Technische Probleme hemmen den digitalen Rechtsverkehr. Anwälte und Computerexperten üben Kritik. Das Justizministerium in Stuttgart sieht Baden-Württemberg jedoch als Vorreiter.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Justiz tut sich schwer mit der digitalen Kommunikation. Technische Hemmnisse behindern den Rechtsverkehr auf elektronischem Wege. „Die Infrastruktur ist bei weitem nicht so weit, damit das funktionieren kann“, kritisiert Peter Kothe, Präsident des Anwaltsverbands Baden-Württemberg. Anwälte beklagen vor allem zu geringe Übertragungsgeschwindigkeiten im Netz. Der Chaos Computer Club äußert zudem Zweifel an der Datensicherheit. Das von der Bundesrechtsanwaltskammer geplante elektronische Anwaltspostfach, das den papierlosen Austausch von Dokumenten ermöglichen soll, erweist sich als Pannenprojekt und ist seit Monaten offline.

 

Bis spätestens 2022 soll die Justiz komplett elektronisch funktionieren, zumindest für die Profis in diesem Geschäft: Richter, Staatsanwälte, Justizangestellte, Notare und Rechtsanwälte. So schreibt es das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs von 2013 vor. Seit Anfang dieses Jahres sind sämtliche Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land digital erreichbar – zumindest in der Theorie.

FDP: Relevante Probleme wurden nicht behoben

Die FDP im Stuttgarter Landtag hatte schon vor Jahresfrist Probleme bei der Übermittlung von Dokumente beklagt. „Unzureichende Übertragungsgeschwindigkeiten“ behinderten den elektronischen Rechtsverkehr, die erforderlichen Mindestanforderungen für einen geregelten Datenaustausch würden „oft bei Weitem nicht erreicht“, so der liberale Abgeordnete Nico Weinmann, privat selbst Anwalt in Heilbronn. An diesen Zuständen habe sich wenig geändert. „Relevante Probleme wurden nicht behoben“, rügt er, „Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.“ Baden-Württemberg sei kein Musterbeispiel bei der Digitalisierung der Justiz.

Das zuständige Ministerium bewertet dies ganz anders. „Baden-Württemberg ist ein Vorreiter“, sagt Robin Schray, Sprecher des Justizministers Guido Wolf (CDU). Anwalts-Präsident Kothe äußert Zweifel – auch mit Blick auf die Zukunft: „Wenn künftig auch Urteile ausschließlich elektronisch zur Verfügung gestellt werden sollten, sehe ich darin ein Riesenproblem wegen der Verjährungs- und langen Aufbewahrungsfristen“, sagt er.

Hochleistungsdrucker statt Digitalisierung

Probleme ganz anderer Art bemängelt Markus Drenger vom Chaos Computer Club gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Im Moment funktioniere der elektronische Rechtsverkehr allenfalls in der Theorie. Akten würden zwar vereinzelt elektronisch übermittelt, in den Gerichten dann aber ausgedruckt. „Digitalisierung der Justiz heißt: Man kauft jetzt Hochleistungsdrucker“, spottet der Computerexperte. Noch ist völlig unklar, ob das elektronische Anwaltspostfach, das unmittelbar nach dem Start wegen Sicherheitsmängeln wieder stillgelegt wurde, jemals funktionieren wird. Der Anwaltsvertreter Peter Kothe rügt, dass Informationen über die Panne „zu spät und lückenhaft“ erfolgt seien.