In kaum einer anderen deutschen Großstadt sei im Einzelhandel in den vergangenen Jahren derart auf Wachstum gesetzt worden wie in Stuttgart, haben die Experten von Jones Lang Lasalle (JLL) ermittelt.

Stuttgart - Der Einzelhandel in Stuttgart ist vor allem 2014 geradezu durch die Decke geschossen, als mit den Einkaufszentren Milaneo und Gerber auf einen Schlag 300 Läden und 20 Prozent mehr Handelsfläche im Citybereich hinzu kamen. Doch die Expansion ist noch nicht zu Ende, wie die Anfang 2017 bevorstehende Eröffnung des Dorotheen-Quartiers zeigt. In kaum einer anderen deutschen Großstadt sei im Einzelhandel in den vergangenen Jahren derart auf Wachstum gesetzt worden wie in Stuttgart, haben die Experten von Jones Lang Lasalle (JLL) ermittelt. Das weltweit tätige Unternehmen für Immobilien-Management sieht zwar inzwischen eine Beruhigung bei der Nachfrage nach Flächen, trotz allem sei eine enorme Dynamik, aber auch Unsicherheit im Markt. „Der Stuttgarter Einzelhandel befindet sich in einer Umbruchphase“, sagt Philipp Nothdurft, Teamleiter Einzelhandel im Stuttgarter JLL-Büro.

 

Einbruch für Besucherströme auf Königstraße befürchtet

Gefragt seien neue Konzepte, um auch künftig die Attraktivität für Kunden und den Zufluss von Kaufkraft zu sichern. Nothdurft: „Wichtiger denn je ist die Positionierung und Ausrichtung bestimmter Bereiche.“ Ins Detail geht Dirk Wichner. „Die Calwer Straße wird als klassische Modemeile nicht mehr gebraucht“, sagt der Deutschland-Chef der JLL-Sparte Einzelhandel. In einer „geschickten Mischung aus Gastronomie und trendigen Läden“, so Wichner, könne die Straße „eine neue Rolle und somit auch Bedeutung für die Zukunft“ haben. Vor ähnlichen Herausforderungen stünden weitere Innenstadtzüge. Die Königstraße mit ihren 150 Geschäften hingegen werde „nicht von der Shoppingmall zur Fressmeile mutieren“, ist Wichner überzeugt. Für die einst unangefochtene Haupteinkaufsstraße der Landeshauptstadt prognostiziert JLL nach einem Einbruch der Besucherströme (Rückgang der gezählten Passanten pro Stunde von 12 655 im Jahr 2014 auf Werte von unter 9000 in den beiden Folgejahren) perspektivisch wieder eine gewisse Erholung.

„Der Einzug von Primark in das frühere Karstadt-Haus wird die Königstraße wieder beleben“, sagt Nothdurft über die irische Billigmode-Kette, die neben dem Milaneo ein zweites Standbein in der Königstraße Stuttgart aufbaut.

Die Anziehungskraft von Innenstädten und Einkaufszentren sehen die JLL-Experten trotz boomender Onlineshops nicht gefährdet. „Aber für die Menschen ist ein Cityzentrum weit mehr als der Ort, an dem Waren bereitgestellt werden“, beschreibt Dirk Wichner Innenstädte als „Orte des Austauschs“. In diesem Zusammenhang werde der Bereich Gastronomie auch für den Einzelhandel immer mehr an Bedeutung gewinnen. 20 Prozent der Handelsflächen nimmt er bereits heute ein – Tendenz steigend. Der klassische Textilhandel als Marktführer verliert dagegen an Bedeutung mit inzwischen nur noch 31 Prozent statt wie vor sechs Jahren noch fast der Hälfte der Innenstadt-Verkaufsflächen. „Eating ist the new shopping“, verdeutlicht Wichner einen internationalen Trend, der seiner Meinung nach in den nächsten zehn Jahren auch den großen Städten in Deutschland seinen Stempel aufdrücken wird.