Deutschlands Eishockey-Team steht zum dritten Mal im WM-Halbfinale. Wie schon 2010 und 2021 ringt die DEB-Auswahl die Schweiz nieder. Am Samstag geht es gegen die USA.
Schon in den Schlusssekunden feierten Deutschlands abgekämpfte Eishockey-Cracks den erneuten Viertelfinal-Coup, die Schweizer NHL-Stars schüttelten ungläubig die Köpfe. Nach 2010 und 2021 darf die deutsche Nationalmannschaft wieder nach einem entscheidenden Erfolg gegen den Erzrivalen Schweiz auf eine WM-Medaille hoffen.
Wie vor zwei Jahren gewann Deutschland am Donnerstag erneut in Riga, diesmal setzte sich die DEB-Auswahl mit 3:1 (1:0, 2:1, 0:0) durch. „So kann es weitergehen“, sagte Kapitän Moritz Müller bei Sport1 und war „total stolz“ auf die Mannschaft. NHL-Stürmer Nico Sturm befand: „Ich glaube, es ist noch viel möglich.“ Für Angreifer Marcel Noebels war es „ein Tag, der nicht besser hätte kommen können“. Die Mannschaft habe es „verdient“, sich endlich mal mit einer Medaille zu belohnen.
Erste WM-Medaille seit 70 Jahren?
Maximilian Kastner (7. Minute) vom EHC Red Bull München und die NHL-Stürmer John-Jason Peterka (38.) und Nico Sturm (39.) schossen die Auswahl von Bundestrainer Harold Kreis ins Halbfinale, wo es am Samstag wieder im finnischen Tampere gegen die USA geht. „Es ist auf jeden Fall ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich will mich jetzt nicht zu früh freuen. Wir wollen so weit kommen wie möglich“, sagte Wojciech Stachowiak bei MagentaSport.
In einer hitzigen und emotionalen Partie verschmerzte das kämpferisch starke deutsche Team auch eine Spieldauer-Disziplinarstrafe für NHL-Verteidiger Moritz Seider. „Einer unser absoluten Topjungs mitten im Spiel zu verlieren, macht was mental. Ich glaube, da hat jeder noch eine Schippe draufgelegt“, sagte Moritz Müller.
Mit dem Sieg brachte das Team des Deutschen Eishockey-Bundes zudem die direkte Olympia-Qualifikation für die Winterspiele 2026 in Mailand unter Dach und Fach. Nun besteht die Chance, erstmals seit 70 Jahren wieder eine WM-Medaille zu gewinnen. Vor 2 Jahren in Riga und vor 13 Jahren bei der Heim-WM war der Versuch jeweils gescheitert. Beide Male war Deutschland am Ende Vierter geworden. 1953 hatte die DEB-Auswahl zuletzt WM-Silber gewonnen, damals hatten allerdings auch nur vier Nationen teilgenommen.
Kreis-Team tritt geschlossen auf
Schon jetzt kann Kreis als Nachfolger von Toni Söderholm auf eine starke WM-Premiere als Chefcoach blicken. Beide vom Verband vorgegebenen Ziele - den Einzug ins Viertelfinale und die Direkt-Qualifikation für Olympia - schaffte Kreis mit seinem Team, obwohl dem 64-Jährigen vor dem Turnier 15 Leistungsträger verletzt abgesagt hatten. Unter anderem sind in Finnland und Lettland diesmal in Leon Draisaitl, Tim Stützle und Philipp Grubauer auch die neben Seider drei besten deutschen NHL-Spieler nicht dabei.
Viele Experten hatten dem aktuellen Kader vor dem Turnier wenig und vor allem dem Angriff kaum Torgefahr zugetraut. Tatsächlich überzeugte das Kreis-Team bislang aber mit großer Geschlossenheit und souveränen Siegen in allen Spielen, die gewonnen werden mussten.
Am Donnerstag war Deutschland erstmals seit dem unglücklichen WM-Auftakt mit knappen Niederlagen gegen Schweden (0:1), Finnland (3:4) und die USA (2:3) wieder als Außenseiter angetreten. Die Schweiz als souveränen Erster der Vorrundengruppe B wurde in der Heimat bereits als „bestes WM-Team der Geschichte“ gefeiert, muss nun aber erneut vorzeitig die Heimreise antreten.
Überraschung im Schweizer Tor
Der Schweizer Coach Patrick Fischer hatte sogar auf seine Nummer eins Leonardo Genoni verzichtet, der bei den vorherigen beiden K.o.-Spiel-Niederlagen 2018 und 2021 im Tor der Eidgenossen gestanden hatte. Für den bei der WM bislang herausragenden Torhüter stand Robert Mayer von Servette Genf im Tor.
Und das war eine Fehlentscheidung von Fischer. Mayer ließ früh einen harmlosen Schuss von Kastner durch die Schoner gleiten und wirkte im ersten Drittel wacklig. „Klar hat man das im Kopf, die werden das auch im Kopf haben“, hatte DEB-Kapitän Moritz Müller vor dem Spiel zu den vorherigen Siegen Deutschlands in K.o-Spielen gegen die Schweiz gesagt. Und tatsächlich war den zuvor in diesem Turnier so starken Eidgenossen plötzliche Unsicherheiten anzumerken. „Ich glaube, wir haben ihnen ein bisschen den Rhythmus aus dem Spiel genommen“, unkte Torschütze Kastner in der Drittelpause bei Sport1.
DEB-Team verteidigt leidenschaftlich
Die Schweiz kam allerdings mit neuem Schwung aus der Kabine und glich durch NHL-Verteidiger Jonas Siegenthaler schnell aus (21.). Danach wurde es hitzig. Drei Überzahlsituationen unter anderem nach Stockschlägen von Andreas Ambühl und Enzo Corvi ließ die DEB-Auswahl ungenutzt. Danach leistete sich Seider sein folgenschweres übles Foul gegen Gäetan Haas. Deutschlands bester Verteidiger war damit aus dem Spiel.
Die Reaktion von Seiders Teamkameraden darauf war indes besonders stark. Eine Klasse-Kombination nach der überstandenen fünf-minütigen Unterzahl schloss Deutschlands WM-Topscorer Peterka erfolgreich ab. Und noch vor der zweiten Drittelpause traf der bei der WM bislang überragende Sturm sogar in Unterzahl.
„Ein Spieler kann ihn nicht ersetzen. Das müssen jetzt die Jungs, die noch übrig sind“, sagte Sturm vor dem Schlussdrittel bei MagentaSport zu Seiders Strafe. Geschlossen und mit viel Kampf und unzähligen geblockten Schüssen brachte sein Team den Sieg tatsächlich über die Zeit.