Siemens will unrentable Geschäfte verkaufen und die Kosten deutlich senken. Wie viele Stellen davon betroffen sein werden, ist noch offen.

Das Sparprogramm beim Münchner Technologieriesen Siemens fällt noch drastischer als befürchtet aus. Man sei ins Mittelmaß abgerutscht und müsse die Kosten binnen zwei Jahren um sechs Milliarden Euro drosseln, kündigte Konzernchef Peter Löscher in Berlin auf der Bilanzpressekonferenz an. Analysten hatten ein Sparziel von rund vier Milliarden Euro erwartet. Auch der Betriebsratschef Lothar Adler zeigte sich über das Ausmaß der Sparpläne überrascht. Wie viele Stellen die Sanierung noch kostet, ließen Löscher und Finanzchef Joe Kaeser offen. Personalabbau sei keine innovative Antwort auf Probleme, warnte Adler und kündigte Widerstand an.

 

Schon der in den letzten Monaten angekündigte Stellenabbau summiert sich global auf mehrere Tausend Arbeitsplätze. Hierzulande fühlt sich das 130 000 Menschen zählende Personal relativ sicher, weil es Standort- und Stellengarantien gibt. Vor dem Verkauf ganzer Sparten schützen diese aber nicht. Dass auch die Aufgabe unrentabler Geschäfte Teil des Sparkurses ist, wurde spätestens klar, als Siemens jüngst den Rückzug aus der Solartechnik verkündet hat. Verkauft wird nun auch die Sparte Wasseraufbereitung mit einer Milliarde Euro Umsatz und 4500 Stellen vor allem in Nordamerika. Weitere Verkaufskandidaten habe man bereits identifiziert, sagte Kaeser. Nennen wollte er sie nicht.

Zugleich geht Siemens auf Einkaufstour, um verbleibende Kerngeschäfte zu stärken. Dafür könne man mehrere Milliarden Euro auch für größere Übernahmen ausgeben, sagte Löscher. Ein erster Schritt ist der Kauf des belgischen Softwarehauses LMS, für das Siemens 680 Millionen Euro hinlegt – bei einem Jahresumsatz der neuen Tochter von 140 Millionen Euro. Zuletzt hatten die Münchner mit Akquisitionen keine glückliche Hand. Das zum Verkauf bestimmte Solargeschäft wurde erst 2009 erworben, die zur Abgabe bestimmte Wassersparte 2004. Was den Umfang der Arbeitsplätze anbetrifft, die Löscher per Stellenabbau und Spartenverkäufe von den Lohnlisten streichen will, tappt auch die IG Metall im Dunkeln. „Wir wüssten es gern“, sagte ein Gewerkschafter und verwies auf den Stellenpakt, der betriebsbedingte Kündigungen zustimmungspflichtig macht. Man habe Löscher abgerungen, keine Abbauzahlen zu nennen, sagte ein hochrangiger Betriebsrat. „Sonst wäre hier die Hölle los“, meinte er.

Sanierung soll einmalig 1,5 Milliarden Euro kosten

Zum Handeln gezwungen fühlt sich der Siemens-Chef, weil der Jahresüberschuss im Anfang Oktober beendeten Geschäftsjahr 2011/12 um gut ein Viertel auf 4,6 Milliarden Euro eingebrochen ist. Das ist zwar der zweithöchste Wert der Firmenhistorie, aber mit den beiden Sektoren Energie sowie Infrastruktur und Städte hat die Hälfte aller Geschäfte seine Rentabilitätsziele verfehlt. Konkurrenten wie General Electric in den USA oder ABB in Europa sind davongezogen.

Löscher bekennt sich zu hausgemachten Fehlern. 1,2 Milliarden Euro Sonderlasten musste Siemens 2011/12 verkraften. Allein die Hälfte geht auf die gescheiterte Anbindung von Windparks in der Nordsee zurück. Zudem sei Siemens mit ehrgeizigen Wachstumszielen unter Volldampf in die jetzige Konjunkturschwäche gezogen und spät auf die Bremse getreten, räumten Kaeser und Löscher selbstkritisch ein.

Der jetzige Sparkurs sei im Kern kein Stellenabbauprogramm. Drei Milliarden Euro, also die Hälfte des Sparziels, sollen aus dem Einkauf kommen. Eine Milliarde Euro will Siemens sparen, indem Verlustgeschäfte wie die mit Windparks künftig vermieden werden. Vor allem müssten aber auch Doppelfunktionen und Parallelprozesse beseitigt werden, betonte Löscher. Ob der Abbau in der Summe unter 10 000 Jobs bleibt, wollte er nicht sagen. Als Einmalkosten für die Sanierung sind 1,5 Milliarden Euro angesetzt. Eine dreistellige Millionensumme wurde laut Kaeser für Abfindungen zurückgestellt.

Einen Renditesprung soll es erst 2014 geben. Für 2012/13 kalkuliert das Management mit 4,5 bis 5,0 Milliarden Euro operativem Gewinn. Im Vorjahr waren es vergleichbar gerechnet 4,9 Milliarden Euro. Den Umsatz sehen Löscher und Kaeser dieses Jahr leicht unter den 78,3 (plus sieben Prozent) Milliarden Euro des Vorjahrs. Grund für die Stagnation ist der Rückgang im Auftragseingang 2011/12 um ein Zehntel auf 76,9 Milliarden Euro.