InterviewElyas M’Barek über Nazis, Filme und Kollegen „Ich bin nicht so der rachsüchtige Typ“

Mit der „Fack Ju Göhte“-Reihe ist Elyas M’Barek einer der bekanntesten deutschen Filmschauspieler geworden. In „Der Fall Collini“ spielt er nun ganz ernst einen jungen Anwalt. Solche Wechsel, sagt er im Interview, hielten seinen Beruf spannend.
Stuttgart - Neben Matthias Schweighöfer und Til Schweiger ist Elyas M’Barek der wichtigste männliche Star des deutschen Kinos. Aber er will nicht nur als charismatische Ulknudel gesehen werden. Im Justizdrama „Der Fall Collini“ zeigt er sich sehr ernst. Im Interview spricht er über sein Interesse an solchen Stoffen und Figuren.
Herr M’Barek, was ist das für ein Gefühl, sich selbst immer wieder überlebensgroß auf wandhohen Plakaten zu sehen?
Das fühlt sich schon ganz schön surreal an. Aber das bringt der Beruf eben so mit sich. Man darf das nicht zu nah an sich rankommen lassen und sich selbst nicht zu wichtig nehmen. In einer Woche hängt da bestimmt wieder ein anderer.
In „Der Fall Collini“ spielen Sie einen jungen Strafverteidiger. Wollen Sie vom „Fack Ju Göhte“-Image loskommen?
Das ist nur das Bild, das am bekanntesten von mir ist. Ich habe schon ganz viele andere Rollen gespielt. Das ist doch das Spannende an diesem Beruf, dass man sich immer wieder ausprobieren und neue Facetten entdecken darf.
Wie eng haben Sie mit Romanautor Ferdinand von Schirach zusammengearbeitet?
Wir haben uns ein paar Mal getroffen, aber auch über ganz andere Dinge als das Buch gesprochen, wie seine Japan-Reisen und das beste Sushi in Berlin. Ich mag die Klarheit seiner Sprache, die Spannung, die er aufbaut. Die Geschichten wirken immer so perfekt. Jede Story trägt eine eigene Wahrheit in sich. Beim zweiten Lesen entdeckt man oft Neues. Er hat eine nüchterne, tolle Bildsprache. Ich habe bisher jedes seiner Bücher verschlungen.
War Ihnen das „Dreher-Gesetz“, das NS-Verbrecher straffrei davonkommen ließ, zuvor ein Begriff?
Nein, aber das wird wohl auch kaum einer kennen, der nicht den Roman gelesen hat. Um so schockierender fand ich es, zu erfahren, was das Gesetz damals bedeutet hat. Das war ein großer Justizskandal.
Ist es für Sie wichtig, in Zeiten des erstarkenden Rechtsradikalismus auf deutsche Kriegsverbrechen hinzuweisen?
Wir müssen uns immer wieder mit dieser Vergangenheit beschäftigen. Und nachfolgende Generationen daran erinnern, was passieren kann, wenn die falschen Leute an die Macht kommen, und wie schnell sich eine Gesellschaft wandeln kann. Wir müssen immer wieder zeigen, dass solche Verbrechen begangen wurden, keiner etwas dagegen getan hat und man danach versuchte, alles zu verschweigen.
Wie war es, mit einer Legende wie Franco Nero zusammenzuarbeiten?
Auch wenn ich schon selbst eine Weile dabei bin, schaue ich erfahreneren Kollegen gerne bei der Arbeit zu. Mit einem Mann wie Franco Nero vor der Kamera zu stehen – das sind die großartigen Momente, die den Schauspielerberuf ausmachen.
Wäre Anwalt ein Beruf für Sie?
Ja, das wäre bestimmt etwas, was mich interessieren würde. Im Film geht es ja eher darum, das glaubhaft darzustellen. Ich habe nicht das BGB auswendig gelernt. Aber ich habe mich mit Strafverteidigern ausgetauscht und den ein oder anderen Gerichtsprozess angeschaut. Letztlich ist das jedoch weniger beeindruckend als man denkt.
„Der Fall Collini“ untersucht den Widerspruch zwischen Recht und Gerechtigkeit. Was halten Sie vom deutschen Rechtsstaat?
Wenn man Deutschland mit anderen Ländern - auch in Europa - vergleicht, wo der Rechtsstaat nicht so gut funktioniert, muss man dankbar dafür sein, dass man sich hier auf das Rechtssystem verlassen kann. Ob es dabei immer gerecht zugeht, ist natürlich eine andere Frage.
Der Film handelt auch von Rache. Wie gehen Sie mit Rachegefühlen um?
Ziemlich gut. Ich bin nicht so der rachsüchtige Typ. Das Prinzip „Auge um Auge. Zahn um Zahn“ kann ich nicht nachvollziehen. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß und führt zu einer Spirale der Gewalt. Es ist viel wichtiger, dass man Dinge verzeihen kann und nicht nachtragend ist. Rache bringt am Ende immer nur noch mehr Leid.
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