E-Bikes liegen im Trend. 2011 stieg die Anzahl in Deutschland um 50 Prozent. Doch die Elektroräder bergen auch Gefahren. Kommt deshalb die Helmpflicht?  

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Goslar - Elektrofahrräder sind in Mode. Das zeigen schon die Absatzzahlen. Die sind 2011 deutschlandweit um 50 Prozent nach oben geschnellt - ein Zuwachs, von dem andere Branchen nur träumen können. Mindestens 600.000 dieser Pedal Electric Cycles (Pedelecs) sind auf deutschen Straßen nun unterwegs, schätzt der ADAC. Und der Trend werde anhalten. Schon die Mehrheit der über 55-jährigen Fahrradfahrer setze auf dieses Fortbewegungsmittel. Doch es sind nicht nur Senioren, die dank Batterieunterstützung leichter Berge bewältigen wollen, sondern auch Pendler, die unverschwitzt ins Büro kurbeln, und Freizeitradler, die so ohne große Mühe lange Strecken schaffen. "E-Bikes sind umweltfreundlich, gesundheitsfördernd und wirtschaftlich", sagt Rainer Hillgärtner. Der Sprecher des Auto Club Europa (ACE) würdigt zum Auftakt des Verkehrsgerichtstags in Goslar diese Mode: "Das ist eine wichtige Innovation."

 

Doch so rückhaltlos positiv sehen nicht alle der im Harz versammelten Juristen, Verkehrsplaner, Polizisten und Versicherungsexperten den Boom. Viele machen sich Sorgen, dass auch das Unfallrisiko steigt, rechtliche Grauzonen und neue Haftungsfragen auftauchen. Deshalb erörtern sie, ob eine eigene Helmpflicht nötig ist und weitere Vorschriften gefordert werden sollen. Die Versicherer jedenfalls meinen, dass die Gefahr wächst. "Es wird mehr Verletzte und Tote geben", sagt Siegfried Brockmann, Unfallforscher vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Zwar fehlen noch Polizeistatistiken, denn die Beamten nehmen Unfälle mit Elektrofahrrädern bislang gar nicht gesondert auf, doch Brockmann verweist auf Untersuchungen und Crashtests. Er macht auch eine einfache Rechnung auf. Die E-Bikes seien schneller und damit gefährlicher. Außerdem würden sie vermehrt von älteren Personen genutzt. Deren Reaktionsvermögen sei nicht so hoch. Auch würden sie im Auto besser geschützt. Die Versicherer halten eine Helmpflicht ebenso für geboten wie ein Pedelec-Fahrverbot für Kinder unter 15 Jahren. Zudem solle dieselbe Promillegrenze wie für Autofahrer gelten.

Fahrrad wird eigentlich nur mit Musikelkraft bewegt

Der Deutsche Anwaltverein zielt in eine ähnliche Richtung. Viele Fragen seien offen, es müssten Gesetze und Verordnungen her. Auch Kay Nehm, der Präsident des Verkehrsgerichtstags, sieht Regelungsbedarf. "Das ist momentan ein Feld, das dem Eise gleicht", sagt der frühere Generalbundesanwalt. Seit dem Wiener Übereinkommen von 1968 gelte nämlich, dass ein Fahrrad nur mit Muskelkraft bewegt werde.

"Die Vorgabe wird den verschiedenen Pedelecs nicht gerecht." Tatsächlich gibt es da ja auch unterschiedliche Typen. Bei manchen unterstützt der Elektromotor nur das Treten, regelt dann aber bei 25 Stundenkilometern ab. Andere helfen auch beim Anfahren, und bei den stärksten sind 45 Stundenkilometer drin. "Die schwächeren Modelle sollten wir weiter wie Fahrräder behandeln", mahnt Hillgärtner. Sonst werde - typisch deutsch - eine sinnvolle neue Form der Mobilität unnötig rechtlich behindert. Die kräftigeren E-Bikes würden nach einer EU-Richtlinie ohnehin nach einem speziellen Führerschein verlangen.

"Bei ihnen kann man eine Helmpflicht prüfen", meint Hillgärtner nur. Allerdings wollen auch ACE und ADAC sonst nicht alles beim Alten lassen. Vielmehr sollten die Radwege dringend ausgebaut werden. Der Verkehrsgerichtstag will am Freitag zu dem Thema einen Beschluss fassen.