Eliteunis in Großbritannien Warum britischen Universitäten das Aus droht

Großbritanniens renommierte Universitäten, hier das All Souls College in Oxford, klagen über Finanznöte. Foto: imago images/Christian Offenberg/via Imago

Englands renommierte Universitäten kommen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten, auch weil ausländische Studenten fehlen. Immer neue Zugangsbeschränkungen seien dafür verantwortlich, werfen die Hochschulen der Regierung vor.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Sie waren immer eine der größten Erfolgsgeschichten Großbritanniens: Von den angesehensten Hochschulen der Welt finden sich mehr im Vereinigten Königreich als in der gesamten EU. Oxford, Cambridge und Londons Imperial College bilden zusammen mit den führenden US-Universitäten die Top Ten der Weltrangliste. Für Studenten und Akademiker aus dem Ausland waren Plätze dort seit Jahrhunderten begehrt. Für die Briten sind diese Unis internationale Statussymbole und ein mächtiger Exportartikel – und natürlich ein Quell immer neuer Kenntnisse, ein Motor wissenschaftlicher Innovation.

 

Das aber droht sich dieser Tage zu ändern. Denn den britischen Unis beginnt die Luft auszugehen. Sie klagen über eine bedrohlich hohe Verschuldung. Einige fürchten schon, in absehbarer Zeit bankrottzugehen. Es fehlt überall an Geld. Die Studiengebühren, mit denen sich die Unis hauptsächlich finanzieren, sind in England im Jahr 2017 für die heimische Klientel bei 9250 Pfund pro Student und Jahr eingefroren worden. Vor den kommenden Unterhauswahlen wagt die Regierung diesen Satz aber nicht anzuheben, auch wenn sich die Betriebskosten der Hochschulen im Zuge der Inflation längst massiv erhöht haben. An rettende Geldflüsse aus der Haushaltskasse, mit direkter staatlicher Hochschulfinanzierung wie in vielen kontinentaleuropäischen Ländern praktiziert, ist in London grundsätzlich nicht gedacht.

Studenten kommen nur noch schwer an Visa

Vor allem aber beginnt eine große Einnahmequelle, auf die sich die britischen Universitäten zuletzt immer mehr stützten, zu versiegen: Den Unis fehlen die finanzkräftigen ausländischen Studenten. Kinder wohlhabender Eltern aus aller Welt, denen ein Studium „in England“ für ihre Karriere bis vor Kurzem noch unerlässlich schien, zeigen plötzlich deutlich weniger Interesse. Gegenüber dem Vorjahr sind die Neueinschreibungen um 60 Prozent gesunken. Allein die Zahl indischer Studenten ist dramatisch geschrumpft.

Ein ähnlicher Trend ist schon seit 2021 bei Studenten aus EU-Ländern erkennbar. Seit Großbritannien aus der EU ausgeschieden ist, zahlen auf der Insel studierende EU-Staatsangehörige und Schweizer Studenten dieselben Gebühren wie der Rest der Welt – zwischen 10 000 und 50 000 Pfund im Jahr. Später rückzahlbare Studien-Darlehen, wie sie britische Studenten in Anspruch nehmen können, stehen diesen Studenten nach dem Brexit nicht mehr zur Verfügung. Zwischen 2020 und 2023 hat sich die Zahl der Immatrikulationen von Vollzeit-Studenten vom Kontinent um fast zwei Drittel reduziert.

Aber nicht nur finanzielle Erwägungen haben dazu geführt, dass immer weniger internationale Studenten nach Großbritannien kommen. Eine erhebliche Rolle spielt, dass sich der Zugang ins Land schwieriger gestaltet. Interessenten aus EU-Ländern zum Beispiel brauchen inzwischen in der Regel ein Studien-Visum, wenn sie länger als ein halbes Jahr an einer britischen Hochschule verbringen wollen. Danach ist ein uneingeschränkter Aufenthalt, wie das vor dem Brexit der Fall war, nicht mehr vorgesehen.

Für alle ausländischen Studenten gilt derzeit, dass sie nach einem britischen Abschluss nur noch zwei Jahre im Land bleiben können, um einen Job – und zwar einen gut bezahlten – zu finden. Seit Kurzem dürfen nicht einmal mehr Studenten, die nach einem Bachelor-Abschluss für einen höheren akademischen Titel weiter studieren wollen, noch Ehepartner oder Kinder mit ins Land bringen. Das hält viele ganz von der Einschreibungen ab.

Regierung erwägt ständig neue Einschränkungen

Weitere Einschränkungen für Studenten aus dem Ausland werden in der Regierungszentrale ständig erwogen. Zugang soll laut Äußerungen von Mitarbeitern des Premierministers Rishi Sunak künftig nur noch Studierwilligen erlaubt sein, „die unserem Land wirklich etwas bringen“. Die verschärften Zugangsbeschränkungen erklären sich aus der Forderung der konservativen Regierung und Presse nach radikaler Reduktion der aktuellen Immigrationsrate, die ein Teil der Bevölkerung als zu hoch empfindet.

Vor allem im Blick auf die kommenden Unterhauswahlen wollen Sunak und seine Minister in der Migrationsfrage einen harten, unnachgiebigen Kurs fahren. Im März dieses Jahres meinte dazu Innenminister James Cleverly, allzu viele ausländische Studenten „missbrauchten“ ihre Visa. Er müsse sicherstellen, sagte der Minister, „dass das Verlangen nach Studenten-Visa nicht in Wahrheit von Einwanderungsabsichten motiviert ist“.

Große Sympathien genießt „die akademische Welt“, da sie oft als aufmüpfig und antikonservativ gilt, bei vielen Torys sowieso nicht. Rechtskonservative Abgeordnete wie der frühere Migrationsstaatssekretär Robert Jenrick wollen die Graduierten-Visa ganz abgeschafft sehen, „weil sie Leuten erlauben, hierher zu kommen und für Niedriglöhne in der Gig-Ökonomie zu arbeiten“. Ganz so weit will die Regierung nicht gehen. Ein paar zusätzliche Hindernisse wie Englisch-Tests für Einschreibewillige oder eine schärfere Kontrolle der Studienplatz-Vermittlung sind allerdings geplant.

Für die Unis ist das Ganze eine Katastrophe

Für die Universitäten freilich ist jede Politik der Abweisung von Ausländern eine Katastrophe. „Internationale Studenten sind unglaublich wichtig für unsere Gesellschaft und Kultur“, sagt etwa Sally Mapstone, Präsidentin des Dachverbands Universities UK. „Sie tragen enorm viel bei zum Gedeihen der Hochschulen, zur Wirtschaft, zu Fachkenntnissen und zu Jobs im Lande.“ Ein weiterer Verlust an Studierenden sei „eine Tragödie nicht nur für die Universitäten, sondern für das Vereinigte Königreich als Ganzes“, meint sie.

Die Gewerkschaft der Uni-Mitarbeiter meldet inzwischen, dass schon jede zweite englische Universität damit begonnen habe, ihr Personal und ihr Angebot zu verringern. „Mit ihren permanenten Attacken gegen ,studentische Migranten‘ scheinen die Torys die Situation nur immer weiter verschlimmern zu wollen“, klagt die Organisation. Geht diese Entwicklung weiter, wird erwartet, dass ohne zusätzliche Regierungssubventionen in drei Jahren bereits vier von fünf Universitäten im roten Bereich landen. „Großbritannien riskiert, eine goldene Gans abzuwürgen“, hat jetzt besorgt die Zeitung „Financial Times“ gewarnt.

Englands altehrwürdige Universitäten

Oxford
 Die University of Oxford ist die älteste Universität der englischsprachigen Welt. Sie existiert seit dem 12. Jahrhundert. Sie hat 30 britische Premierminister, zahlreiche internationale Staats- und Regierungschefs sowie fast 60 Nobelpreisträger hervorgebracht. Oxford-Absolventen haben zudem 160 olympische Medaillen gewonnen.

Cambridge
 Auch die University of Cambridge, gegründet im Jahr 1209, hat als eine der prestigeträchtigsten Bildungseinrichtungen mehr Nobelpreisträger als so ziemlich jede andere Uni erhalten und hervorgebracht – 121, um genau zu sein. Etwa 70 der Ausgezeichneten waren selbst Studenten in Cambridge, die anderen forschten dort.

London
Das Imperial College, das King’s College, die London School of Economics and Political Science und das University College London, allesamt ansässig in der britischen Hauptstadt, bilden gemeinsam mit Oxford und Cambridge das Golden Triangle (Goldenes Dreieck), die Gruppe der renommiertesten britischen Traditionsuniversitäten.

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