Eine Studie zeigt: Elefanten legen auf der Anlage jeden Tag lange Strecken zurück. Das Ergebnsi überrascht sogar die Fachwelt.

Heidelberg - Gut haben sie es in diesen Tagen, die jungen Elefantenbullen im Heidelberger Zoo. Sie sind fast nicht wegzukriegen von ihrem Wasserbecken. Tarak (13), Gandi (12), Yanandar (9) und Ludwig (6), einer nach dem andern stapfen die Asiatischen Elefanten los und gleiten ins kühle Nass. Kopfüber, kopfunter schaukeln sie hin und her, schnauben und blasen, bis am Ende nur noch ihre Rüssel aus dem Wasser herausragen. „Cool ist das, die tauchen ja richtig“, staunt lachend ein kleiner Besucher. „Das geht hier so über Stunden, den ganzen Tag, rein und raus: Baden, eine Sanddusche, einmal im benachbarten Schlammloch wälzen, dann ein Weile in der Sonne herumstehen oder -liegen – und wieder hinein ins Wasser“, sagt der Biologe Frederik Linti. Ohne dass es ihren Betreuern oder Besuchern bisher besonders aufgefallen wäre, legen die Tiere dabei zugleich erstaunlich lange Wege zurück: 6,4 Kilometer wandern sie im Schnitt Tag für Tag auf der Anlage herum, der Spitzenreiter war einmal sogar 11,6 Kilometer auf Achse, hat der junge Wissenschaftler herausgefunden.

 

Mit GPS-Senders das Sozialverhalten unersucht

Für seine Masterarbeit hat er die Heidelberger Dickhäuter ein halbes Jahr lang „fast minutiös“ beobachtet. Er hat ihre Sozialstruktur und ihr Sozialverhalten eingehend untersucht und mit GPS-Sendern aufwendig gemessen, wie viel sie sich bewegen und wo sie sich am häufigsten aufhalten. Das Ergebnis hat am Ende selbst die Kuratorin des Tierparks, Sandra Reichler, überrascht. „Dass sich unsere Elefanten so viel bewegen, hätte ich nicht gedacht. Das sind ja vergleichbare Strecken, wie sie die Tiere auch in der Natur zurücklegen“, sagt die Zoologin. Auch sie habe in der Vergangenheit bei Führungen häufig gesagt, dass sich die Tiere im Zoo weniger bewegen, weil sie weniger weite Wege hätten, um Futter, Wasser oder einen Partner zu finden. „Das war bisher der gängige Tenor, auch in der Fachwelt“, sagt Reichler. „Dabei gab es dafür bisher allerdings keine wirklich zuverlässigen Daten.“

Per App lassen sich die Laufwege der Dickhäuter verfolgen

Die hat Linti mit seiner Masterarbeit nun geliefert. „Das Schwierigste war es, erst einmal eine Methode zu finden, um die Wege der Elefanten zu verfolgen“, sagt der Biologe. „In freier Wildbahn sind Forscher dafür den Tieren nachgefahren. In einem Zoo in Australien haben Wissenschaftler eine Kamera aufgehängt, um mehr über das Bewegungsverhalten zu erfahren. Doch das war mir zu altmodisch“, sagt der Heidelberger Biologe. Er hat sich stattdessen für GPS-Sender entschieden. Sie registrieren den Standort der Elefanten alle 30 Sekunden, mithilfe einer App lassen sich die Laufwege am Handy verfolgen.

Er hat allerdings einige Zeit gebraucht, um einen gangbaren Weg zu finden, die Sender anzubringen, ohne dass die jungen Schwergewichte sie abschütteln oder zertreten konnten. Versuche, sie am Schwanz zu befestigen, haben die Elefanten rasch zunichte gemacht. „Da haben sie gleich beieinander Hilfe geholt und sie sich gegenseitig abgemacht“, berichtet Linti. Am Ende haben Linti und die Tierpfleger die Sender, wasserdicht in einer Plastikschale geschützt, in einen Feuerwehrschlauch gesteckt und daraus ein flexibles Fußband gemacht. Das lassen sich die Elefanten seitdem freiwillig anlegen.

Für seine Arbeit hat Frederik Linti nicht nur viele Tage, sondern auch viele Nächte auf der Anlage und im Elefantenhaus im Heidelberger Zoo verbracht. Dabei hat er unter anderem festgestellt, dass die jungen Bullen nicht nur tagsüber, sondern auch nachts gern beieinander sind. „Bis ein Uhr morgens sind sie aktiv, gehen raus aus ihrem Haus – zum Baden und Spielen oder einem Rundgang über die Anlage. Erst danach legen sie sich für einige Stündchen zur Ruhe – nicht unbedingt in die eigene Box, sondern gern auch auf einem Haufen“, sagt der Biologe.

Die Hälfte des Tages verbringen Elefanten mit Fressen

40 bis 50 Prozent ihrer Zeit, hat er festgestellt, verbringen sie mit Fressen. Mit der Fütterung sorgen die Pfleger zugleich dafür, dass die Bewegung nicht zu kurz kommt. Statt ihren Schützlingen das Futter bequem zu servieren, verteilen sie es mehrmals am Tag aufwendig auf der ganzen Anlage: Sie verstecken es in Betonröhren oder -kugeln mit kleinen Öffnungen, hängen es in Netzen und Kanistern hoch über ihren Köpfen auf, so dass sich die Zoo-Elefanten ihr Laub, ihr Heu oder ihre Möhren fast so aufwendig erarbeiten müssen wie ihre Artgenossen im Freiland. „Dadurch laufen sie genug und sind körperlich in einer guten Verfassung“, erklärt Linti. Seit dem Abschluss seiner Masterarbeit arbeitet er als Volontär im Zoo und setzt seine Messungen fort. Am liebsten würde er auch seine Doktorarbeit über Elefanten machen.

Haltung

Junge männliche Elefanten werden in der Regel im Alter von fünf oder sechs Jahren aus den matriarchalisch-geprägten Herden der Elefantenkühe hinausgedrängt. In der Natur schließen sie sich dann in sogenannten Junggesellengruppen zusammen, fechten ihre Rangkämpfe untereinander aus, lernen voneinander und wachsen gemeinsam heran. Weil sie rauflustiger und weniger anpassungswillig sind als Elefantenmädchen, galt die Haltung junger Bullen lange als schwierig. Erst 2010 hat der Heidelberger Zoo – als erster in Deutschland – eine Gruppe mit vier Tieren aufgebaut. Das Experiment hat sich erfolgreich entwickelt. Zwei der Gründungsmitglieder haben die WG altersbedingt schon wieder verlassen, der erste der Bullen hat im Zoo von Zürich bereits Nachwuchs gezeugt.

Forschung

Neben Erholung, Bildung und Artenschutz sehen Zoos auch Forschung als eine wichtige Aufgabe an, um mehr Informationen über Haltung, Fütterung oder den Aufbau von Zuchtprogrammen zu erlangen. „Ein Problem ist dabei die Finanzierung, weil wir dafür keine eigenen Mittel haben und die Universitäten als mögliche Kooperationspartner kaum noch klassische Zoologen ausbilden“, sagt die Heidelberger Kuratorin Sandra Reichler mit Bedauern. „Es wäre deshalb schön, wenn wir dafür mehr Unterstützer fänden.“

Weltelefantentag

Am kommenden Sonntag ist der internationale Weltelefantentag. Der Heidelberg Zoo lädt eine begrenzte Zahl von Besuchern mit einem Sonderticket zu einer Abendveranstaltung ein. Von 18.30 bis 21.30 Uhr gibt es für die Teilnehmer viele Informationen zum Thema, einen Blick hinter die Kulissen des Elefantenhauses, Äpfel zum Füttern der Tiere und einen Sektempfang für die Besucher – Anmeldung unter info@zoo-heidelberg.de oder Telefon 0 62 21 / 6 45 50.