Die deutschen Premium-Automobilhersteller sind unter Druck. Sie wollen mit ihren Elektrofahrzeugen verlorenes Terrain zurückgewinnen. Tesla indes will nicht nur in der Oberklasse den Ton angeben. Das Unternehmen plant auch in der Mittelklasse künftig den Markt kräftig aufzumischen.

Paris - Beim Dieselmotor sind die deutschen Autohersteller Weltspitze. Auf dem Pariser Autosalon zeigt die Branche jetzt, dass sie auch beim Elektroantrieb ganz vorne mitmischen will. Mercedes präsentiert die Studie EQ, Volkswagen zeigt den ID, eine Elektrostudie im Kompaktformat, beide sollen in zwei bis drei Jahren vom Band rollen. Audi hat schon angekündigt, 2018 mit einem elektrischen Oberklasse-SUV auf den Markt zu kommen. Opel zeigt das Elektromobil Ampera-e, das schon im nächsten Frühjahr gekauft werden kann. Alle Mobile der deutschen Elektro-Offensive punkten mit einer alltagstauglichen Reichweite von mindestens 500 Kilometer. Ob das ausreicht, die Dieselautos in die Ecke zu drängen, wird die Marktentwicklung der nächsten Jahre zeigen.

 

Verbrennungsmotoren werden weiterentwickelt

Audi, BMW und Mercedes setzen in den nächsten Jahren noch auf Benzin- und Dieselmotoren, um die EU-Grenzwerte einzuhalten und solange werden die Verbrennungsmotoren weiterentwickelt. Daimler hat in die neue Motorengeneration OM 654 knapp drei Milliarden Euro in die Benzin- und Dieselmotorenzukunft investiert, die sich in den nächsten Jahre auszahlen müssen. Audi-Chef Rupert Stadler hat aber schon angekündigt, dass das Unternehmen mit den vier Ringen von 2025 an keine neuen Benzin- und Dieselmotoren mehr entwickeln wird.

Die Abgasproblematik droht die Selbstzünder in die Sackgasse zu führen, während die Elektromobile mit leistungsfähigerer Batteriekraft nach vorne fahren. BMW-Chef Harald Krüger fürchtet: „Irgendwann werden wir beim Diesel einen Punkt erreichen, an dem Investitionen sich nicht mehr rechnen. Wenn die gesetzlichen Grenzwerte immer weiter steigen, wird die Abgasnachbehandlung irgendwann so teuer, dass der Elektromotor endgültig die bessere Alternative ist.“ Smart hat schon die Antwort gefunden. Die Daimler-Marke hat die Dieselversion ausgemustert und setzt auf den Elektroantrieb. Was bei den Kleinen Realität ist, bleibt in der Kompaktklasse eine Kostenfrage und in der Oberklasse ist der Diesel zwar eine teure technische Lösung aber mit hohem Treibstoff-Einsparpotenzial.

Toyota setzt seit mehr als zehn Jahren auf Hybridmodelle

Die deutschen Premiumhersteller könnten in die Abgasfalle rutschen. Toyota setzt seit mehr als zehn Jahren auf Hybridmodelle und lässt den Dieselmotor links liegen, kauft ihn allenfalls vom Kooperationspartner BMW für einige Märkte zu. Tesla fährt rein elektrisch. Audi, BMW und Mercedes setzen auf den Dieselmotor. Das Problem: der Dieselantrieb ist zwar auf dem drittgrößten Weltautomobilmarkt Westeuropa mit 52 Prozent vertreten, auf den beiden weltgrößten Automobilmärkten USA und China aber gerade nur mit etwas mehr als zwei Prozent Marktanteil eine Randerscheinung. Klar ist, dass Antriebskonzepte, die auf den drei Weltautomobilmärkten erfolgreich verkauft werden können, langfristig erfolgreicher sein werden, als die Technik, die nur in Westeuropa punktet.

BMW-Chef Harald Krüger beschreibt die Vorteile, die Toyota mit der Konzentration auf die Hybridtechnik und Tesla als reiner Elektrohersteller hat: „ Natürlich haben die neuen Wettbewerber keine Motorenwerke für Diesel oder Benziner. Für uns ist diese Technologie dagegen die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der Gegenwart, mit dem wir die Investitionen für morgen finanzieren. Dagegen können sich die neuen Wettbewerber voll auf den Elektromotor konzentrieren“.

Binsenweisheit: wer auf vielen Hochzeiten tanzt, der zahlt drauf

Allerweltweisheit ist: wer auf vielen Hochzeiten tanzt, der zahlt drauf. Die deutschen Premium-Autohersteller Audi, BMW und Mercedes belasten sich mit dreifachem Aufwand: einmal müssen die Benzin- und Dieselmotoren weiter entwickelt, die Hybridtechnik gestemmt und schließlich die Elektromobilität vorangebracht werden – ein kostentreibender Dreifach-Kraftakt. Die deutschen Premiumherstellern investierten in teure Verbrennungsmotoren- und Getriebefabriken an Hochlohnstandorten, die im Elektrozeitalter wahrscheinlich ab 2025 nicht mehr im bisherigen Umfang gebraucht werden. Im Daimler-Werk Untertürkheim stehen dann Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Genauso bei den Herstellern von Abgasanlagen und Getrieben, die im Elektromobil auch keine Rolle mehr spielen. Volkswagen-Entwicklungsvorstand Frank Welsch sagt: „ Wir können auf Dauer nicht alles parallel machen , dafür sind die Kosten und der Aufwand zu hoch.“ Die Plug-In-Hybride werden als Übergangstechnologie eine Chance haben. Sie helfen, die teuren Motor- und Getriebefabriken weiter auszulasten

Welche Antriebe bestimmen die mobile Zukunft? Bisher hatte Tesla die Oberklasse-Sportlimousine Model S im Angebot und das Model X, ein SUV mit Flügeltüren. Im letzten Jahr lieferte Tesla 50 000 Elektromobile aus und machte damit einen Verlust von 80 Millionen US-Dollar. Mit der Mittelklasse-Limousine Model 3 für rund 30 000 US-Dollar und knapp 400 Kilometer Reichweite will sich Tesla vom defizitären Nischenanbieter zum rentablen Volumenhersteller entwickeln. Schon 2018 – zwei Jahre früher als bisher angekündigt – soll die Kapazität auf 500 000 Autos jährlich hochgefahren werden und für 2020 peilt Tesla-Chef Elon Musk eine Jahresproduktion von einer Million Fahrzeuge an.

Die US-Konkurrenz zielt schon auf das Massengeschäft

Die deutschen Premiumhersteller werden in der Premium-Elektro-Liga aktiv und die US-Konkurrenz zielt schon auf das Massengeschäft. Im letzten Jahr hat Tesla aus dem Stand die Oberklassemobile Audi A 8, BMW 7er und Mercedes-S-Klasse auf dem US-Markt ausgebremst. Jetzt will der Newcomer die Premiumliga deutlich darunter angreifen – nämlich bei Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse – mit dem Elektromobil Tesla Model 3. In der Vergangenheit hatten die Tesla-Ankündigungen allerdings auch jahrelange Verzögerungen.

Auch General Motors steht unter Strom mit dem Chevrolet Bolt, ein Fünfsitzer im Format der Mercedes B-Klasse. Der Bolt kommt bis zu 320 Kilometer weit, lässt sich binnen einer Stunde zu 80 Prozent laden und soll in den USA umgerechnet 33 000 Euro kosten und dort mit dem Opel-Zwilling Ampera-e auch in USA produziert werden. Verkaufsstart auf dem deutschen Markt ist i m Frühjahr 2017 und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann lockt mit einer Reichweite von „mehr als 500 km“ .

Offensive für rein elektrische Autos

Der Volkswagenkonzern will das VW-Diesel-Debakel mit einer Offensive für rein elektrische Autos kontern. Für VW-Markenchef Herbert Diess ist die VW-Zukunft„ elektrisch und vernetzt“. Die in Paris präsentierte Studie I.D. basiert auf der modularen Konzern-Elektro-Plattform MEB. Weil der Elektroantrieb weniger Platz braucht als der Verbrenner bietet der I.D. mit den Außenmaßen des Golf das Innenraumangebot eines Passat. Der VW I.D. soll 2020 auf den Markt kommen, bis zu 600 km Reichweite bieten, rund 30 000 Euro kosten und ab 2025 auch alleine fahren können. Mit dem I.D. will Volkswagen – so VW-Chef Herbert Diess – zum Weltmarktführe bei Elektroautos aufsteigen und bis zu 25 Prozent der VW-Mobile elektrisch ausliefern. VW-Konzerntochter Audi will schon 2018 auf den Markt kommen. Audi-Chef Stadler kündigt ein Elektro-Audi-SUV mit einem konkurrenzfähigen Preis“ an und ab dann wird „ diese Technologie auch auf die Massensegmente aufgerollt“. Die schon im letzten Jahr vorgestellte Studie Audi Q6 e-tron quattro lockt mit rund 500 PS, mindestens 500 Kilometer Reichweite für geschätzte 70 000 Euro.

Auch Daimler gibt elektrisch Gas. Die Smart-Familie ist elektrifiziert und der erste Vertreter der „Generation EQ“ wurde in Paris vorgestellt. Nach der neuen Typenbezeichnung wird der Elektro-SUV wohl als EQC starten. Für Daimler-Chef Dieter Zetsche, ist das der Start für eine neue Generation Autos mit Stern. Ab 2025, so Daimler-Chef Zetsche, sollen 15 bis 25 Prozent der Stern-Mobile elektrisch verkauft werden und Mercedes will auch die Premiumspitze im weltweiten Elektromobil-Geschäft schaffen.

Autoindustrie muss die angekündigten Elektroautos liefern

Klar ist, jetzt muss die Autoindustrie die angekündigten Elektroautos liefern, die dank neuer Batteriekonzepte deutlich billiger sind und eine Reichweite von rund 500 Kilometer bieten. Die Frage bleibt wer ist auf diese automobile Zukunft besser vorbereitet: die etablierten Autohersteller mit den Lasten der technischen Vergangenheit oder den Newcomern die unbelastet in die elektrische Zukunft starten.