Elternurlaub im Realitätscheck Stuttgarter Mutter: „Entspannung kennt unser Baby nicht“
Zu dritt entspannen am Lago Maggiore – das war der Plan unserer Autorin. Doch nicht der ihres Babys. Kann der erste Familienurlaub trotzdem schön sein?
Zu dritt entspannen am Lago Maggiore – das war der Plan unserer Autorin. Doch nicht der ihres Babys. Kann der erste Familienurlaub trotzdem schön sein?
Kurz vor unserem Urlaub habe ich die Tage gezählt. Noch vier Tage, noch drei Tage,… – dann haben wir endlich ganz viel Zeit zu dritt. Ich habe mir vorgestellt, dass ich morgens joggen gehe, dass wir gemeinsam entspannt am See liegen, dass mein Baby sich an der Natur erfreut.
Die Realität war etwas anders. Joggen war ich kein einziges Mal. Und „entspannt am See liegen“ – dieses Konzept kennt ein Baby nicht; zumindest nicht unser Baby. Unser Sohn liebt es, wenn man ihn herumträgt, Quatsch mit ihm macht oder ihm etwas vorsingt.
Schnell merkten mein Freund und ich: Länger als eine Stunde am See zu bleiben, ist utopisch. Unser Baby langweilte sich schnell und fing an zu quengeln. Stattdessen nahmen wir unser Kind in die Babytrage und gingen fortan, sofern es das Wetter irgendwie zuließ, wandern.
In der zweiten Woche unseres Urlaubs kam dann der Regen. Nicht ein bisschen Nieselregen, sondern Starkregen. Sechs Tage am Stück. Und als der Regen aufhörte, fegte ein solcher Wind über den Lago Maggiore, dass wir Ohrenschmerzen bekamen.
Und im Gegensatz zu früheren Urlauben, in denen wir in der Regel mit Fahrrädern oder Campingbus unterwegs waren und so je nach Wetter auch spontan umplanen konnten, ging das dieses Mal nicht. Wir hatten die Ferienwohnung für zwei Wochen gebucht und waren mit dem Zug angereist – unsere Mobilität war sehr eingeschränkt.
Bei diesem Wetter und viel Zeit in der Ferienwohnung fiel dann noch mehr auf, dass uns die „Infrastruktur“ von zuhause fehlte. Dass wir keine Wickelkommode hatten, sondern unseren Sohn im Bett oder auf dem Boden wickeln mussten, daran gewöhnten wir uns. Aber dass es keinen passenden Baby-Hochstuhl für ihn gab, das war herausfordernd. Denn es bedeutete, dass wir ihn bei jedem Essen auf dem Schoß hatten. Und inzwischen findet unser Sohn Teller, Gläser und Flaschen höchst faszinierend. Entsprechend schnell waren unsere gemeinsamen Essen beendet.
Nein, erholsam waren diese zwei Wochen nicht. Das liegt auch daran, dass man bei einer Reise mit Kind alle Aufgaben von zuhause ja mitnimmt: Baby stillen und mit Brei füttern, Baby wickeln, Baby duschen (oder im Waschbecken säubern), Baby zum Schlafen bringen. Und ein Baby unterscheidet auch nicht zwischen Alltag oder Urlaub; unser Sohn wachte auch in Italien zuverlässig jeden Morgen um 6 Uhr auf und wollte unterhalten werden oder im Bett umher robben. Dazu kommt, dass die meisten Kinder – so auch unser Sohn – im Urlaub eher schlechter schlafen als zu Hause, etwa weil das Reisebett ungewohnt ist, die Bettwäsche anders riecht und sowieso alles so aufregend ist.
Dennoch habe ich wohl selten in einem Urlaub so viel gelacht wie in diesen zwei Wochen am Lago Maggiore. Wenn er bei Wanderungen in der Babytrage vor sich hin brabbelte, war das sehr unterhaltsam. Auch seine Versuche, am See die Möwen zu imitieren und lautstark zu krähen, waren zumindest eine gewisse Zeit lang lustig. Dazu kommt: Sich als Paar bei allem abwechseln zu können, was das Baby betrifft, und den ganzen Tag gemeinsam zu verbringen, ist wirklich schön.
Schließlich habe ich die vergangenen sieben Monate unter der Woche mit unserem Baby größtenteils alleine gestemmt – und kam dabei immer wieder an meine Grenzen. Gemeinsam jedoch kann man darüber lachen, wenn der frisch angezogene Strampler nach zwei Stunden von oben bis unten mit Karottenbrei beschmiert ist oder mal wieder ein Windel-Unglück passiert ist.
Und ehrlicherweise hätte ich in diesem Urlaub durchaus mal joggen gehen können. Aber die Alternativen – zu dritt Croissants holen, den Sonnenaufgang gemeinsam anschauen, Eis essen – haben mich immer mehr gereizt. Und die Joggingschuhe waren immerhin für die diversen Wanderungen durchaus nützlich.
Julia Bosch
(33) ist Redakteurin unserer Zeitung und wurde Anfang 2025 Mutter. Während ihrer Elternzeit wird sie in mehreren Artikeln erzählen, wie ihre Vorstellungen übers Muttersein mit der Realität zusammenprallen. Sie lebt mit Freund und Sohn in Stuttgart. Hier geht’s zu den bereits veröffentlichten Artikel.