.

„Jeder hat das Recht, zu öffnen“

Der Einzelhandelsverband Baden-Württemberg steht hinter der Entscheidung von Händlern wie Andreas Schrade und Silvia Panzer, solange bestimmte Kriterien wie etwa das freiwillige Arbeiten der Mitarbeiter und ein lohnender wirtschaftlicher Umsatz erfüllt werden. „Da das Gesetz schon beschlossen ist, hat jeder das Recht darauf zu öffnen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, Sabine Hagmann.

Bereits zuvor, erklärt Hagmann, habe es eine Diskussion zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern gegeben: „Viele Mitarbeiter wollten aufmachen, denn das bringt doppelten Lohn und eine Entschleunigung im Weihnachtsgeschäft“, erinnert sich Hagmann.

„Unsere Kunden wollen ihren Wein fürs Festessen in Ruhe einkaufen statt im Weihnachtsstress“, erklärt Thomas Milcinovic. Er betreibt in Leinfelden-Echterdingen für den Großhändler Jacques’ Weindepot eine Filiale und hat die Sonderregelung vor sieben Jahren schon einmal für sich genutzt. Damals sei die Resonanz groß gewesen, erinnert sich Milcinovic. In Absprache mit einem Mitarbeiter wird er sein Depot an Heiligabend daher von 11 bis 14 Uhr öffnen, und auch ein weiteres Weindepot des Großhändlers wird in Ostfildern-Ruit von 10 Uhr bis 12 Uhr geöffnet sein.

Heiligabend am Sonntag als „Geschenk des Himmels“

Der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig bedauert die Öffnung dieser Läden: „Es wäre ein sehr schönes Zeichen gewesen, für Christen und unsere Gesellschaft, wenn alle an diesem Tag freigehabt hätten.“ Aber auch manch Händler, wie etwa Edeka-Markt-Inhaber Tobias Baisch ist gegen die Öffnung seiner Märkte und hat sich deshalb bewusst dagegen entschieden. Baisch, der unter anderem in Stuttgart-Vaihingen einen Edeka-Markt betreibt, hat sich deswegen öffentlich an seine Kunden gewandt und nennt darin den Heiligabend am Sonntag ein „Geschenk des Himmels“: „Und so verstehen wir es als ein Geschenk des Himmels an uns und unsere Mitarbeiter, dass Heiligabend alle sieben Jahre auf einen Sonntag fällt und wir diesen Tag auch mit unseren Familien genießen können“, schreibt Baisch auf seiner Facebookseite:

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist dagegen und findet: Was rechtlich korrekt ist, sei noch lange nicht in Ordnung. Zwar sei an dem Gesetz nicht zu rütteln, trotzdem begrüße man es, dass die meisten Läden in Stuttgart sich vernünftig entschieden hätten, nicht zu öffnen.