Hermann Fechenbach war der einzige Einwohner jüdischen Glaubens, als in Stuttgart und Bad Cannstatt bei der Reichspogromnacht die Synagogen brannten. Er überlebte die Nazizeit durch die Emigration nach England.

Plieningen - Die Bereitschaft seiner nichtjüdischen Ehefrau, in England eine Stelle als Haushälterin anzunehmen, hat dem jüdischen Künstler Hermann Fechenbach in der Nazizeit wohl das Leben gerettet. Margarete Fechenbach, die zuvor als Fotografin tätig gewesen war, entschied sich zu diesem Schritt, weil ihr Mann in den Jahren zuvor als Maler und Grafiker ein Ausstellungs- und Berufsverbot erhalten hatte. Ihm war somit die Lebensgrundlage genommen. Im Januar 1939 ging Margarete Fechenbach, geborene Batzke, nach England. Kurz darauf emigrierte auch ihr Mann dorthin und entging so dem Holocaust. Fechenbach war damals der einzige jüdische Bewohner im Steckfeld.

 

Im ersten Weltkrieg ein Bein verloren

Der am 11. Januar 1897 in Bad Mergentheim geborene Hermann Fechenbach hatte Ende 1910er-Jahre – nachdem er als Soldat im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren hatte – an der Kunstgewerbeschule und an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studiert. Anschließend setzte er sein Studium an der Staatlichen Akademie für Angewandte Kunst in München fort.

Fechenbach, der vor seiner Einberufung als Soldat im Jahr 1916 als Dekorateur in Dortmund tätig gewesen war, wurde als Wahlstuttgarter 1927 Mitglied des „Deutschen Künstlerbund“ Stuttgart. Bis 1933 nahm er an Ausstellungen im Württembergischen Kunstverein teil, wobei er vor allem mit seinen markanten Holzschnitten viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach 1933 blieb ihm die öffentliche Präsentation seiner Werke – darunter ein Zyklus von 135 Holzstichen zum Ersten Buch Mose – aber verwehrt. Der im Steckfeld in einem Holzhaus lebende Künstler erhielt Ausstellungsverbot. 1936 wurde er zudem aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen, da er – so hieß es in der Begründung – als Jude nicht die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit besitze.

Jugendliche auf die Emigration vorbereitet

In der Zeit, in der er nicht als Künstler tätig sein durfte, legte Fechenbach seine Hände aber keineswegs in den Schoß. Er engagiert sich – wie schon zuvor – in der Jüdischen Gemeinde und baute dort die Selbsthilfe Werkarbeit mit auf. In den angebotenen Lehrgängen war Fechenbach selbst als Lehrer tätig. Eines der Ziele der Selbsthilfe, gegen die es anfangs auch innerhalb der Gemeinde offenbar Widerstände gab, war es, vor allem Jugendliche durch die Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten auf die Emigration aus Deutschland vorzubereiten.

Bei der Reichspogromnacht am 9. November 1938, in der auch die Synagogen in Stuttgart und Bad Cannstatt in Flammen aufgingen, wurden seine damals noch in Bad Mergentheim lebenden Eltern überfallen und gezwungen, die Stadt binnen 24 Stunden zu verlassen. Unterkunft fanden sie daraufhin bei ihrem Sohn im Steckfeld, bevor sie kurz darauf bei Hermann Fechenbachs Zwillingsschwester Rosa in München unterkamen. 1940 emigrierten sie – wie zuvor zwei von Hermann Fechenbachs Brüdern – nach Argentinien.

Erst Oxford, dann London

Fechenbach selbst entging dem Naziterror ebenfalls durch Emigration. In England fand er von 1940 an eine neue Heimat – nachdem er zuvor mit Kurt Schwitters zehn Monate auf der Isle of Man als „feindlicher Ausländer“ interniert war. In der ersten Hälfte der 1940er-Jahre entstand in England auch sein viel beachteter Werkzyklus „My Impressions as Refugee“. Fechenbach lebte erst in Oxford, dann in London, wo er auch als Porzellanrestaurator tätig war. Am 6. Dezember 1986 starb Hermann Fechenbach mit 89 Jahren in Denham/Buckinghamshire, wo er von 1962 an mit seiner Ehefrau gelebt hatte.

Vortrag im Gemeindezentrum Steckfeld