Felizitas Keller hat sich 25 Jahe im EkiZ eingesetzt, zuletzt war sie Geschäftsführerin. Jetzt verabschiedet sie sich in den Ruhestand. Der Einrichtung will sie aber trotzdem als Helferin und Besucherin erhalten bleiben.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-West - Ihr Schreibtisch sieht nicht so aus, als würde Felizitas Keller sobald gehen. Unterlagen, lose Zettel, Teebeutel stapeln sich kreuz und quer, die Teekanne nimmt sie schnell noch mit in den Besprechungsraum. „Meinen Tee brauche ich immer“, sagt sie. Auf den Süßstoff verzichtet sie; sie kann ihn so spontan in dem Wirrwarr nicht finden. Dabei ist offiziell eigentlich ihr vorletzter Tag im Eltern-Kind-Zentrum im Stuttgarter Westen. Zum 28. Februar verabschiedet sich die 65-jährige in den Ruhestand. „Vielleicht verschiebe ich das auch auf den 29. Februar“, sagt sie, lacht und schenkt sich Tee ein und fängt schon an von ihrem Leben im Ekiz zu erzählen. Euphorisch. Und ohne Pause.

 

Über eine Mutter-Kind-Gruppe kam die Geschäftsführerin einst privat ins EkiZ

Erst nach fünf Minuten bemerkt sie, dass die Teetasse ihres Gastes noch leer ist. „Oh das tut mir leid. Ich bin Single. Ich bin es so gewohnt, dass ich alleine bin. Deshalb passiert mir das auch sooft“, entschuldigt sie sich überschwänglich. Das muss man erzählen, weil es auch zu Felizitas Kellers Verbundenheit mit dem EkiZ dazu gehört. Denn nur deshalb kam die gebürtige Rheinländerin aus Koblenz ja überhaupt zu dem Stadtteil- und Familienzentrum, das damals vor 25 Jahren noch in der Bismarckstraße war. „Ich war alleinerziehend und habe ein Mutterkind-Programm gesucht.“ In Botnang, wo sie damals gewohnt hat, habe es nur einige Bastelkurse oder Ähnliches gegeben. Nicht das, was sie gesucht hat: Gespräche übers Elternsein, ein bisschen Anschluss und vor allem auch Zugehörigkeit als Mutter.

Ihr erster Kontakt mit dem Ekiz sei quasi als „Hilfesuchende“ gewesen. „Da hab ich das Ekiz kennen und lieben gelernt“, erzählt sie. „Dort habe ich mein Paradies gefunden.“ Die Mutter-Kind-Gruppe, zu der sie damals mit ihrem heute 25-jährigen Sohn ging, blieb nicht lange ihr einziger Berührungspunkt. Schnell brachte sich Felizitas Keller auch ehrenamtlich ein, nahm Wäsche zum Waschen mit nach Haus und fing eines ihrer Herzensprojekte an, das sie auch heute noch macht, den Secondhandbasar. Später ist sie mit dem Ekiz umgezogen in die Ludwigstraße 41-43. Und weiterhin geblieben.

Ihre ganze Familie ist inzwischen eingespannt – alle sind dort zu Hause

Eine Arbeit als Alleinerziehende zu finden, war für die Sozialpädagogin nicht leicht. Ideal war es deshalb für sie, dass sie dort, wo sie eh schon quasi die meiste Zeit verbrachte, irgendwann auch auf 450-Euro-Basis, dann 20 Stunden und irgendwann Vollzeit arbeiten konnte. Vom Jahr 1999 an war sie als Koordinatorin im Ekiz, seit 2006 auch Mitglied der Geschäftsführung mit dem Tätigkeitsschwerpunkt „offener Treff“. Wobei der Titel für sie gar nie so wirklich relevant war. Sie hilft halt dort, wo sie gebraucht wird. „Wenn mich jemand fragt, sage ich nie, dass ich Geschäftsführerin bin“, sagt sie. „Ich arbeite halt im Ekiz.“

Ihre Kinder musste Keller oft mitnehmen. Die sind deshalb dort genauso zu Hause wie sie selbst. Schon früher seien sie nach der Schule rübergekommen zum Mittagessen, der Sohn hat deshalb auch schon im Zentrum mitgearbeitet, ihre Tochter leitete das Babycafé, bevor sie selbst vor 14 Monaten Mutter wurde. Die Schwiegertochter arbeitet inzwischen ebenfalls mit – im Mini-Kindergarten. Lange sei das Zentrum für sie als Alleinerziehende auch ein Familienersatz gewesen, sagt Keller. Heute ist es fast ihr Familienbetrieb.

Die Insolvenzphase war eine kräftezehrende Zeit

Die ausgebildete Sozialarbeiterin kümmert sich dort um den begleiteten Umgang, also um Kinder, deren Eltern sich gerade getrennt haben; um Flüchtlings- und Migrationsprojekte, um das Programm „Opstapje“, bei dem Helferinnen Hausbesuche bei eher sozial schwächeren Familien machen, um die Mutter-Kind-Bindung zu stärken. Keller schult die Hausbesucherinnen. Viele Mütter, die in dem Programm waren, helfen heute auch im Ekiz mit. „Gerade viele türkische Frauen haben sich dadurch sehr emanzipiert“, sagt Keller. Die Liste, ihrer Tätigkeiten könnte noch eine Weile fortgeführt werden. Und einige davon wie der Secondhandbasar, die Flohmärkte oder die Veranstaltung „Lit-Kul-tur“ sind da ja auch „nur“ ihre Hobbys.

Sie zu ersetzen wäre schwer gewesen. Fast unmöglich eigentlich. Deshalb werden ihre Aufgaben künftig auf verschiedene Schultern verteilt. Im Zuge des Insolvenzverfahrens, welches das Ekiz im vorletzten Jahr anmelden musste, das aber inzwischen abgeschlossen ist, mussten viele Mitarbeiterinnen Prozente von ihrer Stelle abgeben. Einige können jetzt wieder aufstocken, sagt Keller. Wer mit seiner Arbeit so eng verbunden ist, tut sich meistens schwer, plötzlich in den Ruhestand zu gehen. Ob sie sich freut? „Jein.“ Natürlich werde ihr das Ekiz fehlen. „Ich habe hier mit Herzblut gearbeitet.“ Aber gerade auch die Zeit des Insolvenzverfahrens habe sie sehr viel Kraft gekostet. „Mein ‚drittes Kind’ über die Runden zu bringen, das war schwer“, sagt sie. Auf ein bisschen mehr Ruhe und Erholung freut sie sich deshalb.

Ganz gehen? Das kann sie sich niemals vorstellen

Und ganz weg ist sie ja auch nicht. Ihre Hobbys im Haus behält sie. „Und zu meinen Mitarbeiterinnen sage ich ja auch schon immer, dass der 1. März ja nun auch nicht mein Todestags ist.“ Für Fragen und Ideen stehe sie jederzeit zur Verfügung. Natürlich.

In ihrer neuen gewonnenen Freizeit, also in der Zeit, die Keller neben ihren ehrenamtlichen Tätigkeiten für das Ekiz bleibt, will sie sich aber nun auch viel um ihren Enkel kümmern. „Aber mit dem komme ich sicher auch mal zum Spielen oder Mittagessen her“, kündigt sie schon an. Familienbetrieb bleibt halt Familienbetrieb.