Die Zahl der E-Autos innerhalb der Stadt wächst offenbar schneller als die Ladeinfrastruktur. Jetzt sorgt eine Umstellung des Tarifsystems vor allem an den Hotspots in der City für eine zusätzliche Verknappung des Ladeangebots.

Stuttgart - Die mobile Welt steht unter Strom. E-Mobile, aber auch die dazu gehörende Infrastruktur ist gerade in aller Munde. Erst am Wochenende ließ Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wissen, dass er den Ausbau der Ladestationen forcieren will. Dazu fordert der CSU-Politiker für den Haushalt 2020 eine Milliarde Euro zusätzlich.

 

Hintergrund ist, dass der Markt wächst. Vor allem in Stuttgart, wo Dieselfahrverbote gelten und das Thema Feinstaubalarm einen breiten Raum einnimmt. In der Region liegt Stuttgart von der absoluten Zahl der Fahrzeuge her in allen drei Elektromobilitätsklassen auf Platz eins: Zum 31. Dezember meldete die Zulassungsstelle einen Bestand von 1568 Elektroautos, 1715 Plugin-Pkw und 2977 Vollhybrid-Pkw.

Die subjektive Wahrnehmung im Stadtbild scheint das zu bestätigen. Während die Parkplätze an den Ladesäulen in der Innenstadt vor rund einem Jahr meistens leer standen, sind sie heute tagsüber gut ausgelastet. Natürlich trägt dazu auch die Fahrzeugflotte von Car2go bei. So kommt es immer öfter vor, dass Elektromobilisten verzweifelt nach einer freien Ladesäule in der City suchen. Wer mit E-Autofahrern spricht, hört daher immer öfter: „Wenn man eine mobile Wende und bessere Luft in der Stadt will, sollte man das Ladenetz zügiger ausbauen.“

360 Ladepunkte in Stuttgart

In Stuttgart gibt es nach Angaben der Stadt rund 180 öffentliche Ladestationen für E-Autos. Das entspricht 360 Ladepunkten, weil jede Ladestation in der Regel zwei Ladepunkte sowie zwei separate Parkmöglichkeiten hat. Darüber hinaus sind etwa 20 Ladestationen bei Kaufhäusern, Parkhäusern oder auch Autohäusern vorhanden. Die Ladestationen sind mit Typ2-Steckern und größtenteils auch mit Schukosteckern ausgestattet.

Das klingt nach einer guten Infrastruktur. Doch seit geraumer Zeit erkennen E-Autofahrer ein „hausgemachtes Problem“, wie sie sagen. Denn die EnBW hat die Tarifstruktur umgestellt. Wurde früher nach einem Stunden- oder Minutenpreis abgerechnet, bezahlt man heute für die abgenommene Strommenge. Bedeutet: Der Druck, die Ladesäule nach einer Volltankung zu verlassen, ist weg. Die neuen Preise: An den Wechselstromsäulen (AC) zahlt man künftig 29 Cent pro Kilowattstunde (kWh) , an den Schnellladern einheitlich 39 Cent pro kWh.

Was vorderhand nach einer fairen Sache klingt, hat Nebenwirkungen. Wer sein Auto innerhalb kürzester Zeit vollgeladen hat, aber den ganzen Tag eine Ladesäule belegt, verknappt das Angebot der E-Tankstellen künstlich. Dazu ein Beispiel: Wer mit der Bahn übers Wochenende verreist, sein E-Auto in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs oder am Flughafen an einer Ladesäule ansteckt und für ein paar Euro parkt, handelt nicht im Sinne des Erfinders. Er nimmt anderen E-Mobilisten die Möglichkeit zu laden. Und er raubt der EnBW potenzielle Kunden. Doch die Stadt sieht sich nicht in der Pflicht auf die möglichen Auswirkungen der neuen Tarifstruktur zu reagieren. In einer Stellungnahme heißt es: „Wir begrüßen den neuen Tarif an den E-Ladesäulen. Er ist ein transparentes und faires Angebot für die Nutzerinnen und Nutzer in Stuttgart. Der Tarif bietet klare, vergleichbare Preise pro Kilowattstunde und erfüllt damit die Vorgaben des neuen Eichrechts.“ Auf die Frage, ob damit etwa auch die Ziele einer mobilen Wende erreicht werden, gibt es von der Stadt keine Antwort. Im Gegensatz dazu schätzt Jana Höffner vom Verein Electrify-BW die neue Situation ein: „Wir begrüßen ebenfalls die neuen fairen und transparenten Tarife der EnBW. Wir haben uns auch gegenüber der EnBW dafür ausgesprochen, vorerst keine generelle Zeitkomponente in den Tarif zu integrieren. Natürlich ist uns klar, dass dies eventuell Menschen dazu einlädt ihr Fahrzeug nach dem Ende des Ladevorgangs nicht wieder wegzufahren.“ Höffner plädiert für Augenmaß. So sei es nicht immer möglich, direkt nach Ende des Ladevorgangs das Fahrzeug zu entfernen, weil man im Kino, Theater oder in einem Termin sitzt. Gleiches gelte für das Laden über Nacht in einem Stadtteil. „Niemand will mitten in der Nacht das Auto umparken. Zudem besteht so die Gefahr, dass der Parksuchverkehr weiter zunimmt.“

Ei des Kolumbus: Parkscheibe

Aus diesem Grund plädiert der Verein dafür, dass für Ladesäulen an den Hotspots in der Innenstadt, am Bahnhof, der Messe oder am Flughafen Werkstags tagsüber per Parkscheibe eine maximale Standzeit von etwa vier Stunden zu gewähren. „Stadt und EnBW müssen gemeinsam starke Hotspots identifizieren und auch mit mehr Infrastruktur Abhilfe schaffen“, sagt Höffner. Gleichzeitig appelliert ihr Verein an die Nutzer, sich an Ladesäulen fair zu verhalten und nach der Ladung umzuparken. Weiter sagt sie: „Electrify-BW steht im engen Austausch mit Stadt und EnBW. Wir schlagen aber vor, die beiden gemeinsam mit Nutzervertretern an einen Tisch zu bringen und eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.“