Der kalifornische Neuling Tesla auf dem Automarkt hat große Expansionspläne und baut in Europa ein eigenes Netz von Schnellladestationen an den Autobahnen auf. Das beeindruckt auch den Stuttgarter Autobauer Daimler.

Stuttgart - Der kleine Elektroautobauer Tesla ist derzeit der große Liebling der PS-Branche. Bosch-Chef Volkmar Denner gerät ins Schwärmen, wenn er erzählt, wie er die Limousine Model S ein Wochenende lang gründlich getestet hat. Daimler-Chef Dieter Zetsche ist stolz darauf, dass der Antrieb für die Elektroversion der B-Klasse, die in diesem Jahr startet, von den Amerikanern kommt. „Mit Tesla haben wir einen erstklassigen Entwicklungspartner für dieses Auto“, schwärmte Zetsche am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz.

 

Das Fachblatt „Auto-Bild“ kommt nach einem Wintertest verschiedener Elektroautos zu dem Ergebnis: „Der Tesla schlägt sie alle“ – auch den neuen i3 von BMW. Nicht nur bei der Reichweite hat der Neuling die Wettbewerber abgehängt. Und in einer weltweiten Umfrage der Beratungsfirma KPMG unter Automanagern haben die Kalifornier geradezu sensationell abgeschnitten. Auf die Frage, welches Unternehmen in den kommenden Jahren unabhängig bleiben und aus eigener Kraft wachsen könne, landete Tesla gleich hinter BMW und dem VW-Konzern auf dem dritten Platz – noch vor Toyota und weit vor Daimler. Auch bei der Frage nach der Technologieführerschaft liegt Tesla nach Meinung der internationalen Automanager im Spitzenfeld.

Erinnerungen an den Internet-Hype

Willi Diez kann diese Euphorie nicht so ganz nachvollziehen. „Tesla erinnert mich stark an die Anfänge des Internet-Hypes, als alle möglichen Firmen mit Milliardenwerten an der Börse gehandelt wurden, obwohl sie noch nie Geld verdient hatten“, meint der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen. „Tesla wäre schon mehrfach pleite gegangen, so Diez, wenn nicht der amerikanische Staat geholfen hätte, und wenn Daimler und Toyota nicht Geld in das Unternehmen gesteckt hätten.“ Daimler und Toyota sind heute mit kleinen Anteilen an Tesla beteiligt. Der US-Staat hat dem Unternehmen einen Kredit zur Förderung von Autos mit alternativem Antrieb gegeben, der jedoch im vergangenen Jahr vorzeitig voll zurückgezahlt wurde. Im ersten Quartal dieses Jahres hat Tesla erstmals einen Gewinn ausgewiesen. Die Zahlen für das Gesamtjahr werden am 19. Februar vorgelegt.

Willi Diez zollt der Wissenschaftler dem Neuling in der PS-Branche trotz seiner grundsätzlichen Skepsis auch Anerkennung: „Ich hätte nie gedacht, dass das Unternehmen überhaupt so weit kommt und es schafft, die Modellpalette auszuweiten“. Tesla habe ein sehr kreatives Team, und die aus handelsüblichen Computer-Akkus entwickelte Batterietechnik sei in gewisser Weise schon genial. Zudem betreibe das Unternehmen ein hervorragendes Marketing. Tesla profitiert davon, dass amerikanische Promis voll auf die leisen Flitzer abfahren. Der als Internetunternehmer reich gewordene Elon Musk brachte 2008 den pfeilschnellen Tesla Roadster als reinrassigen Sportwagen mit Elektroantrieb auf den Markt. Nicht nur in Beverly Hills wurde es bald schick, lautlos und umweltfreundlich durch die Straßen zu segeln. Die Bosse im Silicon Valley und die Stars in Hollywood liebten den kleinen Zweisitzer.

Von Daimler zu Tesla

Der Roadster wurde dann von der sportlichen Limousine Model S abgelöst. Mit großer Unbekümmertheit startete der junge Autobauer aus Palo Alto im Silicon Valley die Produktion dieses neuen Modells mit einer neuen Mannschaft in einer neuen Fabrik. Das war zu viel Neues auf einmal. „Der Anfang war hart“, erinnert sich Vertriebschef Jerome Guillen. „Wir haben mit einigen Autos pro Woche angefangen und dann Schritt für Schritt mehr produziert. Das Hochfahren war schwieriger, als wir uns vorgestellt hatten“.

Guillen hatte glänzende Perspektiven bei Daimler bevor er zu Tesla wechselte. Der Franzose war bei dem Stuttgarter Konzern Chef des Bereichs Business Innovation. Diese Denkfabrik sollte abseits der traditionellen Trampelpfade der Autoindustrie Chancen für neue Geschäfte aufspüren. Dieses Team brachte den Autoriesen unter anderem dazu, mit Car-2-go ins Carsharing einzusteigen. Guillen hatte glänzende Chancen. Doch im November 2010 verließ er Daimler und wechselte zu dem derzeit wohl ungewöhnlichsten Automobilhersteller.

Erhitzte Ladestationen lösen Irritationen aus

Die Anlaufprobleme bei der Produktion des Model S seien mittlerweile überwunden, berichtet Guillen. Heute habe man damit zu kämpfen, dass mancher Zulieferer bei dem hohen Expansionstempo nur schwer mithalten könne. Besonders bei den Batteriezellen habe es Engpässe gegeben. Vor einem Jahr noch wurden 400 Autos in der Woche produziert. Nun soll die Fertigung von 600 auf 800 Wagen pro Woche gesteigert werden. Im vierten Quartal des vergangenen Jahrs wurden insgesamt 6900 Modell S ausgeliefert, 20 Prozent mehr als geplant.

Dies ist beachtlich, zumal das Unternehmen vor einigen Monaten für irritierende Schlagzeilen sorgte. Drei Wagen in Seattle, Tennessee und Mexiko gerieten in Brand. Die Nationale Sicherheitsbehörde für den Straßenverkehr (NHTSA) leitete daraufhin Ermittlungen ein, die noch nicht abgeschlossen sind. Das Kraftfahrtbundesamt hatte nach einer Untersuchung keine Bedenken. „Nach Aktenlage konnte kein herstellerseitiger Mangel als unfallursächlich festgestellt werden“, heißt es in einem Schreiben aus Flensburg. Irritationen löste auch aus, dass es einige Vorfälle gab, bei denen sich die heimischen Ladestationen zu stark erhitzten. Der Autobauer reagierte darauf, indem er die Software, die den Ladevorgang steuert, änderte. Damit soll eine Überhitzung von vornherein verhindert werden. Da sämtliche Autos mit einer Internetverbindung ausgeliefert werden, lässt sich das Software-Update einfach in die Autos einspielen. Zudem erhält jeder Kunde nun einen neuen Adapter.

Die Preisliste beginnt bei 65 300 Euro

Die kritischen Medienberichte hätten den Auftragseingang nicht gebremst, versichert Vertriebschef Guillen und rechnet vor, dass das Brandrisiko in einem Elektroauto von Tesla viel niedriger ist. „Wir haben viele neue Aufträge bekommen und wir sind auch sehr zufrieden, wie sich das Geschäft in Europa entwickelt“, sagt der ehemalige Daimler-Manager. In Deutschland gibt es derzeit sechs Servicestationen, unter anderem auch in Stuttgart. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland insgesamt 215 Wagen der jungen Marke neu zugelassen. Die Preisliste fängt in Deutschland bei 65 300 Euro an. Bei einer stärkeren Batterie (85kWh) sind 87 600 Euro fällig.

Vor dem Hintergrund der niedrigen Absatzzahlen erscheint es recht kühn, dass Tesla seinen Kunden in Europa ein eigenes Netz von Ladestationen an den Autobahnen anbieten will, damit sie nicht nur von Zuhause zur Arbeit und zum Einkaufen pendeln, sondern beispielsweise auch mal von Amsterdam zum Skifahren in die Schweiz düsen können. Die deutschen Autobauer sehen das reine Elektroauto wegen der begrenzten Reichweite der Batterien eher als Wagen für kürzere Strecken. Der Tesla soll dagegen bis zu 500 Kilometer mit einer Batterieladung schaffen.

Probleme mit den Steckern

Die öffentliche Ladeinfrastruktur zählt für die deutschen Autobauer nicht gerade zur Kernkompetenz. Dennoch sind sie nicht ganz untätig. Daimler und BMW haben gemeinsam mit dem Zulieferer Bosch, den Energiekonzernen EnBW und RWE sowie dem Elektro- und Elektronikkonzern Siemens die Berliner Hubject GmbH gegründet. Diese Gesellschaft soll dafür sorgen, dass die Zapfsäulen von Autos mehrerer Marken genutzt werden können und auch die Abrechnung funktioniert. Für ein gewisses Grummeln sorgt bei den deutschen Autobauern, dass ihre Stecker nicht in die Steckdosen der Tesla-Säulen passen.

Daimler ist derzeit in Deutschland mit der Stromvariante des Smart Marktführer. BMW versucht sich jedoch mit dem i3 als Speerspitze der Elektromobilität zu profilieren und will die Kunden mit einer Rundumbetreuung gewinnen. Über den Service Charge Now offerieren die Bayern den Zugang zu einem Netz von öffentlichen Ladestationen, die von Partnern, wie etwa EnBW oder RWE betrieben werden. Bundesweit sollen bis zum Jahresende 1000 Ladestationen im Netzwerk von Charge Now verfügbar sein. Darüber hinaus werden in BMW-Werken und bei Händlern, die den i3 verkaufen, Schnellladestationen errichtet, wo der Strom anders als im Netzwerk von Charge Now kostenlos ist. Im Frühjahr soll darüber hinaus die „Schnellladeachse München-Berlin“ entlang der Autobahn A9 eröffnet werden.

Bis Jahresende soll das Netz stehen

Tesla hat bisher in Deutschland vier Ladestationen an der Autobahn von München über Stuttgart, Frankfurt und Köln bis nach Amsterdam in Betrieb, eine davon auf dem Autohof Bad Rappenau. Bis zum Jahresende soll ein flächendeckendes Netz entstehen. Die Planung und Installation hat als Partner von Tesla DB Energie übernommen, der Energiedienstleister der Deutschen Bahn. Mit diesen „Superchargern“ soll die Batterie während einer Kaffeepause in gut einer halben Stunde zu 80 Prozent kostenlos aufgeladen werden.

„Wir haben nicht vor, Geld dafür zu kassieren“, sagt Vertriebschef Guillen und gibt dafür eine ungewöhnliche Begründung. „Wir wollen nicht mit allem Gewinn machen, was wir tun. Wir sehen es als unseren Auftrag an, den Übergang zur nachhaltigen Mobilität zu beschleunigen. Deshalb wollen wir alle Hindernisse beseitigen, die eine rasche Ausbreitung des Elektroautos behindern. Und die Ladestationen beseitigen eines dieser Hindernisse“, meint Guillen.

Vor dem Sprung nach China

Als nächstes Modell will Tesla das Model X, einen Geländewagen, auf den Markt bringen. Die Produktion dieses Wagens soll 2015 hochgefahren werden. Im laufenden Jahr soll der Absatz weltweit auf 40 000 Autos in etwa verdoppelt werden. Bis zum Ende des Jahrzehnts werden zwischen 250 000 und 500 000 Wagen im Jahr angepeilt. Zudem wagt das junge Unternehmen auch den Sprung nach China. „Wir haben schon einen Showroom und ein Service-Center in Peking“, sagt Guillen, „es ist unser weltweit größter Showroom und wir suchen viele weitere Standorte“. Ganz beseelt vom Gründergeist im kalifornischen Silicon Valley zeigt der Franzose keine Zweifel, dass Tesla in China eine Erfolgsgeschichte schreiben wird. „Die Chinesen lieben gute Produkte, sie lieben fortschrittliche Technologie“, meint Guillen und fügt hinzu, dass das vielleicht auch ganz gut für die Umwelt in dem smoggeplagten Riesenreich wäre. „China braucht vielleicht mehr als jedes andere Land komplett saubere Autos“, so der Tesla-Mann, „und genau das bietet das Model S“.