Waiblingen hat eine neue Anlaufstelle für junge Frauen in schwierigen Situationen. Finanziert wird sie aus dem Erbe einer Bürgerin. Wie sieht das Angebot aus?

Ein Haus für Mädchen und junge Frauen, die aus schwierigen Situationen kommen und eine Anlaufstelle benötigen – das Angebot gibt es seit dieser Woche in Waiblingen. Möglich gemacht hat es Elfriede Saur-Elsässer, die zu Lebzeiten in der Arbeit mit Jugendlichen engagiert war und 2020 verstarb. Die Waiblinger Bürgerin vererbte ihr Anwesen und ihr gesamtes Vermögen an ihre Heimatstadt – mit dem Auftrag, diese in ihrem Sinne einzusetzen. Das erste Ergebnis ist das Haus Elli. Wie kam es dazu?

 

„Alles hat damit angefangen, dass die Stadt die Erbschaft von Frau Saur-Elsässer erhalten hat“, berichtet Thomas Schaal von der Stadt Waiblingen. 2021 hat die Stadt die Elli-Saur-Elsässer-Stiftung gegründet, deren Geschäftsführer Schaal nun auch ist. Diese Stiftung habe sich zum Ziel gesetzt, „regionale pro-soziale Projekte von Jugendlichen, Jugendgruppen oder Schulklassen für andere Gesellschaftsgruppen zu unterstützen“, wie der Geschäftsführer es formuliert. So wolle man das soziale Engagement junger Menschen fördern und gleichzeitig den Selbstwert und die Gemeinschaft stärken – Aufgaben, die Saur-Elsässer selbst wichtig gewesen seien.

Ambulantes Angebot und Wohngemeinschaft

Weil das zentrale Element der Stiftung das ehemalige Wohnhaus von Elfriede Saur-Elsässer gewesen sei, habe man sich dazu entschieden, als erstes Projekt das Gebäude mit Leben zu füllen. Auf die entsprechende Ausschreibung haben sich das SOS-Kinderdorf Baden-Württemberg und die Evangelische Gesellschaft Eva beworben. Eben mit der Idee, im Gebäude ein Mädchenhaus einzurichten. „Der Stiftungsvorstand fand es absolut passend zu dem, was sich die Erblasserin damals vorgestellt hat“, berichtet Thomas Schaal.

Das Mädchenhaus Elli richtet sich an Hilfe suchende Jugendliche und junge Frauen aus dem Rems-Murr-Kreis im Alter zwischen 16 und 21 Jahren, die aus schwierigen Verhältnissen kommen. Das Besondere an der Einrichtung sei, dass sie aus zwei Angeboten bestehe, erklärt Carmen Keppner von der Evangelischen Gesellschaft Eva, die den Bereich Ambulante Hilfen im Rems-Murr-Kreis leitet. Das Jugendamt hilft dabei, die hilfebedürftigen Mädchen dorthin zu vermitteln.

Der obere Teil des Hauses soll zur Jugendwohngemeinschaft (kurz: JWG) werden, im unteren Teil soll es eine ambulante Anlaufstation geben. In der Jugendgemeinschaft wird es Platz für vier junge Frauen geben, sagt Carmen Keppner.

Früher Wohnhaus, bald Zuhause für junge Frauen

In einer JWG zu wohnen bedeute, dass zwar immer ein Betreuer auf Abruf bereitsteht, dieser aber nicht 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche mit den Jugendlichen zusammenwohnt. „Es ist etwas zwischen Wohngruppe und alleine leben“, fügt die Eva-Mitarbeiterin hinzu. „Bedarfsorientiert“ ist das Wort, das die Bereichsleiterin in diesem Zusammenhang verwendet.

Das bedeutet im Fall des Hauses Elli: Vier pädagogische Fachkräfte des SOS-Kinderdorfs und der Evangelischen Gesellschaft betreuen die jungen Frauen montags bis freitags am Nachmittag, unterstützen diese im Alltag und geben „Hilfen zur Erziehung“, wie Keppner sagt. Ziel sei aber nicht nur, jungen Frauen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr zu Hause leben können, eine Bleibe zu geben. Sondern auch, diesen zu mehr Selbstständigkeit zu verhelfen.

Im ganzen Haus soll es, wenn überhaupt, nur einen sehr eingeschränkten Männerbesuch geben. „Es soll wirklich klar sein, dass da die jungen Frauen unter sich sind“, sagt Keppner. Das Haus Elli solle ein Schutzraum sein, an den sich auch geflüchtete junge Frauen, die aus kulturellen Gründen sonst sehr eingeschränkt seien, trauten.

Im Mittelpunkt soll die individuelle Betreuung stehen

Die Bereichsleiterin hebt hervor, dass die Wohngemeinschaft nicht vom ambulanten Bereich des Hauses abgetrennt sein wird. „Die Idee ist, dass man Synergieeffekte hat“, sagt Keppner. Konkret solle es mindestens einmal im Monat Kurse geben, die sich sowohl an die Jugendlichen aus der Ambulanz als auch aus der Wohngemeinschaft richten. Die Eva-Mitarbeiterin nennt das Thema Versicherungen als Beispiel. „Es geht um das, was junge Frauen brauchen.“

Derzeit entwickeln die vier Fachkräfte noch weitere Angebote für das Haus Elli. „Die vier Mitarbeiterinnen, die wir gewinnen konnten, sind alle sehr erfahren“, kommentiert Keppner. Klar ist aber bereits jetzt: Im Mittelpunkt sollen die individuelle Förderung und Betreuung stehen. „Es gibt zum Beispiel eine Kollegin, die auch ein Pferd hat, das sie zur Verfügung stellt.“ Eine andere Kollegin möchte ihren Hund einsetzen, und wieder eine andere sei Entspannungstrainerin und plane, entsprechende Kurse für die jungen Frauen anzubieten.

Und auch dank der Stiftung sei die individuelle Betreuung möglich. Dort könnten nämlich ebenfalls Gelder beantragt werden, sollte eine Betroffene etwas benötigen, was durch die Krankenkasse oder das Jugendamt nicht übernommen werden könne. „Wenn eine Frau einen Englischkurs braucht, dann wird es eben ein Englischkurs“, sagt Carmen Keppner. „Und dann schaut man, ob man mit den Stiftungsgeldern einen solchen Kurs organisieren kann.“