Trotz der angekündigten Prämie für E-Autos ist die Akzeptanz der Stromflitzer auf dem Land gering. So manche kommunale Initiative in Baden-Württemberg schränkt ihr Angebot ein oder gibt gleich ganz auf.

Horb/Salem - Was in Drucksache 038/2016 des Horber Gemeinderats vermerkt ist, liest sich wie ein Abgesang auf eine noch gar nicht begonnene Ära der Mobilität. Das Interesse der Bürger am gerade erst mit viel Tamtam eingeführten Car-Sharing-Konzept der baden-württembergischen Kleinstadt am Neckar sei mau. Die Anmeldezahlen für die insgesamt vier Gemeinschaftsfahrzeuge lägen „weit unter der Kostendeckungsgrenze“, heißt es in einem knapp zweiseitigen Memo der Stadtväter. Trotz intensiver Werbung auf Bürgerversammlungen, Festen und Empfängen hätten sich nach mehreren Monaten gerade einmal zwölf Bürger für einen der schicken Stadtflitzer – eines davon ist davon ein neues Elektromobil – registriert. In den ersten acht Monaten hätten nur 16 Prozent der Fixkosten hereingeholt werden können, konstatieren die Kämmerer mit einigem Frust und stellen fest: Auf dieser Grundlage können „Car-Sharing-Konzepte im ländlichen Raum auf absehbare Zeit nicht wirtschaftlich betrieben werden“.

 

Als Konsequenz hat die Gemeinde das Carsharing-Angebot mittlerweile halbiert. Und Ende August ist ganz Schluss. Die entsprechenden Verträge mit Projektpartnern werden dann gekündigt. Damit endet in dem 5000-Einwohnerstädtchen Horb die automobile Zukunft, wie sie sich Verkehrsplaner gerne vorstellen. Der Traum, mithilfe des Teilens von Automobilen und des Einsatzes umweltschonender Technologie dem Verkehr als zweitgrößtem Verursacher von CO2-Emissionen den Garaus zu machen, ist erst einmal ausgeträumt.

Horb, Ingelfingen, Salem – überall werden E-Autos ausgemustert

Die kleine Gemeinde Horb an den Ufern des Neckars ist kein Einzelfall. Von Nord bis Süd kämpfen Carsharing-Konzepte, insbesondere solche die Elektrofahrzeuge nutzen, mit Problemen. Anders als in Großstädten könnten Elektroautos auf dem flachen Land in den allermeisten Fällen „noch nicht wirtschaftlich betrieben werden“, sagt Anita Gaiser vom Tübinger Car-Sharing-Anbieter Teil-Auto. Die Akzeptanz sei bei den Kunden deutlich geringer als für normale Fahrzeuge, die etwa durch höhere Reichweiten punkten. Von den 130 Fahrzeugen, die Teil-Auto verwaltet, sind nach dem Wegfall des Horber E-Flitzers nur noch zwei mit Strom betrieben. Man führe das Angebot fort, um Erfahrungen zu sammeln, sagt Fachfrau Gaiser. Gewinn bringe das E-Autoengagement nicht.

Anderswo sagt man der ländlichen Elektromobilität ganz adé. In Ingelfingen nahe Heilbronn wurde ein durch die Landesregierung gefördertes E-Autoprojekt zwischenzeitlich eingestellt. Das gleiche Schicksal ereilte den Versuch, in Freudenstadt im Schwarzwald einen Elektro-Linienverkehr zu etablieren. Am Südzipfel Baden-Württembergs wiederum wird die Gemeinde Markdorf nahe Meersburg ihr E-Mobil - einen Kleintransporter der Marke Renault – Mitte 2017 ausmustern. Rund zehn Fahrten pro Monat reichten bei weitem nicht aus, die Kosten zu decken, heißt es. Und im benachbarten Salem läuten dem dortigen E-Flitzer ebenfalls die Totenglöckchen. Am 11. August soll nach Willen des Gemeinderats das Kapitel E-Mobilität zugeschlagen werden. Anstatt über Straßen zu surren, steht der vor zwei Jahren mit großer Vorfreude angeschaffte Nissan Leaf – das weltweit meistverkaufte E-Auto – wie angekettet an seiner Ladesäule vor dem Bahnhof. Nicht mehr als ein bis zwei Kunden pro Tag verirren sich zu dem Wagen, um seine Batterien leerzufahren. Speziell im Winter gebe es Phasen, in denen der Nissan zwei bis drei Wochen überhaupt nicht gebraucht werde, sagt Marlene Sick, die das Projekt in Salem betreut.

Pannen bei den E-Autos und falsche Bedienung

Die Gründe der enormen Anlaufschwierigkeiten, mit denen manche neuartige Autoprojekte auf dem Land kämpfen, sind unterschiedlich. Mancherorten müssen Car-Sharing-Interessenten allein für die Registrierung 50 Euro hinblättern. Dazu kommt nicht selten eine umständliche Buchung über Internetportale oder per Handy-App. In Salem habe es darüber hinaus immer wieder technische Probleme mit dem Fahrzeug gegeben, sagt die Projektverantwortliche Sick. Mal funktionierte der Anlasser nicht, mal legten Bedienungsfehler der Fahrer das Gesamtsystem lahm. Einige Kunden brachten die Netzstecker nach einer Fahrt nicht richtig an dem E-Flitzer an, so dass die Batterie nicht aufgeladen wurde. Die nachfolgenden Kunden schauten in die Röhre – zumal das Auftanken der Batterie schon mal fünf Stunden dauert. Nicht grade Akzeptanz fördernd wirkt zudem, dass die Reichweite von rund 120 Kilometern für Fahrten auf dem Land oft nicht ausreicht. Ein zu geringes Netz an Ladesäulen und – damit verbunden – nur wenige Abholpunkte senkten die Kundenfreundlichkeit der E-Flitzer zusätzlich, sagt Sick. Die Bezahlsysteme der oft lokalen E-Auto-Initiativen sind zudem selten standardisiert. Wer also eine Überlandfahrt im E-Flitzer wagt, läuft Gefahr an der Ladesäule im Nachbarlandkreis nicht auftanken zu können.

Für das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, sind die ländlichen Räume bislang jedenfalls kein Hoffnungsträger. Neuzulassungen finden – wenn überhaupt – in urbanen Ballungsgebieten statt, wo Anbieter wie Car2go von Daimler oder Drive-Now von BMW aktiv sind und eine junge Klientel erfolgreich an sich binden. Ob die gerade erst beschlossenen E-Auto-Kaufprämie von bis zu 4000 Euro das Thema auch anderswo anschieben wird, ist noch unklar. Bis Ende 2015 waren in Deutschland nur rund 31 000 reine Elektroautos zugelassen.

Nach Einschätzung von Anita Gaiser vom Tübinger Car-Sharing-Anbieter Teilauto ist die Zeit für Elektromobilität auf dem flachen Land jedenfalls noch nicht reif. Es gelte aber, die „Fahne bei dem Thema hochzuhalten“, um das Geschäft schnell aufnehmen zu können, wenn die Akzeptanz bei den Kunden steigt. Eines sei nämlich sicher: Elektromobilität komme irgendwann zum Durchbruch – auch in den ländlichen Regionen.