Angesichts kräftig gestiegener Energiepreise sind auch Einzelhändler gezwungen, zu reagieren. Inflation und stetig wachsende Kosten stellen die Branche vor große Herausforderungen. Die Strategien zur Kundenbindung sind unterschiedlich.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Nicht nur in der eigenen Wohnung, auch im Ladengeschäft hat Annegret Frey-Kächler den Energieverbrauch im Blick. „Wir haben die Heizung im Weltladen gedrosselt“, sagt die kaufmännische Geschäftsführerin des Fellbacher Geschäfts. Sie stehe auf etwa 19 Grad. Die Kunden hätten sich an gesenkte Temperaturen gewöhnt. Und für die Mitarbeiter habe der Weltladen gesorgt. „Wir haben für unser Team Wollponchos angeschafft“, sagt Annegret Frey-Kächler. Das sei schon in Coronazeiten erfolgt, als es im Laden auch schon kühler war wegen des Lüftens. An den Öffnungszeiten werde aber nichts verändert.

 

Montags wird Bürokratie erledigt Tine Hämmerle, Inhaberin von „Die Blume“ in Schmiden, hat seit Juli des vergangenen Jahres montags zu. „Wichtig ist es, das gut zu kommunizieren, dann nehmen die Kunden die Änderung auch an“, sagt sie. Man müsse in den für den inhabergeführten Einzelhandel schwierigen Zeiten individuelle Strategien entwickeln, um gut zu bestehen. Die Montagsschließung sei weniger erfolgt, um Energie zu sparen, sondern um Personalkosten zu senken.

Seit rund eineinhalb Jahren seien im Gegenzug die Öffnungszeiten am Samstag bis 16 Uhr ausgeweitet worden. „Das kommt sehr gut an“, sagt die Geschäftsfrau. Da die Bürokratie für das Geschäft zugenommen habe, nutzt sie den Montag dafür. Mit dem Umzug vor drei Jahren aus der Ortsmitte hat „Die Blume“ ihre Fläche in etwa verdoppelt. Sie ist im zentralen Gebäude der ehemaligen elterlichen Gärtnerei Koch untergebracht. Der Standort punktet mit Barrierefreiheit und vielen Parkplätzen vor dem Gebäude.

Innenstadt als gemeinsame Plattform Das Blumenfachgeschäft liegt außerhalb des Ortskerns, das sei eine andere Situation als in der Innenstadt, sagt Gudrun Lack. In der Stadtmitte funktioniere der Einzelhandel vor allem als gemeinsame Plattform. „Der Kunde kommt nicht nur wegen eines Buchladens oder Uhrengeschäfts in die Stadt, er will verschiedene Erledigungen und Serviceleistungen verbinden“, sagt die Inhaberin von Bücher-Lack in Fellbach. Da sieht sie eine Reduzierung der Öffnungszeiten mit Sorge.

Durch Corona seien die Kunden schon durch kurzfristige Änderungen verunsichert worden. „Meine persönliche Ansicht ist, dass Verlässlichkeit als Gesamtstandort nun entscheidend ist, um die Kunden wieder in die Stadt zu holen“, sagt die Sprecherin der Interessengemeinschaft Rathaus-Carrée, „sonst gewinnen im ungleichen Wettbewerb die Online-Riesen noch mehr.“

Händler senken Ladentemperatur

Außerdem gibt Gudrun Lack zu bedenken, dass eine Reduzierung der Öffnungszeiten, um Energie zu sparen, im Sommer ja wieder aufgehoben werden könne. Auch wenn die Öffnungszeiten je nach Branche variieren, sieht die Buchhändlerin die Gefahr, Kunden zu verunsichern. „Wir sollten die Kernöffnungszeiten nicht weiter beschneiden“, ist Gudrun Lack überzeugt. Bereits seit drei Jahren – durch das regelmäßige Lüften in Coronazeiten – seien ihr Team und sie an niedrigere Temperaturen im Laden gewohnt und wärmer angezogen. Außerdem habe sie auch aus ökologischen Gründen im Sommer die Beleuchtung des Ladens durch energiesparende LED-Leuchten ersetzt. Höhere Kosten kann sie an die Kunden nicht weitergeben, erklärt Lack. „Wir haben eine Buchpreisbindung, da gibt es keinen Spielraum.“ Doch sie sieht, dass die Menschen es wieder schätzten, persönlich beraten und bedient zu werden. „Die Menschen wollen keine Online-Bestell-Maschinen sein, sondern genießen den Kontakt und das Erlebnis im Laden.“ Auch die Gastronomie spiele eine wichtige Rolle in der Stadt als Treffpunkt.

Neue Öffnungszeiten seit Jahresbeginn

„Geänderte Öffnungszeiten ab Januar 2023“ heißt es auf der Homepage von Sailer’s Geschenkideen in der Fellbacher Bahnhofstraße. Sonja Zielke öffnet eine Stunde später, ab 10 Uhr. „Aber natürlich können wir weiter Sondertermine einräumen“, sagt sie. Aufgrund der großen Räume mit rund 500 Quadratmeter Fläche spare sie dadurch Beleuchtungskosten und könne in der Zeit Bürokratie erledigen. Die Kernöffnungszeiten bleiben erhalten. Die Heizung werde stark gedrosselt. Schuhe „mit dicken Sohlen und lange Unterwäsche“ seien daher hilfreich.

Eine Frage der Sicherheit Herrenausstatter Stefan Lutz in Fellbach kann seine Lichtquellen genau steuern und setzt längst auf energiesparende LED-Technik. „Die Leuchten bleiben bis 23 Uhr an. Wenn alles dunkel ist, ist das auch eine Frage der Sicherheit“, sagt der Inhaber von Stefan Lutz Fashion, „außerdem möchten wir unsere Waren im Schaufenster ja auch präsentieren.“ Er drehe lieber die Heizung etwas herunter, um Energie einzusparen.

Kasse und Kaffeemaschine werden vom Netz genommen

Uta Grasmannsdorf vom Unverpackt-Laden „Bohne“ in Waiblingen sagt, dass die Ladenbeleuchtung über Nacht abgeschaltet wird. Auch Kasse und Kaffeemaschine würden vom Netz genommen. Auch die Raumtemperatur sei abgesenkt. Doch der Bildschirm im Schaufenster, auf dem ein Film läuft, der das Prinzip des Unverpackt-Ladens erklärt, laufe weiter.