Damit die Jobs bei Daimler auch im Zeitalter der Elektromobilität sicher sind, fordert der Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht mehr eigene Fertigung.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Der Pariser Autosalon steht ganz im Zeichen der Elektromobilität. Getrieben vom amerikanischen Elektropionier Tesla und beschleunigt durch die Dieselkrise will auch Daimler in die Elektro-Offensive gehen. Das geht an der Belegschaft nicht spurlos vorüber, sagt Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef von Daimler.

 
Herr Brecht, ist Daimler mit seiner nun vorgestellten Elektrostrategie fit für die Zukunft?
Die Elektromodelle, die wir nun auf den Markt bringen werden, sind sehr attraktiv. Davon bin ich absolut überzeugt. Sie müssen auch den Kundenwünschen entsprechen, sonst hätten wir auf längere Sicht bei Daimler ein echtes Überlebensproblem. Darüber hinaus müssen wir nun aber auch daran arbeiten, eine eigene Produktion von Elektromotoren zu etablieren. Wir fertigen Elektromotoren in unserem Joint Venture mit Bosch EM-motive in Hildesheim. Wenn mit steigender Nachfrage bei der Elektromobilität der Bedarf an Elektromotoren allerdings größer wird, während wir bei den herkömmlichen Verbrennungsmotoren kein Wachstum mehr verzeichnen, würden wir ohne eigene Fertigung von Elektromotoren und Komponenten Stück für Stück Beschäftigung verlieren.
Was ist zu tun?
Wir müssen die Produktion von Elektromotoren in unsere bisherige Motorenproduktion integrieren. Ich will an dieser Stelle keine Panik verbreiten. Aber es ist wichtig, den Finger in die Wunde zu legen. Welche Standorte ansonsten in welchem Maß betroffen sind, soll eine Studie zeigen, deren Ergebnisse wir Mitte nächsten Jahres erwarten.
Vor welche Herausforderungen stellt das die Mitarbeiter, die ihr ganzes bisheriges Berufsleben Verbrennungsmotoren entwickelt und gebaut haben?
Bereitschaft zur Veränderung wird von jedem gefordert sein – immer häufiger und immer tiefergehender. Nicht nur durch Elektromobilität, auch die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung werden die Aufgaben und Arbeitsplätze der Beschäftigten – ja ganze Berufsbilder – verändern. Damit die Mannschaft da engagiert mitgeht, sich qualifiziert et cetera braucht es einen sicheren Rahmen. Das heißt, es muss klar sein, dass die Arbeitsplätze trotz aller Herausforderungen sicher sind. Das verlangt seitens des Unternehmens Zusagen für Investitionen, für Entwicklungs- und Fertigungsumfänge.
Daimler hat ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben. Ab 2020 soll jährlich eine wachsende sechsstellige Zahl an E-Fahrzeugen verkauft werden. Ist das realistisch?
Wir können nicht mehr tun, als gute Fahrzeuge anzubieten. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt auch davon ab, ob die Kunden bis dahin die entsprechende Ladeinfrastruktur vorfinden. Mich stört, dass die Politik oft den Autoherstellern den schwarzen Peter zuschiebt, wenn es darum geht, dass sich die Elektromobilität nicht schnell genug verbreitet. Die Politik hat nicht nur im Hinblick auf die Ladesäulen Nachholbedarf, sondern auch hinsichtlich der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien dafür. Wir treiben die Elektromobilität ja nicht voran, weil sie toller und besser ist als andere Antriebsformen, sondern vor allem aus Umweltgesichtspunkten.
Die deutschen Hersteller nennen ihre reichweitenstarken E-Modelle gern Tesla-Jäger. Was kann Daimler von Tesla lernen?
Bislang war Tesla in einem Preissegment unterwegs, das sich nur ein kleiner Bruchteil von Kunden leisten kann. Es gibt ja bislang keinen Tesla unter 100 000 Euro. Tesla hat gezeigt, dass die Nachfrage sprunghaft steigt mit einer Variante, die sich auch die Mittelschicht leisten kann. Außerdem versteht es Tesla-Chef Elon Musk schon gut, Produkte zu vermarkten, sonst würde es ihm nicht gelingen, immer wieder Milliarden an Investorengeldern einzusammeln, ohne bislang Geld verdient zu haben.