Hohe Mieten, steigende Personalkosten, sinkende Kundschaft: In Ludwigsburg setzen Händler auf geteilte Geschäfte. Ein Konzept mit Zukunftspotential?

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

Ludwigsburg ist zwar weit davon entfernt, eine sterbende Innenstadt zu haben – doch das veränderte Einkaufsverhalten, hohe Miet- und steigende Personalkosten machen auch vor den Grenzen der Barockstadt nicht halt. Der ein oder andere Einzelhändler hat in den herausfordernden Zeiten erkannt: Gemeinsam geht vieles einfacher. In der Not steckt eine Chance.

 

Liebes von Priebes verkauft seit 14 Jahren unter anderem Kinderkleidung, Sitzauflagen und Sonnensegel – unter fairen Bedingungen produziert in der familieneigenen Näherei in Polen. Wie alle anderen haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch sie getroffen: Kunden schauen wieder stärker auf den Preis, greifen zu gebrauchter Ware – oder haben angefangen, selbst zu nähen.

„Die geteilte Miete ist weniger Druck“

Joanna und Jens Priebe wurden erfinderisch. 2023 haben sie gemeinsam mit einem Kindergarten einen „Wetbag“, eine Tasche für nasse Kleidung, erfunden. Heute nähen sie auch Blüba-Fanartikel, T-Shirts mit Kürbismotiv und Frosch-Stofftiere. Es passt also zu ihrer flexiblen Einstellung, ihre Ladenfläche künftig teilen zu wollen.

Liebes von Priebes hat in der Seestraße eine attraktive Lage und benötigt nicht die gesamte Ladenfläche. Foto: Simon Granville

„Wir haben uns entschieden, unsere Ladenfläche zu teilen, weil die Fläche von circa 170 Quadratmeter für uns zu groß ist, um sie neben unserem Hauptgeschäft richtig gut zu bespielen“, sagt Joanna Priebe. Sie und ihr Mann beliefern in erster Linie andere Händler mit ihrer Ware und bieten die Produkte im Online-Shop an – der Laden in der Seestraße ist ein zusätzliches Standbein.

Für das gemeinsame Geschäft suchen sie einen offenen, flexiblen, kommunikativen Partner. „Wir möchten, dass die Zusammenarbeit harmonisch und produktiv verläuft und beide Parteien davon profitieren können“, sagt Joanna Priebe. Sie sehen mehrere Vorteile in einem „Shared Space“: Geringere Kosten, eine vielfältigere Angebotspalette für Kunden und eine lebendige, dynamische Atmosphäre. Noch hat sich kein Interessent gemeldet, die Priebes freuen sich über Anfragen.

Erste Ladenteilung seit September

Die Idee einer geteilten Ladenmiete ist nicht neu. Seit September 2024 teilen sich Brunhilde Schreijäg und Claudia Fuchs – die Betreiberinnen des Fair-Fashion-Geschäfts „Beyavista“ – und des Schuhgeschäfts „Bauer Schuhe“ eine Ladenfläche in der Asperger Straße. Beide hatten gemerkt, dass die Kundschaft, gerade die männliche, immer zurückhaltender einkauft.

Dazu kamen die hohen Fix- und Personalkosten und die langen Regen- oder Hitzeperioden, die den Verkauf der Frühjahrs- und Herbst-Kollektion erschwerten. Brunhilde Schreijägs Mietvertrag lief aus, Claudia Fuchs Miete stieg, also fanden sie im Gespräch gemeinsam eine Lösung. „Jetzt hat man deutlich weniger Druck“, sagt Fuchs.

Bei Bauer Schue und Beyavista können sich Kundinnen von Kopf bis Fuß einkleiden. Foto: Simon Granville

Beide haben dafür Abstriche in Kauf genommen: Claudia Fuchs hat ihr Männersortiment verkleinert, Brunhilde Schreijäg hat es ganz aussortiert und verzichtet nun darauf, Schuhe zu verkaufen. Dafür können sich Kundinnen bei ihnen jetzt von Kopf bis Fuß einkleiden. „Natürlich kam dann mal jemand, der meinte ‚nur noch so wenig Ware’, aber die meisten haben sich positiv dazu geäußert und die Männer, die wirklich etwas kaufen wollen, werden fündig“, sagt Fuchs. Gleichzeitig hätten beide durch die Ladenteilung neue Kundinnen dazugewonnen.

Geteilte Ladenmiete fordert auch Einschränkungen

Wichtig, damit diese Art der beruflichen Partnerschaft funktioniert: Die Produkte müssen sich ergänzen und es muss menschlich passen. „Das ist wie bei einer guten Wohngemeinschaft auch“, sagt Citymanager Markus Fischer vom Ludwigsburger Innenstadtverein Luis. Für ihn ist die geteilte Ladenmiete ein Konzept mit Zukunftspotential.

„In Ludwigsburg sind die Mieten recht hoch, Vermieter können praktisch verlangen, was sie wollen“, berichtet er. Darüber hinaus könnten sich Einzelhändler Marketingkosten teilen – und würden bei schlechtem Wetter und wenig Kundschaft nicht allein im Laden sitzen. „Es ist trotzdem nicht für alle das Richtige“, sagt Fischer. „Eine geteilte Laden- und Lagerfläche ist auch mit Einschränkungen verbunden.“

Bei Brunhilde Schreijäg und Claudia Fuchs ergänzt sich das Sortiment und es passt menschlich. „Wir haben am Anfang auch gezofft, aber jede Auseinandersetzung hat uns weitergebracht“, sagt Fuchs. Es hätte sich eben ein wenig einspielen müssen. Sie schätzt, dass sie und ihre circa gleichaltrige Geschäftspartnerin Sorgen und Ängste teilen können – und auch mal kurz etwas erledigen können in dem Wissen, dass die Andere übernimmt.

Beide Frauen glauben, dass sich immer mehr Einzelhändler für die geteilte Ladenfläche entscheiden – wie die Priebes in der Seestraße. Brunhilde Schreijäg macht gleichzeitig klar: Steigen die Mieten weiter, werden immer mehr kleine Geschäfte verschwinden. „Und eine Innenstadt voller Ladenketten verliert in jeder Hinsicht an Qualität und Wertschätzung.“