Der Österreicher Marcus Füreder ist unter dem Künstlernamen Parov Stelar einer der Pioniere des Electro-Swing. Beim Festival Jazz Open tritt der Klangtüftler mit Band auf dem Schlossplatz auf.

Stuttgart - Parov Stelar hat den Swing zurückgebracht auf die Tanzflächen, in seinen Videos sind Solotänzer zu sehen. Zuletzt hat er mit einem Remix des Titelsongs der Serie „Babylon Berlin“ für Aufsehen gesorgt.

 

Herr Füreder, der Swing kommt in Wellen immer wieder – was hat Sie bewogen, ihn mit elektronischen Beats zu unterlegen?

Im Endeffekt war’s ein Unfall. Ich habe mich immer intensiv mit Sampling beschäftigt und als alter Flohmarktgänger LPs von Künstlern wie Billie Holiday gekauft. Aus denen habe ich Loops rausgezogen, das war der Startpunkt für diesen alten, kratzigen, swingingen Sound mit elektronischen Beats. Man zerstückelt das, und wenn man mal einen strikten Viervierteltakt auf den triolischen Rhythmus legt, ändert sich einiges. Für mich ist wichtig, dass die Lebensfreude und die Energie des Swing erhalten bleiben.

Hören Sie privat viel Swing?

Ich bin gar kein so großer Fan, ich laufe in der Freizeit nicht wie Fred Astaire herum. Es ging mir gar nicht um den Swing an sich, ich komme komplett aus der elektronischen Ecke. Da treffen Sachen aufeinander, die sonst wenig miteinander zu tun haben, kühler Synthesizer und analoge Musik. Aber Swing war frech, das waren die ersten Raves.

Was war Ihr musikalischer Hintergrund?

Ich habe gar keinen und spät begonnen, ich war immer in der bildenden Kunst. Das mit der Musik war am Anfang auch eher ein Kunstprojekt. Es hat mir Spaß gemacht, zu experimentieren, ich habe alles falsch gemacht, was geht. Mein Schlagzeuglehrer hat gesagt: Du machst Dinge, die man nicht zusammen macht, doch es klang komischerweise gut, das war meine Chance. Ich konnte etwas wirklich Neues kreieren, weil ich keinen Regeln unterworfen war. Bei mir gab es kein Ausschlussverfahren, ich habe einfach gemacht.

Hat Ihre Musik eine Verbindung zur Kunst?

Ich hab immer Bilder im Kopf zur Musik, ich male eines für jedes neue Stück. Viele Maler suchen sich eine andere Spielwiese, weil sie Dinge ausdrücken wollen, die ein zweidimensionales Bild nicht hergibt. Ich habe eine komplette Ausstellung fürs neue Album. Es ist das Schönste, im Atelier zu stehen, voller Dreck rauszukommen und etwas geschafft zu haben. Aus dem Studio kommt man nur müder raus mit tauben Ohren und hat Nullen und Einsen auf der Festplatte.

Wieso eigentlich Parov Stelar?

Das ist ein Fantasiename, der ist mir einfach irgendwann eingefallen.

Wann haben Sie beschlossen, dass Sie eine Live-Band brauchen?

Das war eine ganz egoistische Entscheidung. Die ersten Jahre war ich als DJ den ganzen Tag alleine unterwegs und irgendwann dachte ich: Es wäre doch cool, eine Gang zu haben und gemeinsam die Welt unsicher zu machen. Ich habe auch erkannt, dass es bei einer Live-Show mindestens zu 50 Prozent ums Schauen geht. Wenn Leute auf der Bühne schwitzen, entsteht eine ganz andere Verbindung zum Publikum, als wenn ich als DJ alleine da oben stehe.

Ihre langjährige Sängerin Cleo Panther ist in diesem Jahr ausgestiegen. Was ist passiert?

Es ist ein harter Job und ich merke selbst, dass ich oft an Grenzen stoße und mich nach einem normalen Leben sehne. Sie war acht Jahre dabei, jetzt ist sie Ende 30 und möchte vielleicht noch eine Familie gründen. Mit 45 steht man dann womöglich alleine da.

Wie haben Sie die Moldawierin Elena Karafzi als neue Sängerin gefunden?

Das gab es tatsächlich ein Casting. Wir haben Demos aus aller Welt bekommen, sogar aus Australien. Wir haben drei Kandidatinnen ausgewählt, von denen wir glaubten, dass sie dazupassen könnten.

Sie haben einen Remix von „Zu Asche, zu Staub“ gemacht, dem Titelsong der Serie „Babylon Berlin“. Wie kam das zustande?

Die kamen auf mich zu und ich fand das auch cool. Ich dachte, die wünschen sich Elektro-Swing, aber ich war sehr frei und habe eine ganz andere Anmutung probiert. Das ist eine völlig untypische Nummer, um sie in ein Dance-Konzept zu bringen, das Tempo variiert, und ich hab auch ein bisschen gebraucht. Man muss das Original erkennen können in dem, was es ausmacht, das war in diesem Fall durch die Gesangslinie gegeben.

Bei Jazz Open spielt vor ihnen das Moka Efti Orchestra aus der Serie – planen sie, etwas gemeinsam zu machen?

Da müssten wir proben, das ist im Moment nicht geplant. Vielleicht kommt es zu einer kleinen Jam Session. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, die mal persönlich zu treffen. Bei Swingbands besteht immer die Gefahr, dass sie leicht cheesy werden, bei ihnen aber nicht, denn sie sind authentisch und haben die nötige Portion Mut.

Sie haben 2001 angefangen – war das schwierig mit der damaligen Technik?

Früher habe ich mit so wenig Spuren wie möglich gearbeitet, weil sonst der Rechner abgestürzt ist. Heute gibt es keine Grenzen mehr. Ich muss immer lachen über die großen Tonstudios, die sind nur noch zur Show da. In Wahrheit wird alles digital gemacht, ein Rechner und zwei Boxen genügen. Heute können viel mehr Leute Musik machen als früher. Eines ist mir aber aufgefallen: Alle wollten plötzlich lauter werden, um herauszustechen, und das geht auf Kosten des Sounds – man hat dann eine Prügelorgie und keine Dynamik mehr. Bei manchen Songs hat man das Gefühl, da werden die Lautsprecher abgeschlachtet.

Was hat sich im Geschäft verändert?

Ich habe zwei Alben bei Major-Labels gemacht, aber schnell gesehen: Mir ist der künstlerische Aspekt immer wichtiger als der kommerzielle. Wer sich keine Zeit mehr nehmen möchte für ein Intro ist nicht meine Zielgruppe. Ohne Label hat man nur das Problem: Wie erreicht man seine Zuhörer? Kaum jemand steht mehr im Plattenladen und stöbert, alle suchen auf Spotify, dort muss man in Playlists kommen. Ich glorifiziere die Vergangenheit nicht, ich liebe Vinyl, aber auch das Streaming. Nur eins fehlt mir: mein Plattenhändler. Der kannte meinen Geschmack und hat mir einen Stapel gemacht, so bin ich an Stücke gekommen, die mir ein Algorithmus nicht vorschlagen würde. Das hatte eine andere Qualität.