Dabei ist der Einzelstadtrat fleißig: Rund 20 Anträge und Anfragen hat er bisher gestellt – mehr als die vier Stadträte der AfD zusammen. Dass er dabei gelegentlich die eigenen Befindlichkeiten herausstellt („Dem Wählerauftrag folgend und als unmittelbar Betroffener beantrage ich . . .“), grenzt für manche Kollegen im Rat freilich an Befangenheit. „Klein-klein“ nennt ein Stadtrat die Themen, die Schertlen großenteils beackere: von der Anbringung eines Spiegels „an der Kurvenaußenseite der Rosensteinstraße“ – seinem Wohnort – bis hin zur Aufhebung des Durchfahrtsverbots für Motorräder an der Ecke Rosenbergstraße/Falkertstraße. Immerhin hat er sich für eine Bewerbung der Region Stuttgart um den Titel Kulturhauptstadt ausgesprochen, im Gemeinderat dann aber nur die SPD-Fraktion an seiner Seite gehabt.

 

Im Gemeinderat wird der Stadtist wieder zum Statisten

Schertlen agiere politisch durchaus auf der Linie der Stadtisten, für deren Liste er bei der Kommunalwahl kandidiert hatte, meint ein anderer Stadtrat. Das ist beileibe nicht als Lob gemeint. Die Wählervereinigung, die vor allem im Stuttgarter Süden ihre Bastion hat und dort bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen erzielte, sei ohne konkretes politisches Programm zur Wahl angetreten – das räche sich jetzt: „Der Wähler hat die Katze im Sack gekauft“, heißt es. In der Tat hatte die Gruppierung, die sich gern von Berufspolitikern und Parteien abgrenzt, mit einem von Schertlen mit initiierten Manifest an Stelle eines Wahlprogramms aufgewartet, das zwar viele Allgemeinplätze, aber wenig konkrete Ziele enthält. Dort heißt es: „Das politische Selbstverständnis der Stadtisten basiert auf der Idee, dass wir alle gemeinsam für die Stadt mehr tun können als jeder für sich.“ Und weiter: „Das Unkonventionelle haben wir zu Fuß durchquert, der Utopie legen wir ein Bonbon unters Kopfkissen.“

Für Schertlen wird es jedenfalls so schnell kein Bonbon geben, weder vom OB noch von der ökosozialen Ratsmehrheit. Die will am 7. Mai in der Vollversammlung erneut versuchen, das Prüfverfahren für den Windkraftstandort in Gang zu setzen. Der Stadtist wird dann wohl wieder zum Statisten degradiert: Rechnerisch haben Grüne, SPD und SÖS-Linke-Plus zusammen mit Rathauschef Kuhn 32 Stimmen im 61-köpfigen Gemeinderat – und sind somit nicht auf Schertlens Votum angewiesen.