EM 2021 in Stuttgart und Region Warum Corona ein großes Public Viewing verhindert

In der Coronapandemie undenkbar: Bei der Fußball-WM 2006 feierten zigtausende Stuttgarter ein großes Fest auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Foto: dpa/Marijan Murat

Obwohl erstmals seit Monaten wieder größere Menschenansammlungen erlaubt sind, schrecken Stuttgart und die großen Städte in der Region vor Fanfesten anlässlich der Fußball-Europameisterschaft zurück. Das bietet Chancen für Gastronomen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Stuttgart - Natürlich ist die Zurückhaltung vor allem der Pandemie geschuldet. Richtig große Public-Viewing-Events mit mehreren tausend Fans vor Riesenleinwänden wird es in Stuttgart und in den Kreisen der Region während der Fußball-Europameisterschaft, die von diesem Freitag an bis zum 11. Juli stattfinden wird, nicht geben.

 

Aber nicht nur die Ansteckungsgefahr und eventuell wieder steigende Inzidenzen, die ambitionierte Pläne schnell platzen lassen könnten, dämpfen die Vorfreude auf das sportliche Großereignis. Auch die sportliche Perspektive der deutschen Nationalmannschaft birgt gewisse Risiken: Denn bereits acht Tage nach dem Auftaktspiel am Dienstag gegen Frankreich könnte alles schon wieder vorbei sein. Bei der Weltmeisterschaft 2018 scheiterte die Elf schließlich schon in der Vorrunde.

Viele Optionen fürs gemeinsame Fußballschauen in Stuttgart

Und dennoch: Fußballfans, die in der Region Stuttgart auf das Erlebnis, mit Gleichgesinnten das Spiel ihrer Mannschaft auf einer großen Leinwand zu sehen, nicht verzichten wollen, werden dazu an einigen Orten die Gelegenheit bekommen. In Stuttgart etwa steht schon lange fest, dass das Mercedes-Benz-Museum im Rahmen seines Open-Air-Sommers die Vorrundenspiele der Nationalmannschaft sowie alle Partien ab dem Achtelfinale überträgt. Auch im Römerkastell werden Videowände aufgestellt. Am Mittwoch hat die Theaterhaus-Gastronomie angekündigt, im Freiluftbereich Übertragungen des Eröffnungsspiels an diesem Freitag sowie der deutschen Vorrundenpartien zu präsentieren.

Lesen Sie hier aus unserem Angebot: Welche Coronaregeln Gäste jetzt kennen sollten

Neuen Schwung in die Überlegungen vieler Gastronomen brachte die Mitteilung des Sozialministeriums am Mittwoch. Das Ministerium erklärte zwar, dass „klassisches Public Viewing, wie wir es kennen, bei der EM aufgrund der Pandemie leider nicht stattfinden“ könne – hat aber eine Hintertür offen gelassen. Denn „mit einem Kino oder Freiluftkino vergleichbare Organisationsformen“ seien möglich, heißt es aus Stuttgart. Dafür gelten dieselben Vorgaben, die es bisher schon für kulturelle Veranstaltungen gibt.

Bis zu 750 Besucher sind möglich

So können bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 50 bis zu 500 Fans vor einer Großleinwand zusammenkommen. Liegt der Wert stabil unter 35, sind 750 Zuschauer möglich. Die Veranstalter müssen jedoch Ordner engagieren, die dafür sorgen, dass die bestehenden Abstandsregeln von den Fans eingehalten werden.

Auch öffentliche TV-Übertragungen etwa in Biergärten sind unter den jeweiligen Auflagen der Coronaverordnung möglich. Zu beachten sind dabei die für die Gastronomie geltenden Regelungen, also etwa die Begrenzung der Gästezahl oder die Abstands- und Hygieneregeln. Immerhin muss der Wirt seine Gäste nicht zur Halbzeit heimschicken. In der jüngsten Coronaverordnung hat das Land die vorgezogene Sperrstunde wieder abgeschafft.

Die Gastronomen wittern jetzt ihre Chance

Die Hoffnung, dass die Städte nun auf die Schnelle große Public Viewings organisieren, müssen die Fans aber beerdigen: „Mit Blick auf die weiterhin geltenden Abstandsregelungen und Kontaktbeschränkungen ist an Events, wie wir sie zuletzt bei der WM 2018 erlebt haben, noch nicht zu denken“, sagt etwa der Sindelfinger Ordnungsamtsleiter Jürgen Beck: „In der aktuellen Situation müssen sich TV-Angebote von Gastronomen auf die Besucherbereiche der Lokalitäten beschränken, um Menschenansammlungen zu vermeiden.“

Bleiben also die Biergärten. Bei den Ordnungsämtern, so die übereinstimmende Auskunft, haben sich nach der Ankündigung des Sozialministeriums die unverbindlichen Anfragen nach den Bedingungen für Public Viewing deutlich erhöht. Fest steht unter anderem, dass der Schwabengarten in Leinfelden, der Paulaner in Echterdingen, der Palm’sche Bau in Esslingen und auch die Schönbuch-Brauhäuser in Böblingen, Calw und Stuttgart Fernsehübertragungen der deutschen Spiele anbieten werden. In den nächsten Tagen wird dieses Angebot sicher noch wachsen.

Die Oberbürgermeister lehnen große Veranstaltungen ab

„Wenn ein Biergarten im Rahmen der Inzidenzwerte öffnen kann und einen Bildschirm aufstellt, damit die Gäste nicht nur essen und trinken, sondern auch ein Fußballspiel anschauen können, finde ich das eine gute Möglichkeit für ein geregeltes, aber nicht hemmungsloses Public Viewing“, sagt der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht. Die Bespielung großer Plätze für Public Viewing hielte Knecht, selbst wenn die Corona-Verordnung sie ermöglichen würde, aber für unvernünftig und sogar gefährlich.

Der Schorndorfer Rathauschef Matthias Klopfer (SPD) würde Public Viewing während der EM gerne möglich machen. „Allerdings müssen die Fans akzeptieren, dass das wie eine Kulturveranstaltung behandelt wird. Da gibt es keine Ausnahme“, betont der Oberbürgermeister. „Da könnte sich der ein oder andere überlegen, ob er nicht doch eher eine Grillfeier mit den Nachbarn macht. Schließlich sind drei Haushalte erlaubt“, sagt Klopfer.

Aus medizinischer Sicht spricht aktuell wenig gegen Public Viewing. Jan Steffen Jürgensen, medizinischer Vorstand im Klinikum Stuttgart, erklärt: „Die Zahlen schwerer Corona-Verläufe sind erfreulich rückläufig. Das erlaubt, etwas durch zu schnaufen. Gerade Veranstaltungen im Außenbereich halte ich mit einigen Regeln für sicher.“ Auch sein Karlsruher Kollege, der Infektiologe Michael Geißler, hat keine Einwände gegen das gemeinsame Fußballschauen – zumindest im Freien: „Wenn sich alle an die Regeln halten, wird durch Public Viewing keine neue Welle entstehen.“

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