Der US-Hersteller Tesla will bei Berlin eine Fabrik für E-Autos bauen. Damit hatte kaum einer gerechnet. In der Hauptstadtregion jubeln sie – doch das Projekt birgt auch Risiken.

Berlin - Wenn ein Konzern eine wichtige Standort-Entscheidung trifft, wird diese normalerweise mit Pauken und Trompeten verkündet. Häufig gibt es dann feierliche Events, Pressekonferenzen und Reden des Managements sowie der beteiligten Politiker. Der Elektroauto Pionier Elon Musk, Gründer und Chef des kalifornischen E-Mobil-Herstellers Tesla, scheint von derlei Dingen wenig zu halten. Am Dienstagabend sagte er völlig überraschend bei einer Veranstaltung des Springer-Verlags in Berlin, dass er eine Ankündigung zu machen habe. „Wir haben entschieden, die Tesla-Gigafactory Europa in der Gegend von Berlin zu bauen.“ Für die Hauptstadtregion ist das ein industriepolitischer Coup sondergleichen, sie kann mit Tausenden neuen Arbeitsplätzen rechnen. Für die deutschen Autokonzerne Daimler, VW und BMW kommt Teslas Ankündigung einer Kampfansage gleich. Wir erläutern, was hinter der Entscheidung steckt. Was genau hat Elon Musk vor? Der Tesla-Chef sucht seit geraumer Zeit nach einem Standort für seine erste europäische Großfabrik („Gigafactory“) für Elektroautos, Batterien und Antriebsstränge. Nun ist er fündig geworden: Die Fabrik soll vor den Toren Berlins entstehen – auf dem Gebiet der Gemeinde Grünheide im Südosten der Hauptstadt. Der Standort liegt in der Nähe des künftigen Großflughafens BER, der 2020 in Betrieb gehen soll. Es gibt dort ein Güterverkehrszentrum mit Anschluss an den Berliner Autobahnring sowie an die Eisenbahn-Hauptstrecke Richtung Warschau. In der Fabrik will Tesla von Ende 2021 an mit dem Bau des Kompakt-SUV Model Y starten. Bis zu 7000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Die Hauptstadt selbst bekommt auch ein dickes Stück vom Kuchen ab: Dort plant Tesla ein Forschungs- und Designzentrum. In Berlin könnten „ein paar hundert, wenn nicht gar ein paar tausend“ weitere Jobs entstehen, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Bislang betreibt Tesla drei Großfabriken – in Nevada, New York sowie im chinesischen Shanghai. Was spricht für den Standort Berlin-Brandenburg? Etliche europäische Regionen hatten sich um die Tesla-Fabrik beworben. Gute Chancen sollen sich unter anderem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ausgerechnet haben. Berlin und sein Umland hatte niemand auf dem Schirm, doch hinter den Kulissen gab es intensive Gespräche. Es sei ein gemeinsames Werben der beiden Bundesländer gewesen, sagt Senatorin Pop. Bislang spielt in der Region die Fahrzeugindustrie nur eine untergeordnete Rolle – es gibt die Mercedes-Werke in Berlin-Marienfelde sowie in Ludwigsfelde und überdies das BMW-Motorradwerk in Berlin-Spandau. Für Berlin und sein Umland spricht, dass hier der Arbeitsmarkt noch lange nicht leer gefegt ist. Berlin übt überdies eine enorme Anziehungskraft auf junge, kreative Menschen aus allen Winkeln der Welt aus. Hier gibt es auch Hochschulen und Forschungszentren sämtlicher Fachrichtungen. Das wird wichtig, wenn Tesla in der Region künftig forschen, entwickeln und entwerfen will. Elon Musk bewundert die deutsche Ingenieurskunst. Nach Angaben des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) spielte in den Gesprächen mit Tesla noch ein anderer Faktor eine wichtige Rolle, nämlich die Verfügbarkeit von Ökostrom. „Wir haben den Rohstoff der Zukunft, wir haben erneuerbare Energien in Brandenburg.“ Fließen Subventionen für die Fabrik? Davon ist auszugehen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Mittwoch zwar: „Es ist bisher nicht über Subventionen gesprochen worden.“ Ministerpräsident Woidke allerdings machte klar, dass dies sehr wohl ein Thema ist. „Wir bewegen uns im beihilferechtlichen Rahmen der Europäischen Union.“ Eine konkrete Summe nannte Woidke nicht. Diese wird nicht nur mit dem Tesla-Management, sondern auch mit den EU-Wettbewerbshütern auszuhandeln sein. Ist das Projekt mit Risiken behaftet? Ja. Grundsätzlich sind alle Elektroauto-Projekte eine Wette auf die Zukunft. Das gilt auch für die deutschen Hersteller, die gerade Milliarden in die Umstellung ihrer Produktion investieren und nicht wissen, ob die Kunden mitziehen. Bei Tesla kommt hinzu, dass es sich um einen Neuling in der Branche handelt. Ob sich Tesla auf Dauer am Markt wird halten können, dürfte ganz entscheidend vom neuen Mittelklassemodell Model 3 abhängen, mit dem sich das Unternehmen im Massengeschäft etablieren will. Verglichen mit den Platzhirschen ist Tesla klein, seine Finanz- und Ertragskraft ist beschränkt. Im vergangenen Jahr kam der Hersteller aus dem Silicon Valley auf einen Umsatz von umgerechnet rund 20 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Bei Daimler waren es 167 Milliarden, beim Weltmarktführer VW sogar 236 Milliarden Euro. Was bedeutet das Vorhaben für den Industriestandort Deutschland? Wirtschaftsminister Altmaier wertete die Entscheidung als Aufwertung des Standorts Deutschland und als „Meilenstein“ für den Ausbau der Elektromobilität. Ähnlich äußerte sich Bernhard Mattes, der Chef des Verbands der Automobilindustrie. Der Verband begrüße die Entscheidung, betonte Mattes. Natürlich fordern Tesla und Musk mit ihr aber auch die heimischen Hersteller heraus. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, sagte, die Pläne seien gleichwohl eine gute Nachricht für VW, Daimler und BMW. Wettbewerb habe schon immer dafür gesorgt, besser und schneller zu werden. „Mit der Entscheidung von Elon Musk für Deutschland werden wir gestärkt und die Elektromobilität nimmt mehr Fahrt auf als bei 100 Kanzlergipfeln in Berlin.“