Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft der Frauen hat ihr erstes Spiel bei Olympia mit 1:4 gegen Russland verloren. Im deutschen Tor machte Viona Harrer dennoch eine gute Figur. Normalerweise misst sie sich mit Männern.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sotschi - Viona Harrer ist eine zierliche junge Frau. Sie wiegt bei einer Körpergröße von 1,69 Meter nur 53 Kilogramm. Doch wenn sie ihre Sportbekleidung anzieht, plustert sie sich zu einem mächtigen quadratischen Paket auf. Das ist normal. Die Bayerin ist Torhüterin der deutschen Eishockeyfrauen. Sogar eine sehr gute. Es gibt Experten, die sie als beste Torsteherin der Welt bezeichnen. Das sei zwar ein schönes Kompliment, doch darauf bildet sich die bodenständige Frau aus Bad Tölz natürlich nichts ein. Man habe mal einen besseren, mal einen schlechteren Tag, meint sie und lächelt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

 

Wenn man sich Viona Harrer so anschaut, könnte sie problemlos als Eiskunstläuferin durchgehen. Sie ist hübsch, ein zartes Geschöpf – doch sie hat sich für den knallharten Männersport entschieden. Nicht in der Frauennationalmannschaft, die am Sonntag in Sotschi ihr Auftaktspiel gegen Russland erwartungsgemäß mit 1:4 (0:0, 1:0, 0:4) verlor. Nach den Spielen geht es zurück in ihren Heimatclub EC Bad Tölz. Dort steht Viona Harrer bei den Männern im Kasten. Vorne versuchen die Jungs Tore zu machen, „und hinten hält die Viona dicht“, so sagen sie es in Tölz.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass in den unteren Eishockeyligen Frauen bei den Männern vor allem als Torhüterin mitmachen. Doch keine andere deutsche Akteurin spielt höherklassig als Viona Harrer. Der EC geht in der in der Oberliga aufs Eis, dritthöchste Kategorie, sehr ordentliches Niveau. Dort zeigen ihre Gegentorwerte und die Statistik über gehaltene Schüsse einwandfreie Werte auf.

„Im Großen und Ganzen bleibe ich weiblich“

Das Leben unter Männern, es ist auszuhalten, was soll Viona Harrer auch anderes sagen. „Es kann schon sein, dass ich mich an die Umgebung anpasse, aber im Großen und Ganzen bleibe ich weiblich“, sagt sie. In so einer Eishockeykabine geht es manchmal ja auch ziemlich derb zu. Nur weil jetzt eine Frau dabei ist, würden sich die Jungs nicht komplett umstellen. Derbe Witze tauchen immer noch auf. Die Torhüterin hat bemerkt, dass sie sich die harte sprachliche Gangart ihrer Kollegen schon etwas angewöhnt hat.

Dass zwei Geschlechter im Sport dieselben Ziele verfolgen, hält Viona Harrer für unproblematisch. „Bei praktisch jedem Arbeitgeber hat man es doch mit männlichen Kollegen zu tun. Der einzige Unterschied bei mir ist, dass ich in der Kabine hocke und die Männer dort nackt herumspringen.“ Wegen der 27-Jährigen werden also nicht extra die Handtücher um die Hüften gebunden.

Bei Auswärtsspielen an Orten, wo es in der Eissporthalle keine eigene Frauendusche gibt, hat sich die ungleiche Gemeinschaft auf eine Lösung des Problems geeinigt. Mal duschen die Männer zuerst – und mal Viona Harrer. In diesem Fall muss dann eine große Truppe ziemlich lange warten. Und meist lassen die Kollegen der Dame auch den Vortritt. Da mutieren die harten Tölzer Buam zu ganz vorbildlichen Gentlemen.

Spielen mit den Burschen bringt Vorteile

Die Torhüterin ist in dieser Männerwelt aufgewachsen. Es gibt im Nachwuchsbereich keine Mädchenteams, also müssen alle vom Eishockeyvirus infizierten Mädels bei den Buben anfangen. So wachsen sie mit dem höheren Niveau der Burschen auf. Auch die strukturellen Bedingungen sind ein Vorteil. Fixe Spieltermine gibt es da, außerdem findet das Training am Nachmittag statt und nicht am Abend, auf den die Frauenteams oft geschoben werden. Überdies erhöhen die deutlich besseren Zuschauerzahlen den Reiz am Sport.

Von all diesen Dingen profitiert Viona Harrer, die, wie könnte es anders sein, auch privat in Sotschi Zeit mit Männern verbringt: mit dem Vater und dem Großvater, die beim Auftaktspiel gegen Russland natürlich auch auf der Tribüne saßen.

Jetzt geht es für die deutschen Frauen in der Vorrunde noch gegen Schweden und Japan. Und zum Vergleich: die Nationalmannschaft der Männer hat sich erst gar nicht für die Winterspiele qualifiziert. Aber die Jungs aus Bad Tölz, die sind irgendwie doch dabei in Sotschi – und drücken in der Heimat Viona Harrer ganz kräftig die Daumen. Ehrensache.