Eine Hürde bei der Einführung von Elektroautos ist deren mäßige Reichweite. Deutsche Forscher wollen daher die Serienproduktion von Lithium-Ionen-Akkus optimieren. Ein Laborbesuch.

München - Die Bundesregierung möchte mehr Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren sehen. Bis 2020 sollen es eine Million sein. Das kann nur klappen, wenn eine ganze Reihe von Voraussetzungen geschaffen wird, darunter die, dass leistungsfähige Batterien zu erschwinglichen Preisen verfügbar sind.

 

Batterien werden auch aus einem anderen Bereich der Energiewende sehnlichst erwünscht: der Zwischenspeicherung von Energie. Wind- und Sonnenenergie können nur dann bis 2050 rund 60 Prozent des Endenergieverbrauchs decken, wie die Bundesregierung es in ihre Pläne geschrieben hat, wenn die bei günstigem Wetter erzeugte Energie für Zeiten der Flaute und bedeckten Himmels gespeichert werden kann. Eine der denkbaren Optionen dafür sind Batteriespeicher.

Angesichts dieser gesellschaftlichen Bedeutung der Batterie hat Markus Westermeier eine schlechte Nachricht: „Es gibt fast keine Lithiumzellenproduktion in Deutschland. Und dort, wo die Produktion stattfindet, sind die Ausschussraten hoch.“ Westermeier ist Ingenieur am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaft (IWB) der Technischen Universität München (TUM). Einer der beiden Leiter des Instituts, Michael Zäh, setzt noch eins obendrauf. Die derzeit am meisten eingesetzte Batterietechnik sind Lithium-Ionen-Zellen. Doch selbst diese, so Zäh, „haben noch nicht das Niveau erreicht, das für die Elektromobilität erforderlich ist“.

Was sich Autofahrer wünschen: kurz tanken, lange fahren

Was er damit meint, ist bekannt: Autokäufer wollen innerhalb von fünf Minuten tanken und dann mindestens 500 Kilometer fahren. Mit heute verfügbaren Elektroautos sind „150 Kilometer Reichweite das Einzige, was großflächig realisierbar ist“, sagt Hubert Gasteiger, der an der TUM den Lehrstuhl für Technische Elektrochemie hat. Hinzu kommen stundenlange Ladezeiten. Beim Benzin und Diesel gewohnten Autofahrer komme in so einem Gefährt „Reichweitenangst“ auf. „Wenn in einem Benziner die Tankuhr auf Rot geht, haben sie noch locker 100 Kilometer. Da fangen sie mit einem Elektroauto erst an.“

Die Münchner Forscher wollen den Deutschen nicht das Elektroauto und den Energiespeicher ausreden, sondern im Gegenteil Abhilfe schaffen. Energieforschung in unterschiedlicher Form haben sie zu einem Schwerpunkt unter dem zeitgeistigen Kürzel TUM.Energy zusammengefasst. Allein 15 Lehrstühle und Institutionen forschen rund um die Batteriezelle in meist von Bund und/oder Land Bayern geförderten Projekten mit Namen wie DeLIZ, ProLIZ, EEBatt und ExZellTUM, Letzteres nebenbei ein dezenter Hinweis darauf, dass die TUM Mitglied im noblen Club der Exzellenzunis ist.

Neueste Errungenschaft der Forscher und Anlass der Uni, Journalisten auf ihren Campus in Garching einzuladen, ist ein Forschungslabor, das nach Auskunft der Uni in Deutschland einmalig ist. Die Forscher des IWB um Michael Zäh und Co-Direktor Gunther Reinhart haben in den letzten Monaten eine 200 Quadratmeter große Werkhalle eingerichtet, in der sie die komplette Produktion einer Batteriezelle vom Mischen des aktiven Materials bis zur Qualitätskontrolle abwickeln können.

Im Labor lässt sich mehr variieren als in der Fabrik

Dabei geht es nur um die Zelle, nicht um die meist aus mehreren Zellen bestehende Batterie. „Wir wollen das Produkt verbessern, wollen Prozessverständnis gewinnen“, sagt Zäh. Stückzahlen von 50 Zellen im Monat oder 600 im Jahr sind vorgesehen. „Damit kann man dann Untersuchungen des Produktionsprozesses anstellen.“ Im Labor sei es möglich, die bis zu 200 Prozessparameter zu variieren und zu optimieren. „Das kann ein produzierendes Unternehmen nicht tun“, sagt Zäh.

So haben die Münchner unter anderem die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz zur Verfügung, mit der sie einer Batterie beim Laden und Entladen sowie den unvermeidlichen Alterungsprozessen zuschauen können, ohne sie auseinanderzunehmen. Die Neutronenquelle, der Forschungsreaktor München II, steht in der Nachbarschaft seines berühmten Vorgängers, des seit 2000 stillgelegten Garchinger Atom-Eis von 1957.

In rund zwanzig Schritten wird eine Batteriezelle hergestellt, die bei einer Spannung von 3,8 Volt etwa eine Stunde lang 20 Watt leistet. Die Produktion beginnt beim Herstellen des Materials für die Elektroden, zwischen denen sich die Spannung aufbauen soll. Die negative Elektrode (Anode) besteht aus Grafit, in den Lithium eingelagert ist, die positive (Kathode) ist ein Lithium-Metalloxid. Als Metalle werden meist Kobalt, Nickel oder Mangan verwendet.

Zurechtgeschnitten wird mit Lasern der Marke Trumpf

Die Elektrodenmaterialien werden in Form einer „Tinte“ in einem Reinraum auf die beiden Seiten einer Aluminiumfolie (Kathode) oder Kupferfolie (Anode) gestrichen, die nur zehn Mikrometer (Tausendstelmillimeter) dick ist – das ist ein Viertel eines menschlichen Haars. 150 Mikrometer ist die aufgetragene Tintenschicht anfangs dick. Ist das verwendete Lösungsmittel getrocknet, werden die Schichten im sogenannten Kalander mit einer 37-Tonnen-Walze auf 50 Mikrometer zusammengepresst, damit die Schichten möglichst gleichmäßig dick werden. Langfristiges Ziel ist, die Schichtdicke zu erhöhen, weil damit die Speicherkapazität steigt. „500 Mikrometer wären ideal“, sagt Reinhart. „Aber das kann man heute nicht.“

Anschließend wird die Folie in Stücke von ungefähr 130 mal 85 mal 12 Millimeter geschnitten – was sehr präzise und ohne jeden Abrieb gelingen muss. Dazu hat man sich den schwäbischen Spezialisten für das Schneiden mit Lasern, die Firma Trumpf in Ditzingen, an Bord geholt. Mehrere solcher Folienstücke werden zu einer Zelle aufeinandergestapelt, getrennt durch eine nur 20 Mikrometer dicke Kunststofffolie, den Separator. Diese sehr labile Folie schneiden die Münchner nicht, sondern falten sie in einem raffinierten Verfahren namens Z-Falten automatisch wie eine Ziehharmonika. Zwischen die Falten legt die Maschine die Elektroden, immer abwechselnd eine Anode und eine Kathode. Am Ende sind es 14 Kathoden und 15 Anoden, weil Kathoden nicht außen liegen dürfen. Sie würden Lithium in das umgebende Material abgeben.

Nachdem die elektrischen Kontakte angeschlossen sind, kommt die Verpackung. Es gibt „weiche“ Zellen, die in eine Kunststoff-Aluminium-Verbundfolie per Ultraschall eingeschweißt werden, und es gibt die aufwendigeren Hardcase-Zellen, die ein Scheibenlaser in ein Aluminium-Gehäuse einschweißt. Zuletzt wird durch winzige Öffnungen in der Verpackung der Elektrolyt eingefüllt, eine Flüssigkeit, die den Elektronenfluss durch die Zelle überhaupt erst möglich macht.

Anvisiert wird das anspruchsvolle Hightech-Segment

Der letzte Schritt vor dem Testen der Zelle ist die Formation: Mit speziellen Ladegeräten wird die Zelle von null Volt an sehr langsam in zehn Stunden auf bis zu 4,2 Volt aufgeladen – und genauso langsam wieder entladen. Dann wird die Prozedur wiederholt. Hersteller von käuflichen Lithiumakkus ersparen sich meist diese 40-Stunden-Prozedur. Sie raten dem Kunden lediglich, den Akku vor dem Benutzen einmal ganz aufzuladen.

Während im IWB die Herstellungsprozesse optimiert und auf Industriebedürfnisse gebracht werden, experimentieren die Wissenschaftler in den Chemielabors des Instituts von Hubert Gasteiger mit teils winzigen, besonders gut vergleichbar hergestellten Musterzellen. Sie variieren Materialien und Maße, Temperaturen und anderes, um Lebensdauer, Kapazität oder zum Beispiel unerwünschte Veränderungen der chemischen Struktur im Gebrauch der Zelle zu analysieren und zu ändern.

Die Wissenschaftler tun, gefördert von Bund und Land, das ihre, „für Deutschland einen Standortvorteil zu schaffen“, wie Michael Zäh es formuliert. Es wären vermutlich nicht die Massen-Akkus, sondern anspruchsvolle Hightechzellen, die aus der Herstellung in Deutschland kommen könnten. Immerhin ist unter den zahlreichen Unternehmen, die mit den Wissenschaftlern der Technischen Universität München kooperieren, auch der Batteriehersteller Varta.