Rund 60 Jahre lang gibt es den Familienbetrieb Optik Fleckenstein an der Ecke Unterländer Straße/Kirchtalstraße. Nun ist bald Schluss. Auslöser ist die Coronakrise, es gibt aber auch noch andere Gründe.

Zuffenhausen - Die Unterländer Straße wird um ein alteingesessenes Fachgeschäft ärmer: Optik Fleckenstein schließt im August für immer. Rund 60 Jahre gibt es den Familienbetrieb an der Ecke Unterländer Straße/Kirchtalstraße. „Wenn mein Vater das erleben müsste, würde er die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber wahrscheinlich würde er ebenso handeln“, sagt Gabriela Kistermann, die das Geschäft zusammen mit ihrem Bruder Wolfgang Fleckenstein führt. Anfang der 1960er Jahre hatte der Vater Walter Fleckenstein die Firma gegründet.

 

Coronakrise verursacht hohe Umsatzeinbußen

Dass die Familientradition nun recht abrupt endet, hat mehrere Gründe. Das Fass zum Überlaufen brachte letztlich die Corona-Krise. „Bevor Corona uns zerstört, höre ich lieber selbst auf“, sagt Gabriela Kistermann. Bereits seit Anfang der Pandemie habe man Umsatzeinbußen von rund 50 Prozent gehabt. Das liege nicht zuletzt am Alter der Kunden. Neben Brillen werden nämlich auch Hörgeräte verkauft – vornehmlich an ältere Personen, also an eine Risikogruppe. Und viele Senioren sind in den vergangenen Wochen weggeblieben – im Gegensatz zu den Fixkosten, die weiterhin bezahlt werden müssen. Und keiner wisse, wie lange die Pandemie überhaupt noch dauere.

Schon vor Corona war die Situation für das Unternehmen nicht rosig. „Ein schlimmer Einbruch kam mit der U-15-Baustelle“, erzählt die Optikermeisterin, die das Geschäft zusammen mit ihrem Bruder offiziell Mitte der 2000er Jahre übernommen hat, als der Vater in Rente ging. Die fünfjährigen Bauarbeiten gingen praktisch direkt vor der Ladentür über die Bühne. Schon damals habe man überlegt, den Betrieb zu schließen. Trotzdem machten die beiden Geschwister weiter – gegen immer stärker werdende Konkurrenz von großen Optikerketten und dem Online-Handel. „Durch das Internet ist vieles kaputt gegangen“, sagt Kistermann. Dienstleistung, Einzelhandel und handwerkliche Fähigkeiten würden immer weniger geschätzt, bei vielen Kunden stünde ein möglichst günstiger Preis an erster Stelle. Was laut Kistermann auch auf die Unterländer Straße negative Auswirkungen habe, deren Niveau immer weiter sinke. Gern denkt die Optikerin zurück an die Zeiten, in denen es sehr gut lief. In den 1980er Jahren habe es so viele Aufträge gegeben, dass oftmals auch sonntags gearbeitet werden musste. Bis dann die Gesundheitsreform von Norbert Blüm 1989 für einen Knick sorgte. „Damals saßen hier weinende Omis, weil die Krankenkassen sich nicht mehr an den Kosten beteiligten und die Rente nicht für eine ordentliche Brille reichte“, erinnert sich die 60-Jährige. Sie hat aber auch eine positive Geschichte parat: Der Modedesigner Wolfgang Joop lief einige Zeit mit einer ihrer Brillen herum. Die hatte Joop mit einem Zuffenhäuser Künstler gegen seine eigene getauscht, als die beiden sich auf einer Vernissage in Italien begegnet sind.

Eine Ära endet

Im Juni und Juli gibt es im Geschäft einen Totalausverkauf mit Sonderpreisen, dann werden sich die Inhaber auch von ihren Kunden verabschieden. Wie es für sie selbst weiter geht, weiß Kistermann noch nicht. Auf jeden Fall möchte sie sich einen Job suchen, notfalls auch in einem anderen Bereich. „Ich bin Augenoptikerin aus Idealismus und habe viel Herzblut in das Geschäft gesteckt“, sagt sie. Es tue ihr in der Seele weh, dass nun eine Ära ende.