EM 2024 Das zeichnet Spaniens Wunderkind Lamine Yamal aus

Zehntklässler mit Zahnspange und hoch gehandelter Fußballstar: Lamine Yamal. Foto: AFP/John MacDougall

Vor dem Spitzenspiel gegen die unberechenbaren Italiener dreht sich bei Spanien vieles um den erst 16-jährigen Lamine Yamal.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Und, hätten Sie es gewusst? Die Antwort auf die Frage nach dem jüngsten Torschützen der EM-Geschichte. Nein, es handelt sich nicht um Lamine Yamal. Dieser leistete beim 3:0-Auftaktsieg der Spanier gegen Kroatien lediglich eine Vorlage zum Tor, auch wenn das im allgemeinen Hype um den erst 16-Jährigen gerne mal durcheinander gerät.

 

Der jüngste EM-Torschütze bis heute hört auf den Namen Johan Vonlanthen. Ein Schweizer, der beim Turnier von 2004 zum 1:1 gegen Frankreich traf. Damals im Alter von 18 Jahren, vier Wochen und 20 Tagen. Es war klar, was danach passierte. Der Spieler war das neue Juwel, der kommende Star an Europas Fußballhimmel, die Scouts standen Schlange und der Schweizer träumte von Real Madrid. Das Ende vom Lied: Vonlanthen legte eine eher durchschnittliche Karriere in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz hin. Nix mit kommender Superstar – dem ganzen Wirbel um seinen historischen EM-Treffer zum Trotz.

Das erste echte Top-Duell bei dieser EM

Warum wir diesen Einstieg wählen? Nun, da sich in diesen Tagen eine neuerliche EM-Geschichte um einen kommenden Superstar mit historischen Bestmarken aufbaut, mag der Rückblick ins Jahr 2004 der vergleichenden Einordnung dienlich sein. Nicht jeder, der früh schon groß auftrumpft, wird am Ende auch ein Großer.

Es lässt sich aber auch nicht ausschließen. Womit wir zu Lamine Yamal kommen. Der spanische Rechtsaußen war am vergangenen Samstag im Alter von 16 Jahren und 338 Tagen jüngster EM-Debütant der Geschichte. An diesem Donnerstag (21 Uhr) gegen Italien könnte er nun Vonlanthen als jüngsten Torschützen nicht nur ablösen, sondern bei weitem übertreffen. Yamal ist noch über ein Jahr jünger als der Schweizer. Doch was sagen schon Zahlen?

Der Sohn eines marokkanischen Vaters und einer äquatorialguineischen Mutter hat längst bewiesen, dass er das Zeug zum nächsten Superstar hat. Bereits mit 15 Jahren und neun Monaten debütierte er für die Profimannschaft des FC Barcelona. In der abgelaufenen Saison, die keine einfache für das katalanische Starensemble war, kam er in nahezu allen Partien zum Einsatz und erzielte dabei fünf Tore. Sein Marktwert sprang innerhalb eines Jahres von null auf 90 Millionen Euro. Barcelona hat sich prompt die Ablöse festschreiben lassen. Eine Milliarde Euro. Verrückt.

Festgeschriebene Ablöse: Eine Milliarde Euro

Für die Furia Roja, die spanische Nationalmannschaft, stand der in einem Vorort von Barcelona groß gewordene Teenager mit Zahnspange bereits achtmal auf dem Platz. Nicht als Ergänzungsspieler, sondern als fester Bestandteil des neuen spanischen Erfolgssystems, das weniger verspielt und ballverliebt, dafür wesentlich zielstrebiger und Tor-orientierter daherkommt als früher. Yamal kommt dabei die Rolle des kaum zu bändigenden Flügelstürmers zu. Mit seiner Schnelligkeit und seiner Technik auch unter größtem Druck unterscheidet er sich noch einmal von den ohnehin schon sehr guten Spielern auf internationaler Bühne.

„So weit war in seinem Alter noch keiner“, urteilt der spanische Nationalcoach Luis de la Fuente. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gab gar die Prognose ab, er werde bald „der Beste“ sein; geflissentlich ignorierend, dass Lamine Yamal sich bei dieser EM inmitten einer ganzen Riege potenzieller Superstars befindet: Jamal Musiala, Jude Bellingham, Arda Güler, um nur einige zu nennen.

De la Fuente versucht, den Hype um seinen Ausnahmespieler so gut es geht einzudämmen. „Wir sollten nicht zu viel über einen einzelnen Spieler sprechen“, sagte er vor dem richtungsweisenden Duell mit den Italienern. Mit einem Sieg könnten beide bereits vorzeitig den Sprung in die nächste Runde schaffen.

Was von den Italienern zu erwarten ist? Schwierig.

Die Squadra Azzura lässt sich dabei nur schwer einschätzen. Wie immer eigentlich sind die Italiener die große Wundertüte. Entweder sind sie bei einem großen Turnier gar nicht erst dabei – oder sie triumphieren. So wie bei der letzten Kontinentalmeisterschaft 2021, der ein Scheitern in der darauffolgenden WM-Qualifikation folgte. Jetzt konnte sich der Titelverteidiger mit Müh und Not qualifizieren, der erste Auftritt gegen Albanien (2:1) bot Licht und Schatten. „Spanien ist uns im Moment voraus“, sagt Mittelfeldspieler Davide Frattesi (24). Das klingt nach ehrlicher Selbsteinschätzung. Anderseits lassen die Azzurri immer wieder ihr Unverständnis darüber durchklingen, nicht zum engsten Favoritenkreis gezählt zu werden. So viel Selbstbewusstsein muss sein.

Die Partie in Gelsenkirchen markiert auf alle Fälle das Duell zweier echter Fußballgroßmächte – das erste bei diesem Turnier. Auch für Lamine Yamal ist es die Premiere im spanischen Nationaltrikot gegen eine Top-Nation. Es ist seine Chance, sich auf noch größerer Bühne einem noch breiteren Publikum zu präsentieren. Und der Tor-Rekord des Johan Vonlanthen von vor 20 Jahren? Er wird sicher fallen, ob am Donnerstag oder in einem anderen Spiel. Die Karriere des Lamine Yamal wird auch so Fahrt aufnehmen.

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