Der Grünen-Politiker Cohn-Bendit hat angeboten, auf den Theodor-Heuss-Preis zu verzichten. Er reagiert damit auf die Entscheidung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, den Festvortrag abzusagen.

Stuttgart - Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hat angeboten, auf den Theodor-Heuss-Preis 2013 zu verzichten. Er reagiert damit auf die Entscheidung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, den Festvortrag während der Preisverleihung in Stuttgart abzusagen. Voßkuhle wiederum begründete seine Absage mit einer – seit langem bekannten – „nicht unproblematischen“ Äußerung Cohn-Behndits zur Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern im Jahr 1975. Cohn-Bendit hatte damals in dem Buch „Großer Basar“ , das sich im wesentlichen mit seiner Zeit als linker Studentenführer beschäftigt, geschrieben, fünfjährige Mädchen hätten ihn in Kinderläden, in denen er gearbeitet hatte, „angemacht“. Er beschreibt Handlungen, die als sexuell motiviert interpretiert werden können. Die kurze Passage erregte seinerzeit keinerlei Aufsehen. Erst 2001 kam es zu einer öffentlichen Debatte. Cohn-Bendit bestritt vehement sexuellen Missbrauch von Kindern. Er habe mit dem Buch zuspitzen und provozieren wollen.

 

Cohn-Bendit war 1968 ein führender Kopf der französischen Studentenbewegung. Es folgten die „Sponti-Jahre“ in Frankfurt, wo er gemeinsam mit dem späteren Außenminister Joschka Fischer versuchte, Arbeiter zu mobilisieren. Er engagierte sich als Erzieher in anti-autoritären Kinderläden. Weder damals noch in den Jahren um 2001 wurden Vorwürfe bekannt, dass er gegen Kinder übergriffig geworden sei. Eltern bestritten dies nachdrücklich und verteidigten ihn. In den Jahren nach 1978 wandelte sich Cohn-Bendit zum Realpolitiker bei den Grünen. Politisches Ansehen über Parteigrenzen hinweg gewann er insbesondere durch seine Arbeit im Europäischen Parlament seit 1994.

Keine Festrede mehr geplant

Die Theodor-Heuss-Stiftung ist eine überparteiliche und renommierte Institution. Sie gewann bereits Anfang 2012 den Verfassungsgerichtspräsidenten als Festredner, nicht als Laudator anlässlich der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises im April 2013 in Stuttgart. Voßkuhles Thema lautete: „Neue Wege in der Demokratie“. Erst im November 2012 nominierten Kuratorium und Vorstand der Stiftung Cohn-Bendit zum Preisträger des Jahres 2013. Solche Entscheidungen fallen, so Geschäftsführerin Birgitta Reinhardt, stets mit großer Mehrheit. In dem Kuratorium sitzt auch die frühere Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach.

Die Stiftung würdigte Cohn-Bendits „langjähriges Engagement als Ideengeber und Politiker“, der auf Veränderung en eingehe und Lösungen suche. Ob dessen Äußerung aus dem Jahr 1975 dabei thematisiert wurde, konnte Reinhardt nicht sagen. Am 27. Dezember 2012 informierte die Stiftung Voßkuhle über den Preisträger. Am 23. Januar wurde die Öffentlichkeit informiert.

Am Dienstag dieser Woche erhielt die Stiftung einen Anruf von Voßkuhles Büro, nicht vom Präsidenten selbst, in dem die Absage mitgeteilt wurde. Ein Brief Voßkuhles lag bis gestern nicht vor. Eine Festrede wird es bei der Preisverleihung nun nicht geben. Ludwig Theodor Heuss, der Enkel von Theodor Heuss werde bei diesem Anlass auf das Thema aber eingehen, so Reinhardt. Eine Sondersitzung der Gremien ist bisher nicht geplant.

Cohn-Bendit will sich für alte Vorwürfe nicht mehr rechtfertigen

Das Bundesverfassungsgericht erklärt dazu: „In den vergangenen Wochen haben Bürgerinnen und Bürger dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht, dass sich Herr Cohn-Bendit in einer Veröffentlichung Mitte der siebziger Jahre in nicht unproblematischer Weise zur Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern geäußert hat.“ Das Gericht sei „in ganz besonderer Weise gehalten, jeden Anschein zu vermeiden, es würde solche Aussagen billigen“. Mit der Absage sei „eine Bewertung der Verdienste“ von Cohn-Bendit in keiner Weise verbunden.

Cohn-Bendit sagte der „Stuttgarter Zeitung“ zur Absage Voßkuhles: „Es ist nicht meine Aufgabe zu verstehen, was er macht und was nicht.“ Er freue sich über den Preis, „wenn es für die Heuss-Stiftung jetzt aber zu kompliziert geworden sein sollte, mir diesen Preis zu verleihen, biete ich ihr gerne an, auf den Preis zu verzichten. Ich wäre der Stiftung nicht böse. Mein Leben hängt nicht an diesem Preis.“ Er wolle deshalb mit der Stiftung reden. Zu den alten Vorwürfen sagte Cohn-Bendit: „Ich habe keinen Bock mehr, mich wegen dieser alten Sache immer wieder rechtfertigen zu müssen.“ Es handele sich um eine irrationale Debatte, „und ich werde es nicht schaffen, sie zu rationalisieren.“