Auf blankem Eis sind sie kaum zu schlagen: Die Niederländer haben bereits 16 Medaillen gewonnen – und am Dienstag kommt auch noch das Königsrennen über 10 000 Meter.

Sotschi - Gleich am Eingang der Adler-Arena hängt eine Uhr. Sie zeigt nicht nur, wie spät es in Sotschi ist, sondern auch die Uhrzeit an anderen Orten, an denen Eisschnelllauf-Geschichte geschrieben wurde. Eine deutsche Stadt ist nicht dabei. Die Uhr zeigt die Zeit in Nagano/Japan, Calgary/Kanada und in Heerenveen. Die Gemeinde aus der niederländischen Provinz Friesland ist ganz oben aufgeführt, so als hätten die Organisatoren geahnt, was kommt: Oranje dominiert die Sportart bei diesen Spielen, wie selten zuvor ein Land eine Sportart dominiert hat. Selbst die Deutschen das Rodeln nicht.

 

Acht Wettbewerbe hat es bisher gegeben. Von den 24 Medaillen gingen 16 an die Niederländer. Das ist schon jetzt ein Rekord. Die bisherige Bestmarke hielten Österreichs Skifahrer, die 2006 aus Turin 14 Medaillen mit nach Hause nahmen. Dreimal besetzten die niederländischen Eisschnellläufer in der Adler-Arena bisher das gesamte Podium, am Sonntag, über die 1500 Meter der Frauen, stand auch hinter der Vierten das Länderkürzel „NED“, und nicht nur Helge Jasch, der Leiter der deutschen Eisschnelllauf-Delegation, dürfte sich gedacht haben: „Wir können nur von Glück reden, dass nicht fünf Teilnehmer pro Nation starten dürfen.“

Die vielen Medailen passen kaum auf den Bildschirm

In der Adler-Arena wurden auch viele große Flachbildschirme aufgehängt. In den Pausen zeigen sie einen speziellen Medaillenspiegel: den Medaillenspiegel nur für das Eisschnelllaufen. Land für Land wird eingeblendet und neben dem jeweiligen Namen erscheinen dann Plaketten in Gold, Silber oder Bronze. Das ist ziemlich unspektakulär, bis ganz zum Schluss die Niederlande kommen. Die vielen Plaketten, die dann erscheinen, passen schon jetzt kaum noch auf die großen Bildschirme. Egal, wie einer den speziellen Medaillenspiegel auch betrachtet, das Land steht immer überragend da: Es ist gut bei den Frauen, es ist gut bei den Männern, es ist gut über die kurzen Distanzen und über die Mittelstrecken. Und die Herausragenden kommen keineswegs bloß aus einer Generation.

Lotte van Beek, die sich im letzten Paar über 1500 Meter mit der bald 42 Jahre alten Claudia Pechstein duellierte und zu Bronze lief, ist 22. Stefan Groothuis, der Sieger über 1000 Meter bei den Männern, dagegen 32. Alle sind Eisschnelllauf-Profis, die in Privatteams organisiert sind. Ein System, das Athleten eine Absicherung über Zoll, Polizei oder Streitkräfte bietet, gibt es in den Niederlanden nicht. Es gilt unter den Eisschnelllauf-Beobachtern dort auch nicht als effektiv. Die deutschen Eisschnellläufer nehmen sie tendenziell als „Beamten-Sportler“ wahr, als Olympiatouristen, die schon froh sind, wenn sie die Qualifikation für die Spiele schaffen.

In den Niederlanden gilt die nationale Konkurrenz über manche Strecken als härter als die internationale. Das Land durfte nur zehn Eisschnellläufer zu den Winterspielen nach Russland schicken. Viele gute mussten daheim bleiben. Das Land ist im Eisschnelllauf traditionell stark. Aber so stark? Die Konkurrenz staunt nur. „Ich habe das Gefühl, dass nur die Niederländer trainiert haben“, sagt die Russin Jekaterina Lobyschewa, Achte über 1500 Meter.

Kleidungswechsel bei den Amerikanern

Die Amerikaner waren mit besonders großen Ambitionen nach Sotschi gekommen. Sie hatten sich extra neue, besonders aerodynamische Anzüge schneidern lassen, die sie zuvor nie ausgeführt hatten. Aus Angst, die Konkurrenten könnten sich etwas abschauen. Nach einer Woche voller Enttäuschungen streiften sie die neuen Kleider entnervt wieder ab und die gewohnten über. Doch auch damit lief es nicht besser. „Die Niederländer sind einfach tiefer in der Hocke und strengen sich mehr an. Sie laufen schlicht besser“, glaubt Kip Carpenter zu erkennen, der Trainer der Anzugwechsler, dem nicht gefällt, was er bisher zu sehen bekam.

In den Niederlanden ist das anders. Neun Medaillen – das war das Ziel für die gesamte Olympiamannschaft. Nun haben alleine die Eisläufer schon fast doppelt so viele geholt. „Und wir sind noch nicht fertig in Sotschi“, schreibt die Zeitung „Algemeen Dagblad“. Es klingt fast wie eine Drohung. „De Telegraaf“ sieht einen „Februar, den man nie mehr vergessen wird“ und der die Wahrnehmung des ganzen Landes in aller Welt ändern könnte: „Neben Tulpen, Tomaten, Deichen und Alten Meistern geht es jetzt mit Frauen und Männern mit Muskeln aus Stahl.“ Dass es auch verbotene Mittel gibt, die Muskeln zu Stahlhärte reifen lassen können, geht in all den Schwärmereien ein wenig unter.

Die nächste Gelegenheit der Niederländer, das gesamte Podium zu besetzten, bietet sich heute. Dann stehen die 10 000 Meter an, das Königsrennen. Die Favoriten heißen: Sven Kramer, Jorrit Bergsma und Bob de Jong. Die drei präsentierten sich bisher in einer so furchterregenden Form, dass die Norweger ihr Mitwirken über die Distanz abgesagt haben. Sie wollen Kräfte sparen für den Teamlauf.