Dank der Warum-Fragen ihres Sohnes weiß unsere Kolumnistin jetzt zum Beispiel, dass der Argentinosaurus ununterbrochen pupsen musste. Auch sonst hat sie sich jede Menge unnützes und nützliches Fachwissen angeeignet. Und manchmal beschäftigt sie sich sogar mit den ganz großen philosophischen Fragen.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Stuttgart - Als Mutter verblödet man schnell, so das Klischee, weil man keine Zeit mehr hat, sich um das Weltgeschehen zu kümmern, geschweige denn, sich über irgendetwas Gedanken zu machen, was über Beikosteinführung und den nächsten Drogerie-Großeinkauf hinaus geht. Und das stimmt schon auch ein bisschen. Ich zum Beispiel war noch nie in meinem Leben so schlecht über die aktuelle Nachrichtenlage informiert wie derzeit, was schon auch daran liegt, dass ich viel Zeit mit den Kindern verbringe, vor allem aber daran, dass mein Kopf voller To-do-Listen rund um Haushalt, Nachwuchs und Alltagskram ist.

 

Einerseits. Andererseits habe ich mir als Mutter wiederum ganz neue Themenfelder erschlossen und darin so viel Expertinnenwissen angehäuft, das ich ohne Probleme in diese bekannte Quizshow gehen und wahrscheinlich eine Million Euro gewinnen könnte – wenn ich Zeit dafür hätte, was ich leider nicht habe wegen der To-do-Listen und so. Ich stecke unter anderem ebenso tief drin in der Geschichte der Schifffahrt wie in den unterschiedlichen Dinosaurierarten und den Feinheiten der Fußballhistorie. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass der Einbaum im Holozän erfunden wurde, der pflanzenfressende Argentinosaurus quasi ununterbrochen pupste und was „Tor!“ auf Mandarin heißt (Mudi).

Der Sohn, ein einziges Fragezeichen

Schuld ist mein Sohn (5). Seit er sprechen kann, ist er ein einziges großes Fragezeichen. Schon morgens um 6.30 Uhr geht es los. Ich lese Zeitung – oder versuche es zumindest – und das Kind will zu jedem Foto wissen, wer darauf abgebildet ist, was die da machen und natürlich warum. Auf dem Weg zur Kita wird dann eine kleine Baustelle erkundet („Was ist in dem Rohr?“, „Wie wird man Bauarbeiter?“, „Wie machen die das Loch wieder zu?“), die vorbeifahrende Müllabfuhr beobachtet („Warum sind manche Müllautos gelb und andere grün?“ „Wohin kommt der Müll?“, „Warum gibt es überhaupt Müll?“), die parkenden Autos analysiert („Welches fährt am schnellsten?“, „Warum ist da ein Löwe drauf?“, „Warum haben wir keinen Porsche?“).

Bis wir im Kindergarten angekommen sind, habe ich also bereits Vorträge über Straßenbau, das deutsche Mülltrennungssystem und unsere Vermögensverhältnisse gehalten, allerdings auch erhebliche Wissenslücken und gefährliches Halbwissen meinerseits identifiziert (heute morgen zum Beispiel über verschiedene Wolkenformen und ihre Namen), mich gefragt, warum ich eigentlich nur unnütze Fächer studiert habe und nicht etwa Physik, Ingenieurwesen oder Biologie, und ungefähr fünf mal Google befragt.

Der Nestbau der Mörtelbiene

Apropos: Neben dem Internet (Wie haben das Eltern eigentlich früher gemacht?) sind mittlerweile Kinderbuch- Reihen wie „Was ist was“ oder „Wieso? Weshalb? Warum?“ meine häufigste Lektüre. Dabei bin ich für manchen Wissenszuwachs dankbar. Zum Beispiel hat mich sehr fasziniert, wie die Mörtelbiene oder der Zigarrenwickler ihre Nester bauen. Auf andere Details könnte ich wiederum sehr gut verzichten, wie zum Beispiel zum Thema Baustoffhandel, über den es tatsächlich ein eigenes Pixi-Buch gibt. Aber das hängt sicherlich von der individuellen Interessenslage ab.

Außerdem gibt es glücklicherweise ein paar entlastende Hilfsmittel, um den Wissensdurst des Kindes zu stillen. Die erwähnten Kinderlexika-Reihen sind alle auch auf CD erhältlich. Es gibt prima Museen zum Thema Natur- und Völkerkunde in Stuttgart. Und wer sich selbst den Gefallen tut, die Kinder fernsehen zu lassen, der findet jede Menge gut gemachte Sendungen, wovon hier nur die berühmteste mit der Maus erwähnt sei. Ach ja: Mit Kindern hat man ja endlich wieder einen Vorwand, die Maus und den Elefanten auch im Erwachsenenalter noch interessiert zu verfolgen.

„Wo fängt der Himmel an?“

Ein bisschen kniffliger wird es allerdings bei den ganz großen Fragen des Lebens, die ja keiner so nonchalant und schön formulieren kann, wie ein Kind. Mein Sohn interessiert sich derzeit sehr für Theologie und Philosophie – natürlich ohne es zu merken. „Was kommt nach Unendlich?“ „Warum bist du kein Tier?“ „Wo fängt der Himmel an?“ „Warum gibt es Krieg?“ „Glaubst du an Gott?“ ist nur eine kleine Auswahl der Fragen, die er mir in letzter Zeit gestellt hat. Meine gestammelten Antworten darauf erspare ich Ihnen jetzt, nur so viel: Er hat es auf jeden Fall geschafft, dass ich die To-do-Listen erst mal vergessen und eine kleine Weile lang über wichtigere Dinge nachgedacht habe.

Lesen Sie hier mehr aus der Kolumne „Mensch, Mutter“.

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr. Sie schreibt im Wechsel mit ihrem Kollegen Michael Setzer, der als „Kindskopf“ von seinem Leben zwischen Metal-Musik und Vatersein erzählt.