Christa Schultheiß fährt Tuktuk in Marbach (Kreis Ludwigsburg). Auf drei Rädern und mit E-Motor kutschiert sie seit zehn Jahren Menschen auf etwas anderen Stadtführungen.

Ludwigsburg: Sandra Lesacher (sl)

Das knallrote Tuk Tuk ist nicht zu übersehen, wenn es durch die Altstadt von Marbach tuckert. Überhören könnte man es. Es macht keinen Krach wie seine asiatischen Vorbilder, sondern schnurrt elektrisch betrieben ganz leise vor sich hin. Zudem ist es ein bisschen größer als das Original. Hinter der Fahrerin finden gemütlich vier Erwachsene Platz, und das ist auch gut so: Denn dieses knallrote Tuk Tuk befördert Leute durch die Stadt, die sich Marbach mal aus einer anderen Perspektive anschauen wollen.

 

Die Frau, die hinter Tuk Tuk Tours steckt, ist Christa Schultheiß. Seit zehn Jahren bietet sie Stadtführungen mit dem E-Tuk Tuk an. Wenn man mit ihr darüber spricht oder mit ihr im Tuk Tuk sitzt, merkt man, dass das genau ihr Ding ist. „Tuk Tuk, das ist Christa pur“, sagt sie selbst. Die Touren auszuarbeiten, die Gäste durch die Altstadt-Gassen und durch die Weinberge zu fahren – die Kontakte, Geschichten und Momente sind es, die die 56-jährige Marbacherin berühren und antreiben.

Ganz entspannt im Tuk Tuk auf Tour

Die Fahrten verlaufen – anders als man es vielleicht aus Großstädten in Asien kennt – ganz ruhig. Das liegt nicht nur am E-Antrieb und an Christa Schultheiß’ generell sehr ruhigen Art, sondern auch an ihrem Fahrstil. „Ich fahr halt nicht wie Sau“, sagt sie lachend. Im Gegenteil. Es wird sich angeschnallt und ganz sanft gestartet. Ein bisschen holpert es auf dem Kopfsteinpflaster, ansonsten geht es gemächlich, sicher und leise voran.

Christa Schultheiß erzählt derweil Wissenswertes, Bezauberndes und Lustiges über Marbach. Etwa die Geschichte über die Menschen in den Holdergassen, die nicht selten vor ihren hübschen Häusern sitzen und den Tuk Tuk-Reisenden winken. „Einmal wurde ich von einem Gast gefragt, ob die Bewohner da Geld von der Stadt dafür bekommen. Sie sitzen aber einfach nur da, weil sie es auch schön finden.“

2015 Jahren startete Christa Schultheiß (links) ihre erste Tour (im Foto mit ihrer Frau Sonja Schultheiß). Foto: Archiv (Dominik Thewes)

Wer die entsprechende Tour bucht, bekommt auch noch ein Gläschen Secco oder Wein – zum Beispiel am schönen Aussichtspunkt in den Weinbergen über Marbach mit Blick auf die bildhübsche Altstadt, ihre Gassen und Fachwerkhäuser. Zuvor ist man genau da im roten Tuk Tuk von Christa Schultheiß durchgefahren worden, über die Schillerhöhe mit ihren Museen, durch die malerischen Holdergassen, vorbei an Schillers Geburtshaus und der spätgotischen Alexanderkirche. Auf dem Weg zurück tuckert das Tuk Tuk dann unter anderem die steilste Straße der Altstadt hinauf – ein kleiner Hui-Moment, bei dem man in den Sitz gedrückt wird und der einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und es ist spätestens der Punkt des Ausflugs, an dem man es sehr zu schätzen weiß, dass man sich kutschieren lässt und nicht zu Fuß geht.

Marbachs hügelige Topografie war mit einer der Gründe, warum Christa Schultheiß aufs Tuk Tuk kam. In ihrem damaligen Job bei einer Krankenkasse war sie nicht glücklich und hat nach einer Idee gesucht, wie sie ihr Herzensthema, den Tourismus, irgendwie ausleben kann. Dann stieß die gelernte Reiseverkehrskauffrau und Gärtnerin im Internet auf das Tuktuk.

Ein ungewöhnliches Fahrzeug, das in Europa kaum gesichtet wird, gepaart mit dem Gedanken, dass manch ein Besucher in Marbach nicht gut genug zu Fuß ist, um überall hinzukommen. „In die Idee habe ich mich verliebt“, sagt Christa Schultheiß, die gemeinsam mit ihrer Frau Sonja in Marbach auch ein Ferienhäusle betreibt. Sonja Schultheiß ist es auch zu verdanken, dass es Tuk Tuk Tours überhaupt gibt. Sie sagte nämlich nur: „Du, das hört sich gut an. Das könnte klappen.“ Christa Schultheiß war zuvor unsicher. „Aber als Sonja das sagte, wusste ich, dass meine Idee nicht verrückt ist.“

Das ist jetzt zehn Jahre her. Christa Schultheiß startete 2015 mit dem knallroten Tuk Tuk namens „Chilli“ ihre Touren. „Chilli“ wurde aus Thailand importiert, wie es sich für ein Tuk Tuk gehört. Per Schiff kam es nach Europa und bekam in Holland einen Elektromotor. Ein Jahr später kam „Pepper“ dazu, ein schwarzes E-Tuk Tuk mit roten Sitzen.

Zwei Tuk Tuks deshalb, weil die Touren dann auch mit mehr als vier Gästen möglich sind. Bis zu neun Personen können dann gemeinsam mit Christa Schultheiß Marbach erleben. Einer der Teilnehmer darf dann selbst ans Steuer des zweiten Tuk Tuks.

Tuk Tuk Tours: 3500 Gäste und 23 000 Kilometer

Und so hat die Tuktuk-Frau seither rund 3500 Gäste durch die Schillerstadt chauffiert, egal ob in größeren Gruppen mit „Chilli“ und „Pepper“, oder in Zweierpaaren, zum Beispiel romantisch in Richtung Sonnenuntergang. 23 000 Kilometer waren die beiden Fahrzeuge inzwischen unterwegs.

Christa Schultheiß schafft mit ihren Tuk Tuks Momente für Menschen. Sie erinnert sich etwa an ihre älteste Mitfahrerin. Die Dame hatte die Fahrt zum 98. Geburtstag bekommen, heute ist sie 105 Jahre alt. Oder an die Tochter mit ihrem Vater, die bis von Hamburg nach Marbach kamen, weil der Papa so gerne Tuk Tuk fährt. Oder an das eine oder andere Hochzeitspaar, das das Tuk Tuk zum Brautauto machte.

„Es berührt mich, dabei gewesen zu sein“, sagt die Marbacherin. Gerade startet sie das knallrote Tuk Tuk einmal wieder vor dem Rathaus. Eine Gruppe Frauen hat einen Geburtstag zu feiern und lässt sich von Christa Schultheiß und „Chilli“ in den Sonnenuntergang über den Weinbergen fahren.