Streit und Gewalt seien nicht das letzte Wort, sagt der neue EKD-Chef – und erinnert deshalb in seiner Weihnachtsansprache auch an den Weihnachtsfrieden 1914.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart- - Die Sehnsucht nach Sinn, gelingenden Beziehungen und Frieden treibe die Menschen an Weihnachten massenhaft in die Kirchen, sagt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Wer diese Hoffnung verspüre, habe Weihnachten verstanden. Er mahnt auch ein besseres Miteinander der Religionen an und verurteilt die Burka-Debatte.

 
Herr Bedford-Strohm, war für Sie die Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden im Voraus ein Weihnachtsgeschenk?
Keineswegs. Weihnachtsgeschenke gibt es zum Fest. Für mich ist das größte Präsent dabei die Zeit mit meiner Familie.
Wie gestalten Sie als oberster EKD-Repräsentant Ihr Weihnachtsfest?
Ich werde mit Menschen, die in schwierigen sozialen Lagen sind, einen Gottesdienst feiern und hernach mithelfen, Schweinebraten auszuteilen. Dann komme ich mit Flüchtlingen zusammen und feiere mit ihnen Gottesdienst, am ersten Feiertag predige ich in dem festlichen Weihnachtsgottesdienst in meiner Bischofskirche. Daneben verbringe ich Zeit mit meiner Frau, den drei erwachsenen Söhnen, afrikanischen Freunden und besuche meine Eltern in Passau.
Haben Sie da Terminstress durch die Gottesdienste?
Die Gottesdienste sind kein Stress. Sie geben mir Kraft.
Warum sind die Gottesdienste nur an Weihnachten voll?
Die Menschen strömen in die Kirchen, weil sie mit dem Fest nicht nur Kommerz und Kaufhaus verbinden. Sie haben eine tiefe Sehnsucht nach gelingenden Beziehungen und Frieden. Die Weihnachtsbotschaft antwortet darauf. Sie gibt Hoffnung, dass Gewalt und Streit nicht das letzte Wort haben wird. Wer diese Hoffnung spürt, hat Weihnachten verstanden.
Wie nehmen die Pfarrer diese Sehnsucht angemessen auf?
Indem sie die Weihnachtsgeschichte lesen und sie auf heute übertragen. Was diese Hoffnung heißt, kann man an vielen Orten sehen, etwa im Nahen Osten, wo keine Lösung in Sicht zu sein scheint, aber auch in Europa. Ich selbst werde darüber predigen, dass 1914 im Weltkrieg deutsche und englische Soldaten die Waffen niederlegten und sich Geschenke brachten. An diese Szene sollten wir uns erinnern, um zu verstehen, welcher Segen es ist, dass die damaligen Gegner im Krieg heute im Europaparlament friedlich miteinander Politik machen. Gerade in der Ukraine-Krise können wir lernen, dass wir auch in schwierigen Situationen im Gespräch bleiben müssen.
Kommen nicht viele Menschen aus Gewohnheit in den Weihnachtsgottesdienst?
Diese Annahme ist eine unzulässige Unterstellung. Die Menschen sind auf der Suche nach Sinn und treffen damit den Kern der Weihnachtsbotschaft. Diese Botschaft will die Leere im Leben, die Sinnlosigkeit, die Zwietracht überwinden.