Am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach im Kreis Ludwigsburg soll eine landesweit einmalige Unterrichtsstätte entstehen. Aber die Finanzierung erweist sich als Kraftakt.

Chinesisch als zweite Fremdsprache schon ab Klasse 6, Förderung von Hochbegabten oder Internationale Klasse: Das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) genießt schon jetzt dank seiner außerordentlichen Angebotspalette großes Renommee. Und das nächste Leuchtturmprojekt steht schon in den Startlöchern: Der örtliche Solarverein möchte in Kooperation mit dem FSG auf dem Schulgelände ein Wasserstofflabor bauen lassen. „Vergleichbares in Baden-Württemberg ist uns im Kultusministerium nicht bekannt“, konstatiert dessen Pressesprecher Fabian Schmidt. Der Haken ist nur, dass das Vorhaben noch nicht in trockenen Tüchern ist. Der Solarverein hat eine Finanzierungslücke – und betritt deshalb ungewöhnliche Pfade.

 

In aussichtsreichen Gesprächen

Für das Labor müssten alles in allem rund 300 000 Euro in die Hand genommen werden, sagt der Vorsitzende Hans Martin Gündner. 80 000 Euro steuere der Verein selbst aus seinem über die Jahre angesammelten Vermögen bei. Genau 50 000 Euro habe der Förderverein des FSG zugesichert. Zudem hat Gündner in den vergangenen Monaten viele Klinken geputzt und über Stiftungen weitere Mittel akquirieren können, befindet sich überdies in aussichtsreichen Gesprächen mit einem weltweit agierenden Maschinenbauer. „177 000 Euro sind alles in allem bislang zusammengekommen, sodass uns noch 123 000 Euro fehlen“, erklärt Gündner.

Bei kleiner Finanzierungslücke soll es trotzdem losgehen

Wobei das Delta im Grunde sekündlich geringer werden kann. Der Solarverein wirbt nämlich seit einigen Tagen auch online auf www.WirWunder.de unter dem Suchbegriff „Wasserstoff“ um Spenden. Immerhin zwölf Gönner hatten sich bis Sonntagmittag schon mit insgesamt 1700 Euro am Crowdfunding beteiligt. „Ich bin optimistisch, dass wir am Ende die Finanzierung gesichert bekommen und würden auch loslegen, wenn uns vielleicht zehn oder 15 Prozent von der Gesamtsumme fehlen würden“, sagt der Physiker.

Die Beharrlichkeit des Marbachers rührt daher, dass er voll und ganz von der Sinnhaftigkeit des Labors überzeugt ist, das etwa drei auf acht Meter groß werden und auf einem Parkplatz auf dem Schulcampus entstehen soll. „Wasserstoff ist eine Zukunftstechnologie. Deshalb ist es wichtig, dass die jüngere Generation damit vertraut gemacht wird“, erklärt Gündner. Zehn Arbeitsplätze sollen an der Forschungsstätte eingerichtet werden. Das FSG habe sogar schon Lehrer in der Hinterhand, die sich damit beschäftigt haben, wie die Tätigkeit in dem Labor in den Unterricht integriert werden könnte. „Das Angebot könnte von allen Jahrgängen in unterschiedlicher Ausprägung genutzt werden“, erläutert der Spiritus Rector des Ganzen. Angedacht sei, dass später auch andere Schulen mit der Wasserstoff-Technologie vertraut gemacht werden. „Das könnte auch ins betriebliche Ausbildungswesen integriert werden“, sagt Gündner.

Energie kann direkt vor Ort genutzt werden

Das Labor soll auch IT-mäßig auf dem neuesten Stand sein. Das würde es erlauben, dort virtuell forschen zu können, Daten zu sammeln und auszulesen. Wie viel Energie braucht es zur Erzeugung von Wasserstoff? Wie lässt er sich speichern? Und wie sich die Energie via Brennstoffzelle rückgewinnen? Das sind nur einige der Fragen, auf die die Arbeit in und mit dem Labor Antworten liefern soll. Der Strom für die Umwandlungsprozesse soll grün sein und direkt von den Photovoltaikanlagen auf den Schuldächern kommen. Der Clou ist, dass die gewonnene Wasserstoff-Energie am Ende vor Ort genutzt werden kann: zum Aufladen von E-Bikes und Pedelecs etwa.

Klingt also ausgesprochen spannend. „Und ich hätte auch gedacht, dass man mit dem Zukunftsthema Wasserstoff in Verbindung mit Bildung bei öffentlichen Stellen offene Türen einrennt“, sagt Gündner. Doch die bittere Wahrheit sei gewesen, dass von dieser Seite überhaupt keine finanzielle Unterstützung gekommen sei.

Kultusministerium begrüßt den Vorstoß

Immerhin Anerkennung für die Anstrengungen von Hans Martin Gündner und seinen Mitstreitern gibt es vom Kultusministerium. Es sei wichtig, Schüler „schon frühzeitig für Zukunftstechnologien zu sensibilisieren und dafür zu interessieren“, erklärt Pressesprecher Fabian Schmidt. „Nicht umsonst wurden in Baden-Württemberg Nachhaltigkeitsthemen durch die Einführung der Leitperspektive Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Bildungsplan 2016 für die allgemein bildenden Schulen verankert“, fügt er hinzu. „Das Ziel ist eine Schullandschaft, die ganzheitlich im nachhaltigen Sinne wirkt“, betont Schmidt. Aspekte wie Wasserstofftechnik sollten zum Beispiel im NwT-Unterricht behandelt werden. Ergänzend sei es außerdem begrüßenswert, wenn mittels Initiativen wie der in Marbach „weitere Anknüpfungspunkte für Schülerinnen und Schüler geschaffen werden“.

Worte, die Hans Martin Gündner gerne vernehmen wird. Entscheidend ist für ihn aber, dass es mit dem Projekt vorangeht. „Wir hoffen, dass der Spatenstich noch in diesem Jahr erfolgen kann“, sagt der Vorsitzende des Solarvereins.

Hier geht es zur Crowdfunding-Aktion

Das Marbacher Wasserstoffprojekt

Speichern
Wasserstoff wird eine hohe Bedeutung für die Energiewende beigemessen, weil sich in diesem Element Energie speichern und bei Bedarf abrufen lässt. Zum Beispiel die Kraft aus Photovoltaik und Windkraft, beides wetterabhängige Quellen. In dem Labor am Marbacher Schulcampus soll gezeigt werden, wie solche Prozesse in der Praxis ablaufen.

Steigerung
Ziel ist, dass die Lehrstätte im dritten Quartal 2024 eingeweiht wird. Ursprünglich war der Solarverein Marbach als Triebfeder des Projekts von Investitionen von 200  000 Euro ausgegangen, taxiert die Ausgaben aber inzwischen auf 300 000 Euro. Grund sind allgemeine Kostensteigerungen und dass das Labor etwas größer dimensioniert sein soll als anfangs geplant.