Das Geheimnis, wer sich hinter dem Pseudonym Elena Ferrante verbirgt, ist gelüftet. Allerdings um einen ziemlich hohen Preis, findet der Literaturredakteur Stefan Kister.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Die „große Unbekannte“ der italienischen Literatur, wie der Suhrkamp Verlag seine unter dem Pseudonym Elena Ferrante schreibende neue Erfolgsautorin etwas sensationsheischend angekündigt hatte, ist keine mehr. Am Wochenende hat der Journalist Claudio Gatti zeitgleich in vier Zeitungen das Ergebnis seiner Recherchen publiziert. Demnach soll sich hinter der Verfasserin des in Deutschland unter dem Titel „Meine geniale Freundin“ veröffentlichten ersten Bandes ihrer neapolitanischen Familiensaga die italienische Übersetzerin Anita Raja verbergen.

 

Mittels ziemlich indiskreten Rückschlüssen von ihren privaten Vermögensverhältnissen, Immobilienkäufen und aufgrund von Querverweisen zwischen Leben und Werk scheint nun also das Geheimnis ihrer wahren Identität gelüftet zu sein. Außer der lüsternen Aussicht auf künftige Homestories bleibt freilich offen, was dies im Geringsten für das Verständnis eines Werkes bedeuten könnte, das Bestsellertauglichkeit und intellektuelle Lust glückhaft vereint. Und das pikanterweise nicht unwesentlich von der bedachtsam konstruierten Fiktion lebt, die Schreibende und die Erlebende seien eins.

Paparazzihafte Sitten

Man könnte diese Information also achselzuckend zur Kenntnis nehmen, leicht abgestoßen von dem Umstand, dass dergleichen paparazzihaftes Unwesen mittlerweile auch von Zeitungen wie der „FAS“ gierig als Scoup gefeiert wird. Doch neben die Vulgarisierung und Verrohung des literarischen Diskurses tritt der traurige Umstand, dass die Autorin selbst ihr weiteres Schreiben vom Fortbestehen ihrer Anonymität abhängig gemacht hat. So erinnert der Vorgang ein wenig an die dienstbaren Geister aus dem Märchen, die im Verborgenen wirken, durch die naseweise Neugier der von ihnen Begünstigten aber für immer vertrieben werden.