Elmore Leonard schreibt nun doch weiter über l Raylan Givens, den er an die TV-Serie „Justified“ abgegeben hatte. Und zwar knochentrocken über einen eisernen Pragmatiker.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Neulich haben wir an dieser Stelle über Verlage geklagt, die ihren potenziellen Lesern mal eben so des Krimirätsels Lösung auf den Tisch knallen. Suhrkamp ist über diesen Verdacht erhaben: „Raylan“ heißt der neueste, unter dem Label Suhrkamp nova erschienene Roman von Elmore Leonard. Der hat die Titelfigur schon mehrfach eingesetzt, mittlerweile ist sie aber wohl als Fernsehheld am bekanntesten. Timothy Olyphant verkörpert Raylan in der TV-Serie „Justified“, die in Deutschland auch auf DVD erhältlich ist (Sony Pictures Home Entertainment).

 

Bei Suhrkamp erfährt man im Klappentext nicht sehr viel mehr, als dass die Hauptperson mit vollem Namen Raylan Givens heiße, als „Top-Ermittler im U.S. Marshals Service“ arbeite, bei Bedarf ebenso gerne wie schnell zur Waffe greife und auf der Spur von Dealern sei, die vom Drogen- auf den Organhandel umgestiegen seien. Tja, und „plötzlich findet sich Raylan in der Rolle des unfreiwilligen Organspenders wieder…“

Gier, Sex, moralfreie Akteure

Kein Wort davon, dass in dem Buch viel mehr steckt als die Suche nach den beiden Nierenräubern. Kein Wort davon, dass Raylans Heimat Kentucky, einst das Kohlerevier der Staaten, eine große Rolle spielt, dass Umweltzerstörung und Hoffnungslosigkeit für Leonard ebenso ein Thema sind wie menschliche Unzulänglichkeiten, Gier, Sex und komplett moralfreie Akteure. Kein Wort davon, dass der Autor ein Triptychon entwirft, in dessen Zentren jeweils Marshall Givens steht, ein Bilderbuchvertreter der Spezies Ein-Mann-muss-tun-was-ein-Mann-tun-muss. Und kein Wort davon, dass in der Welt des betagten Großmeisters (Elmore Leonard ist Jahrgang 25) Männer und Frauen so gleichwertig sind, wie sie es nur sein können – im Guten wie im Bösen. Für Leonard ist das schlicht Fakt. Einen pseudo-emanzipatorischen Diskurs, wie er etwa seinem Kollegen Parker mal gründlich misslungen ist, braucht er dafür nicht vom Zaun zu brechen.

Unbeirrt stapft Raylan durch eine Welt, in der (fast) jeder nur an sich denkt. Der Dealer, die ehemalige Krankenschwester, die karrieregeile Vertreterin der Bergbaugesellschaft, der Porno-Produzent, der bekiffte Stripperinnen zu Banküberfällen zwingt . . . Unbeirrt kommt der Marshall den großen und kleinen Ganoven auf die Schliche, um ihnen seelenruhig das Handwerk zu legen. In seinem eisernen Pragmatismus ähnelt er einer anderen Krimifigur, allerdings einer von der Gegenseite: Richard Starks Parker, der gerade im Kino einen Auftritt hat und dessen Darsteller Jason Statham man sich auch eins zu eins als Raylan Givens vorstellen könnte.

Die Remington im Pflegeheim

Doch nicht nur Raylan macht seinen Weg, andere sind ihm in ihrer Zielstrebigkeit ziemlich ebenbürtig. So beschreibt Leonard ebenso lakonisch wie unterhaltsam, welche Folgen es haben kann, wenn 69-jährigen Witwen im Pflegeheim ein, zwei Schuss Munition zugespielt werden, die diese dann in ihre Pumpgun vom Typ Remington 870 packen. Aber mehr wird jetzt wirklich nicht verraten!

Elmore Leonard: Raylan. Suhrkamp, 308 Seiten, 19,95 Euro