Peking will die PS-Branche unter Druck setzen, damit mehr Stromer auf die Straßen kommen. Die deutsche Industrie regiert empört und fordert eine „diskriminierungsfreie Lösung“ für alle Anbieter von E-Fahrzeugen.

Peking - Unter Vertretern der deutschen Autobranche in China herrscht Aufregung bezüglich Regierungsplänen zur Förderung von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel setzte sich bei seinem jüngsten Besuch in Peking dafür ein, die Interessen der deutschen Industrie besser zu berücksichtigen. Dies fordert auch Matthias Wissmann, der Präsident des deutschen Branchenverbands VDA. Peking müsse beim Zukunftsthema E-Mobilität offen gegenüber Importeuren bleiben, sagte Wissmann am Montag. „So, wie wir das in Deutschland mit allen Herstellern aus dem In- und Ausland praktizieren, erwarten wir das auch von den internationalen Partnern“, sagte der VDA-Präsident. Nötig sei eine „diskriminierungsfreie Lösung“ für alle Anbieter von E-Fahrzeugen.

 

Zweifel, ob deutsche Hersteller inmitten der Debatte um neue Batteriefabriken und notwendige Milliarden-Investitionen überhaupt hinreichend viele Elektroautos für China bauen können, teilt Wissmann nicht. „Wir haben inzwischen 30 deutsche Serien-Elektromodelle, in nächster Zeit kommen zahlreiche weitere hinzu.“ Auch für Europa seien hohe Absatzprognosen durchaus realistisch. „Wir haben mal gedacht, dass 2025 etwa drei Prozent der verkauften Neufahrzeuge in Europa Elektroautos sein würden. Heute schätzen wir: Es werden zwischen 15 und 25 Prozent sein“, meinte der VDA-Chef.

Chinesische Anbieter liegen bei Elektroautos derzeit weit vorne

China will Fahrzeugherstellern künftig den Absatz einer bestimmten Prozentzahl von Elektroautos vorschreiben. Dazu zählen neben den reinen Batterieautos auch Wagen mit Plug-in-Hybridantrieb, deren Antrieb aus einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor besteht und deren Batterie an der Steckdose aufgeladen werden kann. Chinesische Anbieter liegen bei Elektroautos derzeit weit vorne. Der Marktanteil der deutschen Konzernmarken bei Elektroautos liegt in China laut VDA bei nur etwa einem Prozent, in Westeuropa seien es dagegen 47 Prozent, auf dem US-Markt rund 20 Prozent.

Der Absatz von Autos mit alternativem Antrieb liegt in China hinter den Plänen zurück, die der Staatsrat vor fünf Jahren verabschiedet hat. Die Städte versinken weiterhin im Smog, während Abnehmer für den Überschuss an alternativer Energie wie Sonne und Wind fehlen – Batterieautos sind dafür bestens geeignet.

Das Industrieministerium in Peking hat nun zur weiteren Absatzförderung einen typisch chinesischen Ansatz mit einer Mischung aus planerischen und marktwirtschaftlichen Elementen gewählt: Zu bestimmten Zieljahren müssen die Autohersteller festgesetzte Prozentzahlen an E-Autos verkaufen. Wer die Quote nicht erfüllt, kann sie von anderen Herstellern einkaufen. In der Praxis könnte dies etwa darauf hinauslaufen, dass Volkswagen E-Auto-Punkte vom chinesischen Konkurrenten BYD kaufen muss.

Der umstrittene Plan existiert bisher als Dokument auf der Webseite des Ministeriums für Industrie und Informationstechnik. Chinesische Nachrichtenseiten haben ihn ausgewertet. Das Dokument umreißt in besonders komplizierter Weise folgendes Modell: Jeder Autohersteller muss künftig „herstellerbezogene Durchschnittsverbrauchspunkte” sammeln. Innerhalb des Systems gibt es ab 2018 eine eigene Kategorie von Punkten für „Fahrzeuge mit neuen Antriebsformen“ (New Energy Vehicle, NEV). Die zwei Typen von Punkten lassen sich nach einem Schlüssel gegeneinander austauschen und zwischen Unternehmen handeln. Alle Hersteller, die mindestens 50 000 Autos im Jahr verkaufen, müssen bis 2018 acht Prozent, bis 2019 zehn Prozent und bis 2020 zwölf Prozent NEV-Punkte vorweisen können.

Chinas Industrieminister spielt Bedeutung des Plans herunter

Allerdings erscheint fraglich, ob das Gesetz auch wirklich so ambitioniert und weitreichend kommen wird. Der chinesische Industrieminister Wiao Wei spielte die Bedeutung des im Internet veröffentlichten Dokuments beim Besuch von Wirtschaftsminister Gabriel in Peking herunter: Das Ganze seien bisher nur „Überlegungen“, es gebe keine konkreten Pläne.

An der Bewertung dieser Überlegungen scheiden sich die Geister. Aus deutschen Umweltschutzkreisen in Peking ist die Ansicht zu hören, dass die radikale Absatzförderung über Pflichtquoten das richtige Instrument sei, um den Markt in Schwung zu bringen. Es sei umgekehrt ein Problem der deutschen Autohersteller, zu lange an teuren Autos mit Verbrennungsmotor festgehalten zu haben. In Kalifornien gelte zudem bereits ein ähnliches Punktesystem zur Förderung von Niedrigemissionsautos.

Deutsche Industrievertreter beklagen indessen, dass die chinesische Verwaltung sie nicht in die Formulierung der Pläne eingebunden hat – daher auch der Hilferuf an Minister Gabriel. Nachdem die deutsche Autowirtschaft in China Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen habe, stehe ihr ein Mitspracherecht zu. Schließlich gehörten Modelle deutscher Marken zu den beliebtesten Autos in China.

Doch gerade hier liegt wohl aus Sicht chinesischer Wirtschaftsplaner das Problem. Der Marktanteil ausländischer Anbieter liegt insgesamt konstant über 60 Prozent. Die Kunden bevorzugen weiterhin internationale Marken. Dieser Zustand ist den chinesischen Wirtschaftsplanern in Dorn im Auge.

Als China die ausländischen Anbieter hereingebeten hatte, war eigentlich vorgesehen, dass die eigenen Hersteller schnell gleichziehen. Nach einer Lernphase sollten die chinesischen Autohersteller sich im Inland an die Spitze setzen und dann ins Ausland expandieren. Dieser Plan ist zumindest bisher jedoch nicht aufgegangen.